Cash.-Roundtable: „Das Zinsniveau ist jetzt wieder normal“

Die Teilnehmer von links: Sandro Pawils, Geschäftsführer/CSO, Carestone Group GmbH. Branche: Pflegeimmobilien; Nico Auel, Geschäftsführer, RWB Partners GmbH. Branche: Private-Equity-Dachfonds; Dr. Thomas Peters, Geschäftsführer Alpha Ordinatum GmbH (Primus Valor Gruppe). Branche: Bestands-Wohnimmobilien; Thorsten Eitle, Geschäftsführer/CSO und Gründer, hep global GmbH. Branche: Solarenergie-Projekte international

Beim digitalen Roundtable sprach Cash. mit vier führenden Sachwert-Anbietern aus verschiedenen Segmenten unter anderem über die jeweils aktuelle Marktsituation, die Zinsentwicklung, das Thema der Nachhaltigkeitsabfrage im Vertrieb und das drohende Provisionsverbot.

Wie ist die aktuelle Situation in Ihrem jeweiligen Zielmarkt? 

Auel: Private Equity hat sich insbesondere im Vergleich mit den Aktienmärkten in den letzten Jahren und Monaten äußerst stabil entwickelt. Wie in den beiden Vorjahren konnten wir daher auch 2022 wieder 18 Ausschüttungen an unsere Anleger leisten. Die Wertentwicklung unserer internationalen Dachfonds ist der angespannten Weltlage zum Trotz fast ausschließlich positiv. Wenn es Rückgänge gibt, dann eher im asiatischen Raum, beispielsweise bei älteren China-Fonds mit höherem Early Stage Anteil. Im weltweiten Private-Equity-Markt sind im dritten und vierten Quartal die Deal- und Exit-Volumina teilweise 30 bis 50 Prozent zurückgegangen. Aber das bezieht sich hauptsächlich auf den Start-up- und Venture-Bereich, in dem wir uns schon seit längerem nicht mehr engagieren. Für das aktuelle Jahr sind wir sehr optimistisch. Wir sind derzeit knapp 20 Prozent im Plus beim Privatkunden-Fundraising und haben bis Ende März bereits die ersten vier Ausschüttungen vorgenommen.

Peters: In der Platzierung haben wir 2022 mit 82 Millionen Euro unser Rekordergebnis eingefahren und den ICD 11 sehr erfolgreich geschlossen. In Bezug auf den Wohnimmobilienmarkt generell sind die Neubauziele der Bundesregierung nicht nur im letzten Jahr deutlich verfehlt worden. Wir merken jetzt, dass die Nachfrage von Mietern wächst und wächst. Das führt auch weiterhin zu häufig steigenden Mieten. Die sogenannte „Zeitenwende“ führt noch einmal zu einer dramatischen Veränderung der Märkte, weil Zuwanderung auch in den Folgejahren die Nachfrage massiv ankurbeln wird. Das betrifft gerade das Segment, in dem wir aktiv sind, also bezahlbares Wohnen. Das gestiegene Zinsniveau führt zudem dazu, dass Neubauvorhaben zu einem großen Teil verschoben oder gar nicht mehr realisiert werden. Unsere Bestandsfonds profitieren letztlich davon, weil Mietsteigerungspotenziale daraus resultieren. Zum anderen führen die gestiegenen Zinsen auch bei unseren Bestandsfonds dazu, dass wir höhere Liquidität vorhalten und auch wir teilweise Bautätigkeiten reduzieren. Es reicht nicht mehr aus, nur die seit vielen Jahren positive Marktentwicklung mitzunehmen. Jetzt kommt es auf das Asset Management an. Da wird sich noch die Spreu vom Weizen trennen. 

Pawils: Wir haben viele sehr gute Jahre hinter uns und sind enorm gewachsen. Wir haben Volumina um die 400 Millionen Euro im Jahr verkauft. Es gibt einen Bedarf in der Pflege von mindestens 400 Neubauhäusern pro Jahr, es werden aber nur in etwa 200 Häuser fertiggestellt. Es gibt also auch in der Pflege ein enormes Nachfragepotenzial, das jährlich größer wird. Von der allgemeinen Marktentwicklung sind wir aber natürlich auch betroffen. Das letzte Jahr war herausfordernd. Der Druck auf den Neubau steigt nicht nur aufgrund des Zinsniveaus. Baupreise sind gestiegen, Energiepreise sind gestiegen, Lieferketten sind hier auch zu nennen. Auf der Absatzseite haben wir dennoch performt und über 1.300 Pflegeapartments – wir sind hauptsächlich Aufteiler im Teileigentumssegment – verkauft. Obwohl wir auch einen Block Deal von über 180 Millionen Euro abgeschlossen haben, ist der Teileigentumsvertrieb also eine tragende und erfolgreiche Säule. In diesem Jahr ist das Segment allerdings ein wenig gehemmter gestartet Zum einen spürt der Anleger hier direkt die gestiegenen Zinsen, zum anderen fehlen die Anreize und die Stabilität, etwa in Bezug auf den Energieeffizienz-Standard KfW40 und das damit verbundene Volumen der KfW-Förderung. 

Eitle: Im Bereich der Erneuerbare Energien gibt es – nicht nur in Deutschland – einen großen politischen Willen, tatsächlich etwas zu verändern. Wir haben in Deutschland Ausbauziele definiert bis zum Jahr 2030, respektive 2040, die meines Erachtens sehr sportlich sind. Dennoch kann man in Deutschland positive Tendenzen sehen. Von den Märkten, die wir aktuell bedienen, haben wir in USA eine Pipeline von knapp vier Gigawatt. Das bedeutet Investitionen von vier Milliarden US-Dollar in den nächsten fünf Jahren. dabei kommt uns das 370-Milliarden-Dollar-Subventionspaket von Joe Biden zugute. Auch im kanadischen Markt merkt man, dass der politische Wille – anders als noch vor einigen Jahren – da ist. Dort werden wir in diesem Jahr die ersten Projekte mit einer Gesamtgröße von circa 170 Megawatt umsetzen. Zu guter Letzt Japan. Dort ist die Bevölkerung seit Fukushima den Erneuerbaren Energien sehr zugetan. Trotz allem werden neue Atomkraftwerke gebaut, die allerdings alte Atomkraftwerke an Risikostandorten ersetzen sollen. In Japan wird es extrem schwierig, das Land komplett durch erneuerbare Energien zu versorgen, das ist von der Größe her fast unmöglich. Aber die Japaner sind sehr erpicht darauf, erneuerbare Energien stark auszubauen. 

Wie werden Sie Ihre Produkte an die Rahmenbedingungen anpassen? Sind das graduelle Veränderungen oder gänzlich neue Konzepte?

Peters: Wir wollen im Segment der Bestandsimmobilien beziehungsweise auch vereinzelt Neubauten bleiben. Unser geplanter neuer Fonds wird eine Weiterentwicklung sein. Wir wollen  uns auch den Anforderungen an die Nachhaltigkeit nähern. Das ist ohnehin unsere DNA: Wir sanieren regelmäßig auch energetisch. Insofern wird der neue Fonds nach jetziger Planung ein Artikel-8-Fonds werden. An unserer Strategie „Renovation Plus“ ändert dies jedoch rein gar nichts. Unsere seit langem fest implementierten energetischen Optimierungsmaßnahmen zur Schadstoff-Einsparung werden nun lediglich in einem neuen Gewand dargestellt – leider unter erhöhtem bürokratischem Aufwand.

Gemeint ist die Einstufung der Nachhaltigkeit (ESG) nach EU-Offenlegungsverordnung, die auch im Vertrieb berücksichtigt werden muss.

Peters: Richtig. Daneben müssen wir die veränderten Rahmenbedingungen berücksichtigen, vor allem bezüglich der Höhe der Fremdfinanzierung. Auf der anderen Seite sehen wir im Neubausektor teilweise eine Schieflage von Projektentwicklern. Unsere ursprüngliche DNA, mit der wir groß geworden sind, war der Erwerb aus Sondersituationen. Dieser Markt kommt jetzt langsam wieder, sodass ich mir sehr gut vorstellen kann, dass gerade dieses Chancen-Potenzial unser neuer Fonds sehr gut nutzen kann. Aber auch in den Bestandsobjekten, die man erwirbt, gibt es wegen der weiter steigenden Mieten noch stille Reserven, die es in den nächsten Jahren zu heben gilt.

Auf der einen Seite höhere Fremdkapitalzinsen und Kostenerhöhungen, auf der anderen Seite vielleicht höhere Anforderungen von Anlegern an die Rendite, weil Alternativanlagen sich wieder positiv verzinsen. Was müssen Sie bieten, damit Ihr Angebot weiterhin attraktiv ist und wie wollen Sie das hinbekommen?

Pawils: Aktuell sehen wir im Markt eine deutliche Zurückhaltung bei Globalverkäufen. Es geht natürlich immer über den Preis, aber die Gebote liegen häufig unter den Gestehungskosten, die vor ein oder zwei Jahren zu ganz anderen Bedingungen kalkuliert wurden. Wir sind sehr froh, dass wir das Teileigentumsgeschäft haben. Aber auch bei Privatkäufern, die die Immobilien in der Regel zu Kaufpreisen zwischen in der Regel 200.000 und 500.000 Euro bei uns kaufen, gibt es Limits in der Liquidität. Wenn der monatliche Aufwand vorher bei 200 oder 300 Euro lag, sind nun bei gleichem Eigenkapital schnell 600, 700 Euro und mehr Aufwand erforderlich. Das ist vor allem bei großen Tickets eine Herausforderung, und das spüren wir auch. Unsere Strategie ist also, durch die Aufteilung einer Einrichtung Kaufpreise von ungefähr 200.000 Euro zu ermöglichen, damit die Anleger das liquiditätsmäßig stemmen und gut in ihr Portfolio einbinden können.

Eitle: Wir diskutieren über eine Entwicklung, die meines Erachtens normal ist. Wir haben wieder Zinsen, was wir ein paar Jahre lang nicht hatten und was ein unnormaler Markt war. Die Spreads zwischen dem risikofreien Zins, der zeitweise sogar negativ war, und der Rendite zum Beispiel eines Solarparks lag bei 500, 600 Basispunkten. Das ist nicht normal. Wenn man die letzten 20 bis 30 Jahre sieht, lag der Spread bei vielleicht 100 oder 150 Basispunkten. Das bedeutet, bei einem risikofreien Zins von zum Beispiel drei Prozent ist ein Produkt mit 4,5 oder fünf Prozent attraktiv. Aufschläge von fünf, sechs oder sieben Prozentpunkten sind nicht realistisch, jedenfalls nicht bei vertretbaren Risiken. Die aktuelle Nachfrage nach unseren Produkten bestätigt das. Nicht nur private Investoren, sondern auch institutionelle Investoren wie zum Beispiel Stiftungen oder Family Offices sprechen uns an. 

Auel: Die Zinsveränderungen sind für uns kein Anlass, unsere Produkte zu verändern. Wir sind ein langfristiger Investor. Die Investitionen in unseren Dachfonds erfolgen über mehrere Jahre und damit auch über verschiedene Wirtschaftszyklen, in der „International“-Fondskonzept sogar über zwei Investitionsrunden und damit über mehrere Investitionsjahre. Komplett zurückgefahren haben wir in den letzten zehn Jahren unsere Venture Capital Exposure. Dazu haben wir unser Engagement in Asien deutlich verringert. Beides kommt uns jetzt sicherlich zugute. Bei den einzelnen Transaktionen der Zielfonds ist vielfach der Eigenkapitalanteil gestiegen, aber auf Ebene unserer Dachfonds haben wir ohnehin keinen Fremdkapital-Leverage. Ich vermute, die Inflation wird etwas zurückgehen, aber sie wird hoch bleiben. Daher müssen wir möglichst in Firmen investieren, die eine Preissetzungsmacht haben und die Inflation an die Kunden weitergeben können. Das kann sich dann auch positiv auf die Nominalrenditen auswirken.

Wie fließt das Argument, dass Sachwerte der beste Inflationsschutz sind, in die Vertriebsargumentation oder auch in die Kalkulation ein? 

Peters: Zunächst möchte ich zustimmen, dass wir bezüglich der Zinsen jetzt in einen normalen Markt zurückkehren. Vor ein paar Jahren hat man auf vier Prozent gefallene Zinsen als extrem niedrig wahrgenommen und niemand hat angenommen, dass sie noch viel weiter fallen können. Das ist aber geschehen. Jetzt sind sie wieder auf vier Prozent gestiegen, aber es ist ein Gewöhnungseffekt eingetreten und was vor ein paar Jahren noch völlig normal war, wird als unnatürlich hoch angesehen. Das ist nicht der Fall. 

Pawils: Die Immobilienpreise haben heute aber ein komplett anderes Niveau als noch vor fünf oder zehn Jahren.

Peters: Das stimmt. Die größere Problematik ist aber, dass diese Entwicklung sehr schnell, innerhalb von zwölf Monaten, eingetreten ist und der Markt nicht so schnell reagieren konnte. Wichtig ist an der Stelle, dass bei den Auszahlungen der Abstand zu den Festgeldanlagen noch da ist. Auf der anderen Seite werben wir nicht mit Auszahlungen. Die Anleger dürfen die kurzfristige Auszahlung und die langfristige Rendite nicht durcheinanderwerfen. Wir werden weiter konservative Wohnimmobilien kalkulieren. Uns ist keiner böse, wenn wir die Erwartungen „übererfüllen“. Darin sehen wir auch eine Chance.

Auel: Das ist ein guter Punkt: Man muss langfristig anlegen. Deshalb ist es wichtig, dass es mit dem Vertrieb einen professionellen Multiplikator gibt, der den Anlegern nahebringt, warum zum Beispiel die Themen Photovoltaik, Pflege, Private Equity in einem Portfoliomix ganzheitlich betrachtet sinnvoll sind. Nicht weil das eine Produkt die beste Rendite von allen Anlageklassen macht, sondern weil es im Mix sinnvoll ist. Deshalb halte ich es auch nicht für zielführend, sein Produkt ständig anzupassen oder wilde Inflationsberechnungen on top zu setzen. 

Eitle: Der Grundsatz, dass Sachwerte gleich Inflationsschutz sind, gilt weiterhin. Auch wenn die Zinsen jetzt bewirken, dass Immobilien, die schon relativ hoch bepreist werden, vielleicht zunächst ein paar Jahre im Wert nicht steigen, steigen über kurz oder lang die Mieten, und im Endeffekt ziehen dann die Immobilienpreise auch wieder nach. Auch der Strompreis wird mit der Inflation steigen und entsprechend auch der Wert einer Solaranlage.

Auel: Wir haben unlängst abgefragt, welches aktuell die häufigsten Kundenfragen sind. Sicherlich gibt es Fragen zur Inflation, aber die häufigste ist: Soll ich jetzt einsteigen oder abwarten? Im Augenblick wird auch viel gefragt, was wir im Bereich künstlicher Intelligenz machen, weil das in Zusammenhang mit ChatGPT gerade medial stark wahrgenommen wird. Das sind genau die falschen Fragestellungen: Kurzfristigen emotionalen Trends hinterherzuhecheln oder auf den richtigen Investitionszeitpunkt zu warten, ist selten die richtige Entscheidung. Auch das zeigt die Notwendigkeit eines kompetenten Beraters. 

Pawils: Das Thema Inflation treibt unsere Branche insbesondere auf Betreiberseite stark um. Die Branche ist ganz grundsätzlich entkoppelt vom klassischen Mietermarkt, allerdings stark abhängig von den verhandelten Investitionskosten und den dadurch refinanzierbaren Mieten. Da ist in den letzten Jahren nicht viel getan worden. Wir merken jetzt, dass Betreiber ihre Pflegesätze nicht so schnell nachverhandelt bekommen. In den Mietverträgen ist eine Indexierung zwar fixiert, und danach sind aktuell auch viele Mieten anzuheben. Die Betreiber müssen das allerdings häufig vorstrecken und sich gleichzeitig um die Refinanzierung über die Pflegekassen kümmern. Die großen Betreiber, mit denen wir zusammenarbeiten, haben die Probleme offensichtlich nicht, sondern eher die kleinen. Also findet sehr wahrscheinlich eine weitere Konsolidierung des Marktes statt. Da ist schnelles Handeln der Politik notwendig.

Auel: Generell ist Bürokratie, speziell in Europa und in Deutschland ein enormes Hemmnis. Wir leben in einer Zeit der Transformation, nehmen wir allein die Stichworte künstliche Intelligenz, Energieerzeugung, Digitalisierung. Wir brauchen also Pragmatismus, Unternehmertum, Flexibilität. Im Gegensatz sehen wir aber mehr Bürokratie, staatliches Eingreifen und öffentliches Blaming in jeglicher Form. Zum Beispiel ist es auf der einen Seite gewollt, dass die breite Bevölkerung privat vorsorgt und Vermögen aufbaut. Auf der anderen Seite steht die Bürokratie und der ideologisch motivierte Versuch, ein Provisionsverbot durchsetzen zu wollen. Das ist eine ungünstige Mischung.

Eitle: Die Herausforderung für uns alle ist, dass wir auf Veränderungen reagieren müssen, teilweise schnell reagieren müssen. Auch wenn uns manchmal Hindernisse in den Weg gelegt werden. Wir verbringen neben den eigentlichen Aufgaben derzeit leider sehr viel Zeit auf Nebenkriegsschauplätzen. Davon müssen wir wieder weg.

Peters: Ich bin ein großer Freund des föderalen Systems. Aber es ist derzeit ein Problem, dass die Ziele von der Bundesregierung vorgegeben werden und die Behörden vor Ort hoffnungslos überfordert sind beziehungsweise die Infrastruktur vor Ort gar nicht vorhanden ist. Das betrifft auch die geplanten Vorschriften zu Heizungsanlagen. Kritiker sagen, und das bestätigt sich bei uns in der schnellen Schätzung, dass 50 Prozent der Immobilien gar nicht darauf ausgelegt sind, zum Beispiel eine Wärmepumpe einbauen zu lassen. In einem Teil der Objekte schafft die Infrastrukur den Strombedarf einer Wärmepumpe im Mehrfamilienhaus gar nicht.

Pawils: Das aktuell diskutierte Gasheizungsverbot ist ein gutes Beispiel. Man sollte den gesamten Lebenszyklus einer Immobilie betrachten. Das umfasst dann alle Themen erneuerbarer Energien, verwendeter Materialien und der Immobiliengestehung selbst, also Transport oder Einbau. Die Fokussierung auf Details, wie die Gas- oder Ölheizung, führt in der Regel zu stark vereinfachten Berechnungen. Das Entscheidende sind jedoch stabile regulatorische Rahmenbedingungen. Dann wären auch alle bereit, mehr zu investieren. Das ist aktuell aber nicht der Fall. Wir haben beispielsweise ein Projekt, das wir auf KfW 40 NH geplant hatten und dann sogar noch einmal umgeplant haben, um unseren Kunden die Möglichkeit für KfW-Fördermittel zu erschließen. Jetzt gibt es das Programm aber nicht mehr. Das Objekt ist zu etwa 50 Prozent verkauft. Dieser Teil der Investoren hat KfW-Mittel bekommen, der zweite Teil nicht mehr. Wie wollen Sie das erklären? Also müssen wir nochmals umplanen und es zertifizieren lassen. Das neue Förderprogramm ist übrigens wieder nur sehr klein dimensioniert. 

Wie wird sich die neuerdings im Vertrieb notwendige Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden auswirken?

Auel: Auf eine gute Grundintention, den Fokus auf nachhaltiges Wirtschaften zu setzten, wurde erneut planwirtschaftlich eine sehr ausziselierte kleinteilige und komplexe Regulierung aufgesetzt, die wenig praxistauglich sind. Wir legen unseren Vertriebspartnern die rechtskonforme und intuitive Präferenzabfrage über Walnut ans Herz. Walnut hat auch den Quellcode offengelegt, sodass andere Emissionshäuser und IT-Firmen darauf zugreifen können. Ziel ist eine gewisse Standardisierung, um das für alle Beteiligten pragmatisch im Alltag zu integrieren. 

Eitle: Die Uni Kassel hat eine Million anonymisierte Beratungsprotokolle ausgewertet. 80 Prozent der Beratenen haben angekreuzt, auf ESG zu verzichten. Letztendlich resultiert das wohl auch aus dem Tenor, dass die Berater gerade auf Bankenseite den Kunden drauf hinweisen: Wenn du ein ESG-Produkt möchtest, dann ist die Produktvielfalt stark eingeschränkt. Das belegt, dass wieder einmal eine gute Idee schlecht umgesetzt wurde. Trotz allem haben 50 Prozent der Kunden dann ein ESG-taugliches Produkt gekauft oder zumindest im Portfolio mitgekauft.

Peters: Der Vertrieb muss heute über alles und jedes aufklären. Das ist im Grundsatz auch in Ordnung, aber man sattelt stets nur drauf. Es gibt ja keine Entlastung anderswo, wenn wir jetzt ESG mehr in den Mittelpunkt stellen wollen. Das kommt zusätzlich dazu. Ich glaube auch nicht, dass der Anleger in vielen Bereichen davon tatsächlich einen Mehrwert hat. Schon bei den Kostenklauseln stellt sich die Frage, mit welcher Wichtigkeit das tatsächlich wahrgenommen wird. 

Eitle: Der Aufklärungsbedarf unserer Vermittler ist durchaus da. Dazu müssen wir auch ein großes Stück beitragen, denn sonst wird das Ganze nicht funktionieren. Das betrifft aber nicht nur den Vertrieb. Ich habe kürzlich alle Fraktionen in der Gemeinde, in der wir einen Solarpark bauen wollen, besucht, um das neue Solarprojekt vorzustellen. Von den 28 Gemeinderatsmitgliedern konnte niemand mit dem Begriff ESG etwas anfangen. Ich bin auch Prüfer bei der IHK für 34f-Vermittler. In der Ausbildung wird bisher in keinster Weise auf das Thema Nachhaltigkeit eingegangen, obwohl wir seit Jahren darüber diskutieren. Auf der einen Seite die Idee, Nachhaltigkeitspräferenzen abzufragen, auf der anderen Seite die Inkonsequenz in der Ausbildung der Finanzberater, das finde ich kontraproduktiv.

Ist der Vertrieb trotzdem auf die Abfragepflicht vorbereitet?

Peters: Ich glaube schon, dass sich die Vertriebspartner im Hintergrund vorbereiten. An uns werden auch Fragen dazu herangetragen, ich habe aber den Eindruck, dass die Umsetzung sehr unterschiedlich ist. Das ist zwar bei jedem neuen Thema so, aber ich glaube trotzdem, dass es den Vertrieb irgendwann überfrachtet. 

Pawils: Der Finanzberater muss mittlerweile mehr Regulatorik drauf haben, als es dem Kunden am Ende wirklich helfen kann. Keine Frage, Weiterbildung ist wichtig. Wir bieten das für unsere 34c-Vermittler über unser Haus auch an. Das machen wir mittlerweile auch für 34d-Vermittler. Aber zu viel Regulatorik hilft dem Verbraucher doch in keinem Fall. Wenn viel zu viele Vermittler aufgrund hoher Hürden den Markt verlassen, ist keinem geholfen. 

Auel: Die Kluft zwischen Mittelschicht und den Reichen wird weiterhin größer. Menschen werden immer älter und müssen die Versorgungslücke füllen. Dazu kommt nun die Aufklärung bei Themen wie ESG. Da hat der Finanzberater gesellschaftlich eine extreme Bedeutung und Relevanz. Trotzdem gibt es kaum Nachwuchs, auch weil Finanzberater generell keinen sehr guten Leumund haben und aktuell wieder einmal über ein Provisionsverbot diskutiert wird.

Eitle: Ich gehe davon aus, dass das Provisionsverbot nicht kommen wird. Aber nichtsdestotrotz denke ich: Am Ende des Tages wird es Finanzberater geben, die dann per Honorarberatung unterwegs sind und die letztendlich Produkte verkaufen. Ob mit oder ohne Provision: Deswegen müssen wir Produkte kreieren und gestalten, die für Vermittler beziehungsweise Berater spannend sind. Es wird immer Menschen und Kunden geben, die Geld zum Anlegen haben und die Produkte suchen.

Auel: Das sehe ich anders. Die Masse der Kunden sucht nicht nach Anlagemöglichkeiten, sondern muss motiviert werden. Wenn die Leute überhaupt aktiv suchen, dann sicherlich eher den kleinsten Widerstand, also kurzlaufende Produkte, einfache Stories vermeintliche Geheimtipps für das schnelle Geld. Da bedarf es jemandem, der erklärt, warum langfristige Geldanlage wichtig ist und der über komplexe Anlageformen aufklärt, wenn diese sinnvoller sind als andere.

Peters: Ein Provisionsverbot wäre wieder eine Verbotspolitik, die ich nicht nachvollziehen kann. Warum kann sich der Anleger nicht selber entscheiden, ob er eine Honorarberatung möchte oder ob er einen anderen Vertriebsweg wählt? Das ist ja heute möglich. Der Vertriebspartner ist heute dazu verpflichtet, dem Kunden mitzuteilen, was er an dem Produkt verdient. Der Kunde akzeptiert die Provisionsberatung ja trotzdem noch. 

Eitle: Auf der anderen Seite müssen auch die Publikums-AIF-Anbieter an der Assetklasse arbeiten. Die Assetklasse ist in der Breite völlig unbekannt. Sicherlich berichten Cash und einige andere Fachmedien über AIFs. Diese sind für Privatanleger aber kaum zugänglich oder zumindest nicht wirklich relevant. Für die großen Tageszeitungen wie dem Handelsblatt, die Frankfurter Allgemeine Zeitung und andere existiert unsere Produktwelt, der Publikums-AIF, nicht. Genau hier müssen wir ansetzten, um von dem negativen Image einer geschlossenen Beteiligung wegzukommen. Meiner Meinung nach ist das Produkt Publikums-AIF ein sehr spannendes, weil man Dinge abbilden kann, die im offenen Bereich überhaupt nicht abgebildet werden können – siehe Private Equity. Ich denke, wir müssen überlegen, wie wir diesen Imagegewinn alle zusammen angehen und auch schaffen können.

Auel: Ich glaube nicht, dass das an dem Produkt oder der Mantelvermarktung AIF liegt, denn dazu hat der Kunde keinen Bezug. Das ist vielleicht eine Sache in Richtung der Berater im Vergleich mit der geschlossenen Fondsregulierung – oder Nicht-Regulierung – von früher. Aber der Kunde sieht das Thema Private Equity oder die Solaranlage. Der beschäftigt sich, glaube ich, nicht wirklich damit, ob das ein Publikums-AIF, ein ELTIF oder irgendetwas anderes ist. 

Ist ein Provisionsverbot auch im direkten Verkauf ein Thema?

Pawils: Als Realaufteiler in der Assetklasse Pflegeimmobilien verkaufen wir Wohnungen mit 34c-Vermittlern. Das Thema Provisionsverbot beobachten wir zwar genau, bei uns wird aber in der Regel  mit dem Makler ein Übererlös vereinbart und insofern haben wir das Thema nicht so ausgeprägt. 

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