Gefährliche (Noten-)Bankwetten (Bröning-Kolumne)

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Tim Bröning, Fonds Finanz

Um den Bankensektor ist es fast schon unheimlich ruhig geworden. Erst wenige Wochen ist es her, dass die Pleiten einzelner Kreditinstitute die Branche erschütterten. Es blieb bei Einzelfällen, doch viele Anleger dürften sich fragen, ob die Finanzwelt glimpflich davongekommen ist oder derzeit nur die Ruhe vor dem Sturm herrscht. Die Bröning-Kolumne

Die Pleiten der Silicon Valley Bank (SVB) und Signature Bank in den USA zeigten, wie ein immer strafferer Zinskurs Schwachstellen in der Bankenwelt offenlegt. Die Misere begann bekanntlich, als Kunden geballt ihre Einlagen abzogen. Dies zwang die Institute, Wertpapiere zu veräußern, um die Auszahlungen vorzunehmen. Allerdings notierten die Wertpapiere – im Allgemeinen Anleihen mit langen Laufzeiten – durch die Zinswende deutlich unter dem Einstandswert. Der so entstandene Verlust führte zur Insolvenz. Dass in den USA „nur“ zwei Banken kollabierten, war dem schnellen Handeln der Behörden und der Notenbank zu verdanken. Sie schlossen die beiden Institute, garantierten aber für alle Kundengelder. So ließ sich das Vertrauen in das Bankensystem kitten und panikartige Abzüge von Einlagen wurden bei anderen Banken erst einmal verhindert.

Gefahr erkannt, Gefahr gebannt?

Laut des Internationalen Währungsfonds (IWF) ist das Risiko bei Weitem noch nicht aus der Welt geschafft. Das globale Finanzsystem sei von „akuten Risiken“ bedroht, sagte die UN-Behörde in der Presse. Weiter steigende Zinsen würden den Druck nochmals erhöhen. Laut Berechnungen des IWF könnten schon jetzt etliche kleine und mittelgroße Banken in den USA ihre Kapitalanforderungen nicht mehr erfüllen, wenn sie die Verluste ihrer Anleiheportfolios realisieren müssten.

Die Bankenpleiten bergen weitreichende wirtschaftliche Risiken. Für März dieses Jahres vermeldete die US-Notenbank bereits den stärksten Rückgang der Kreditvergabe in den USA seit Beginn der Aufzeichnungen. Hintergrund einer solchen Verringerung ist in der Regel, dass Banken ihre Ansprüche an Kunden schärfen und Refinanzierungsmöglichkeiten für andere Kreditinstitute herunterfahren. Eine Kreditklemme könnte entstehen, in der sich Konsumenten und Unternehmen zunehmend schwieriger finanzieren können und somit die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zurückgeht.

Es verwundert daher nicht, dass die meisten Investoren mittlerweile einen Wirtschaftseinbruch in den USA erwarten. Diese Prognosen sind aber alles andere als verlässlich. Am Beispiel der EU lässt sich erkennen: Solche Expertenmeinungen verändern sich teils deutlich, sodass die EU-Kommission seit ein paar Wochen nicht mehr von einer schweren Rezession ausgeht. Dennoch gehen die Erwartungen mit der Frage einher, wie die Notenbanken wohl auf einen Wirtschaftseinbruch reagieren würden. Allein im Rahmen der Einlagenrettung ist die Fed-Bilanz auf einen Schlag um 300 Milliarden USD angeschwollen. Kaum auszudenken, was eine Rettung einer Großbank zur Folge hätte. Bei akuten Gefahren für die Wirtschaft tritt die Sicherung der Geldwertstabilität – die eigentliche Hauptaufgabe der Notenbanken – in den Hintergrund.

Die Dosis macht das Gift

Das Potenzial für Fehler ist enorm, denn die westlichen Notenbanken haben kaum Handlungsspielraum. Erhöhen sie weiter die Zinsen, um die Gesamtnachfrage zu drücken und die Preisstabilität zu gewährleisten, drohen weitere Bankenpleiten. Senken sie hingegen die Zinsen, um die Gefahr für weitere Pleiten zu reduzieren, riskieren sie ein Wiederanfeuern der Inflation. Die 1970er- und 80er-Jahre dienen der Fed als Warnung! Damals erreichte die zwischenzeitlich zurückgegangene US-Inflation nach rezessionsbedingten Zinssenkungen einen dramatischen neuen Höchststand von mehr als 14 Prozent. Die Folge war eine schwere Wirtschaftskrise. Diesmal müssen die Notenbanken noch zusätzlich inflationstreibenden Fiskalpaketen und anderen Ausgaben im Zusammenhang mit der Energiewende, der alternden Bevölkerung und der Deglobalisierung entgegenwirken.

Wahrscheinlich werden die Währungshüter ein konstant erhöhtes Inflationsniveau, das längerfristig über das Zweiprozentziel hinausgeht, zulassen. Weitere Leitzinsanhebungen und ihre Folgen dürften sich dadurch vermeiden lassen. Allerdings ist hierzu keine offizielle Ankündigung zu erwarten. Die Fed und EZB hatten ihr Inflationsziel ab 2020 schon einmal aufgeweicht. Eine erneute offizielle Änderung der Spielregeln würde die Glaubwürdigkeit der Notenbanken drastisch unterwandern. Vielleicht ist ihnen eine erhöhte Teuerungsrate sogar recht, denn mittels Inflation lassen sich Staatsschulden entwerten. Es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte, dass solche Methoden zum Einsatz kämen.

Anleger sollten in diesem Umfeld auf fast alle Eventualitäten – von der sanften Landung bis zu Notenbankfehlern mit tiefen Rezessionen – vorbereitet sein. Keinesfalls sollten sie mit kühnen Wetten, immer neuen Börsennachrichten hinterherlaufen. Einseitige Growth-Gewichtungen lohnten sich lange, künftig sollte aber wieder eine vielseitige Bandbreite an Anlagen im Depot vertreten sein: Von Value-, über Growth-Aktien verschiedener Marktkapitalisierungen, Staats- und Unternehmensanleihen, Immobilien bis hin zu Edelmetallen und Rohstoffen. Für ein gutes Zusammenspiel will all das zudem sinnvoll gewichtet werden. Nur so lässt sich das Depot widerstandsfähig aufstellen und auf diverse Szenarien ausrichten.

Finanzberater, die bei dieser komplexen Aufgabe unterstützen, liefern schier unglaubliche Mehrwerte für ihre Kunden und werden sich in den nächsten Jahren als unverzichtbare Partner erweisen. Dabei können gute Berater errechnen und erklären, wie das Portfolio voraussichtlich auf wirtschaftliche und zinspolitische Veränderungen reagiert. So können Kunden und Berater gemeinsam die Chancen und Risiken der Anlagestrategie abschätzen. Eine durchdachte Anlagestrategie nimmt besonders beratungsbedürftigen Kunden dann vielleicht auch den Wunsch, ahnungslos mit Einzelaktien zu zocken. Gerade die günstigen Bankaktien könnten verlocken. Wie das ausgehen kann, muss man nur einmal die Aktionäre der SVB oder Credit Suisse fragen.

Tim Bröning ist seit 2009 in der Geschäftsleitung der Fonds Finanz Maklerservice GmbH und verantwortlich für den Bereich Non-Insurance, Finance & Legal.

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