„Austausch von Finanzdaten für mehr Transparenz und Datenhoheit der Verbraucher – das fordert die EU-Verordnung FiDA (Financial Data Access), die voraussichtlich noch in diesem Jahr verabschiedet wird. Banken und Versicherungen werden verpflichtet, Kundendaten für Drittparteien bereitzustellen. Die Versicherungsbranche reagiert bisher verhalten auf die Regulierung, die in Europa ein Open-Finance-Ökosystem fördern will. Welches Potential hat FiDA für Versicherer und wo liegen die Hürden bei der Umsetzung?
Impuls für Open Insurance
Bereits die erste Phase der Umsetzung von FiDA könnte Kfz-Versicherungen betreffen. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) übt harte Kritik an der Regulierung, die seiner Ansicht nach den Versicherern hohen bürokratischen Aufwand und Kosten auferlegt, IT-Ressourcen bindet und Datenschutzrisiken mit sich bringt.
Auf der Seite der Befürworter findet man etwa die Open-Insurance-Initiative FRIDA (Free Insurance Data Initiative). Der Zusammenschluss aus Versicherern, Technologieanbietern und Beraterfirmen fördert offene Standards im digitalen Versicherungswesen und entwickelt Anwendungsfälle auf Basis standardisierter Daten, wie etwa für die Schadenregulierung in der Kfz-Versicherung.
Ebenfalls auf nationaler Ebene setzt sich BiPRO für standardisierte Schnittstellen im Versicherungswesen ein; FiDA bietet nun den regulatorischen Rahmen, auf dem BiPRO mit seinen Standards aufsetzen kann. Dies wird zu einem Skaleneffekt führen, der den Datenaustausch in der Branche voranbringt.
Open Insurance profitiert von den Erfahrungen aus dem Open Banking, das ebenfalls die Dateninteroperabilität zum Ziel hat. Es existieren zwar grundlegende Unterschiede zwischen den beiden Branchen – vor allem im Hinblick auf die Art der Daten und der Kundeninteraktion – aber die Grundprinzipien der Initiativen sind dieselben: Transparenz und Innovation. Der Weg für Open Insurance ist geebnet: der Markt ist heute reifer, die Technologie fortgeschrittener und die Verbraucher sind mit digitalen Tools besser vertraut.
Datenhoheit für Versicherte
Für die Verbraucher bringt die FiDA-Verordnung eindeutig mehr Kontrolle über ihre Daten. Versicherer müssen Kundendaten in Echtzeit über standardisierte Schnittstellen mit Drittparteien teilen – natürlich nur nach Zustimmung des Kunden. Vorteil für die Kunden: Sie erhalten schnell und einfach individuelle Angebote, können Leistungen vergleichen und Schutzlücken schließen. Die Zugriffsrechte lassen sich über ein Dashboard verwalten. Im Sinne des Datenschutzes dürfen im Versicherungssektor sensible Biometriedaten nicht ausgetauscht werden.
Sicherheit schafft Akzeptanz
Datensicherheit ist ein Knackpunkt in der Diskussion um FiDA. Die strikte Einhaltung aller Datenschutzgesetze ist oberste Priorität. Zudem gilt es, die Bedenken der Verbraucher durch Aufklärung auszuräumen und Vertrauen in sicheren Datenaustausch zu schaffen. Dieses Vertrauen ist die Grundlage für den Erfolg.
Jüngere Verbraucher haben generell eine höhere Technikaffinität und nutzen häufiger digitale Plattformen. Es ist zu erwarten, dass sie die Möglichkeiten des Datenaustauschs eher annehmen werden als Ältere. Daher ist es wichtig, die Prozesse so einfach wie möglich zu gestalten, um die Einstiegsschwelle niedrig zu halten.
Vom Dateninhaber zum Innovationstreiber
Gerade für Versicherer ist die neue Datenverfügbarkeit wertvoll, da sie traditionell wenige Kundenkontaktpunkte haben. Die Folge sind Datenlücken, die wiederum ein kundenzentriertes Geschäftsmodell mit personalisierter Kundenansprache erschweren. Dank FiDA lässt sich die Datenbasis erweitern und die Datenqualität verbessern. Dies ist ein essenzieller Mehrwert, da Versicherer immer stärker auf Automatisierung und den Einsatz von KI setzen.
Es gibt zahlreiche Anwendungsfälle, die den Vorteil des Datenaustausches für Versicherer belegen. In der Kfz-Versicherung zum Beispiel könnte der Austausch von Schadendaten die Aufdeckung von Betrugsfällen erleichtern. Beim Wechsel der Kfz-Versicherung ist es möglich, Kunden frühzeitig attraktive Wechselangebote zu machen.
FiDA wird zu deutlich mehr Konkurrenz unter den Versicherern führen. Aber diejenigen, die das Potential der Daten nutzen, können ihre Kundenbindung durch personalisierte Beratung und maßgeschneiderte Angebote erhöhen. Die optimierte Customer Experience wird zudem der gesamten Branche als Imagegewinn zugutekommen. Standardisierte Daten in hoher Qualität bilden den Kern für neue, datengetriebene Geschäftsmodelle und damit für digitale Innovation.
Versicherer sollten die Zeit bis zum Inkrafttreten der FiDA-Regulierung nutzen, um sich für die neuen Anforderungen optimal aufzustellen. Dazu gehört, die Chancen und Risiken abzuwägen und eine Positionierung sowie eine Roadmap für die Umsetzung zu erarbeiten. Eine zentrale Rolle spielt hier das IT-Kernsystem, dessen Datenarchitektur die Echtzeit-Bereitstellung von Daten ermöglichen muss. Es muss flexibel konfigurierbar sein und über die erforderlichen Schnittstellen verfügen. Das System muss allen Anforderungen an Sicherheit und Datenschutz genügen. Cloud-native Systeme bieten eine höhere Flexibilität, Skalierbarkeit und Innovationsgeschwindigkeit. Versicherer profitieren von schnelleren Updates und geringeren Betriebskosten.
Die digitale Zukunft gestalten
FiDA ist eine große Chance für Versicherer, vorausgesetzt sie stellen rechtzeitig die Weichen für eine proaktive, wachstumsorientierte Strategie, die über das bloße Erfüllen der regulatorischen Anforderung hinausgeht. Das Ziel sollte sein, den Kunden Mehrwert zu bieten und sich damit Umsatzpotenzial zu erschließen. Dabei sollte der Blick auf Europa gerichtet sein. Gemeinsam können Versicherer die digitale Innovation in Europa fördern und ein Open-Insurance-Ökosystem mit einheitlichen Standards vorantreiben.“
René Schoenhauer ist Director Product Marketing EMEA bei Guidewire Software