EXKLUSIV

Einkaufen im Autopilot-Modus: Wenn KI-Agenten das Shopping übernehmen

Pascal Beij
Foto: Unzer
Pascal Beij

Das Potenzial des Agentic Commerce ist weitreichend. Für die Verbraucher ergibt sich ein nie dagewesener Komfortgewinn. Unternehmen profitieren ebenfalls. Gastbeitrag von Pascal Beij, Unzer

Stellen Sie sich vor, Sie schildern Ihre Wünsche und Vorstellungen für die Urlaubsplanung einer Künstlichen Intelligenz. Diese übernimmt daraufhin den Abgleich sämtlicher Optionen und bucht daraufhin völlig autonom – ohne weiteres Zutun Ihrerseits.

Genau hier setzt der agentenbasierte Handel, auch “Agentic Commerce” genannt, an. Während klassische generative KI berät und unterstützt, übernimmt ein KI-Agent im Agentic Commerce bereits sämtliche Schritte eines Kaufprozesses. Er sucht, prüft, trifft Entscheidungen und bezahlt – völlig eigenständig.

Das Potenzial des Agentic Commerce ist weitreichend. Für die Verbraucher ergibt sich ein nie dagewesener Komfortgewinn: Sie sparen Zeit und Aufwand, während die KI aufwendige Recherchen übernimmt. Dies verändert Marktentscheidungen grundlegend, da Agenten primär nach Preis-Leistung und Parametern entscheiden, nicht nach beispielweise emotionaler Markenbindung.

Unternehmen profitieren ebenfalls. KI-Agenten greifen aktiv in die Steuerung von Lieferketten ein, überwachen Lagerstände und sorgen für optimale Beschaffung. Preise werden durch algorithmische Verhandlungen optimiert, was für beide Seiten Effizienzsteigerungen und bessere Konditionen bedeutet. Zudem entstehen neue Geschäftsmodelle: So könnten Abo-Agenten regelmäßig wiederkehrende Einkäufe übernehmen oder spezialisierte Preisjäger-Agenten auf die Suche nach den besten Deals gehen, ohne dass der Mensch sich aktiv darum kümmern muss.


Das könnte Sie auch interessieren:

Der traditionelle Einkaufsprozess erfährt durch KI eine große Veränderung. Zahlungen werden künftig aus dem Hintergrund ausgelöst – gesteuert durch die Präferenzen der Nutzer und ohne deren aktiven Zutun. Shopping wird zum automatisierten Dauerzustand: Die KI überwacht rund um die Uhr Preise, bestellt nach und reagiert in Echtzeit.

Für Händler verschiebt sich der Fokus vom klassischen Marketing auf die technische Auffindbarkeit und maschinenlesbare Präsentation der eigenen Angebote. Nur Produkte, die hochwertig digitalisiert und maschinenfreundlich angeboten werden, bleiben für KI-Agenten sichtbar. Unternehmen müssen auf offene Schnittstellen und exzellente Datenqualität achten. Das bedeutet auch, dass SEO und Performance-Marketing durch „Agent Experience Optimization“ (AXO) ersetzt werden müssen – also die Optimierung von Datenstrukturen für KI-Agenten.

Auch Zahlungsdienstleister stehen vor technisch erforderlichen Änderungen: Der klassische Warenkorb verschwindet, stattdessen sind performante API-Architekturen, Tokenisierung sowie schnelle, sichere Echtzeit-Transaktionen gefragt.

Herausforderungen: Kontrolle, Sicherheit und Haftung

So viele Chancen Agentic Commerce eröffnet, so groß sind die Herausforderungen. Denn bisher war der gesamte Zahlungs- und Handelsprozess auf den Menschen als Entscheider ausgerichtet. KI-Agenten unterbrechen das Muster: Der Mensch wird aus dem Zahlungsvorgang herausgelöst.

Das wirft viele neue Fragen auf: Was passiert mit Rückbuchungen, wenn kein Mensch den Kauf ausgelöst hat? Wie viel Kontrolle haben die Nutzer – und wie viel möchten sie abgeben? Wie werden Sicherheits-Token für Agenten erzeugt und gemanagt? Und wer haftet bei Fehlern oder Missbrauch?

Auch technisch und regulatorisch besteht hoher Klärungsbedarf. Neue, dauerhaft aktive Transaktionsmuster verlangen nach modernen Sicherheits- und Überwachungsansätzen. Zugleich sind viele rechtliche und regulatorische Fragen noch unbeantwortet. Der Gesetzgeber wird gefordert sein, einen Rahmen zu schaffen, in dem sich Agentic Commerce sinnvoll, sicher und im Sinne der Verbraucher entfalten kann.

Milliarden-Transaktionen ohne menschliche Interaktion

Das Potential von agentenbasiertem Handel ist groß. Analysten prognostizieren, dass bis zum Jahr 2029 zwischen ein und vier Prozent aller digitalen Transaktionen durch KI-Agenten ausgeführt werden könnten. Zudem könnte der Einsatz von KI künftig zu einer höheren Konversionsrate führen, da der menschliche Entscheidungsfaktor entfällt.

Gerade Transaktionen, die regelmäßig, vorhersehbar und standardisiert ablaufen, eignen sich ideal für agentenbasierte Automatisierung. Bei komplexen Einzel- oder sehr großen Transaktionen dürfte der Mensch aber weiterhin einbezogen bleiben.

Zwar steckt agentenbasierter Handel noch in den Anfängen, die Entwicklung schreitet aber schnell voran. Ein Beispiel: Das US-Unternehmen Perplexity, ein Anbieter generativer KI mit Commerce-Fokus, brachte im September 2024 einen KI-Agenten auf den Markt, der Bestellungen eigenständig ausführen konnte. Zwar benötigte der Agent für den einfacheren Kauf von Zahnpasta gleich zwei Versuche und mehrere Stunden, was zeigt: der Weg zur flächendeckend praxistauglichen Lösung ist noch weit, die Richtung aber klar.

Auch andere Plattformanbieter treiben diese Entwicklung aktiv voran: Sie ermöglichen es kleinen Unternehmen und Entwicklern durch leicht einbindbare, KI-kompatible Schnittstellen und Prozesse zu automatisieren. Die Hürden zur Integration solcher Lösungen werden gezielt gesenkt, sodass auch Nicht-Programmierer den Einstieg in KI-gestützte Abläufe finden.

Fazit: Die Zukunft ist zum Greifen nah

Die rasante Entwicklung Künstlicher Intelligenz zeigt: Agentic Commerce ist keine Vision für die ferne Zukunft mehr, sondern schon heute greifbar. Um auf Perplexity zurückzukommen: Knapp sechs Monate später konnten US-Kunden bereits Reisen buchen, Produkte bestellen oder Tickets kaufen. Der Grundstein für autonomen Handel ist damit gelegt.

Agentic Commerce besitzt das Potenzial – solange Nutzer breit sind sich darauf einzulassen – das gesamte Einkaufserlebnis zu revolutionieren, für Verbraucher, Handel und die gesamte Finanzwelt. Unternehmen, die diese Entwicklung aktiv mitgestalten, können sich entscheidende Vorteile sichern.

Pascal Beij ist Chief Commercial Officer (CCO) bei der Zahlungsplattform Unzer.

Weitere Artikel
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments