Aktives Asset Management und die Rückbesinnung auf Sachwerte sind nach Ansicht der Referenten sowie Diskutanten auf der 16. Handelsblatt Jahrestagung „Immobilienwirtschaft 2009“ am 5. und 6. Mai in Berlin wirksame Strategien für die Zukunft der Branche. In der Krise sei Differenzierung ? sowohl bei Investitionsentscheidungen als auch bei der Konzeption von Anlageprodukten ? gefragt, so der Tenor der Veranstaltung.
Professor Dr. Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz, Stuttgart, machte den Teilnehmern gleich zu Beginn der Veranstaltung, die in diesem Jahr im Schatten der Krise stand, auch Hoffnung: ?Wir sind in einer schweren Situation, aber es gibt Anzeichen dafür, dass sich die konjunkturelle Auswirkung der Krise allmählich legt.? Der Markt, so die Experten unisono, würde jedoch durch das Verhalten der Banken sowie die schwierige Preisbildung behindert. Tagungsteilnehmer aus der Versicherungswirtschaft berichteten, dass es nicht zu Vertragsabschlüssen komme, obwohl Geld und Investitionswillen vorhanden seien. Dr. Werner Gleißner, Vorstand der Future Value Group, Leinfelden-Echterdingen, sah den Grund dafür vor allem in ?der schnellen Änderung der Rahmendaten. Das führt zu einer erheblichen Heterogenität der Preisvorstellungen.? Heise beklagte, dass ?die Kreditstandards und die Vertragsbedingungen der Banken strenger geworden sind.? Ulrich Jacke, geschäftsführender Gesellschafter von Dr. Lübke, Frankfurt, und Vorstandsvorsitzender der Royal Institution of Chartered Surveyors machte die Ursachen im Käufermarkt sowie im Bankverhalten aus: ?Die Refinanzierung der Banken ist das größte Problem.?
Die Auswirkungen der Krise sind laut Analyse Heises erheblich: ?Es ist eine Art säkulares Ereignis.“ Die Krise führe zu ?riesigen Veränderungen? in der Weltwirtschaft, werde lange nachwirken und habe ?sehr scharfe konjunkturelle Auswirkungen? gezeigt, die allmählich nachließen. 2009 sei von einem ?dramatischen? weltweiten Wachstumseinbruch gekennzeichnet, denn es gebe einen ?simultanen Nachfrageschock?. Trotzdem ist seine Prognoseposition weniger pessimistisch, als die vieler seiner Kollegen. Seine Argumente: Erstens ist auch diese Krise ein zyklisches Phänomen. Zweitens hat die Wirtschaftspolitik vehement reagiert. Drittens kommen die ?sehr aggressive Geldpolitik? sowie eine Korrektur der Öl- und Rohstoffpreise hinzu, die Kaufkraft schafft. Der deutschen Bauwirtschaft prognostizierte der Volkswirt für das Jahr 2009 ein ?mäßiges Minus, jedenfalls alles andere als einen Absturz wie in den USA?. Auf dem deutschen Wohnimmobilienmarkt sei anders als in vielen europäischen Ländern bei den Bauaktivitäten und Baupreisen ebenfalls kein Absturz zu erwarten. Dr. Reinhard Kutscher, Vorstandssprecher von Union Investment Real Estate, Frankfurt, nannte als ?eigene Erwartungshaltung ohne volkswirtschaftliche Begründung? das Jahr 2016 als Zeitpunkt für das nächste zyklische Hoch.
Auf allen Büromärkten sind die Leerstandsraten gestiegen und die Mieten in den vergangenen zwölf Monaten deutlich gesunken, berichtete Kutscher. Zudem seien weltweit steigende Anfangsrenditen zu beobachten. ?Fast kein Markt kann sich den globalen Abschwungtendenzen entziehen?, so der Vorstandssprecher. ?Reif für den Einstieg? seien nur wenige Märkte, darunter Paris, London und Frankfurt. Für spekulative Projektentwicklungen sei es zu früh, so Kutscher weiter. Viele der anwesenden Experten sahen in Wohnimmobilien eine aktuell attraktive Anlage. Walter Klug, Geschäftsführer von Morgan Stanley Real Investment, Frankfurt, und Dr. Thomas Beyerle, Head of Global Research bei der zur Aberdeen Property Investors Gruppe gehörenden Degi, der souverän durch die zweitätige Veranstaltung führte, bestätigten den Trend. Wohnimmobilien würden auch im institutionellen Bereich wieder interessant, meinte Beyerle. Dr. Rolf Gerlach, Präsident des Westfälisch-Lippischen Sparkassen- und Giroverbandes, Münster, berichtete, die Nachfrage nach wohnungswirtschaftlicher Immobilienfinanzierung habe sich ?gut entwickelt?.
Dr. Wulf Meinel, Managing Director von Carlyle Europe Real Estate gab sich insgesamt weniger optimistisch: ?Aus den USA kommend, liegt ein deutlicher Abschwung der Immobilienmärkte noch vor uns.? Ähnlich äußerte sich Jan Bettink, der Vorstandsvorsitzender der Berlin Hyp aus der Hauptstadt: ?Wir rechnen mit einer Verschlechterung der Rahmenbedingungen.? Bettink sah dennoch Anlass zur Zuversicht: ?Es gibt ein großes grundsätzliches Interesse an Immobilien.? Zu erwarten sei eine ?riesige Inflation?, daher werde die Bedeutung der Immobilie als Inflationsschutz zunehmen. Klug sah gar eine Chance, dass sich nach der Finanzkrise wieder ein starker Mittelzufluss in die Immobilienmärkte einstellen werde. Daher gehe es jetzt darum, Produkte zu neu positionieren und weiterzuentwickeln. Kutscher sprach sich in diesem Zusammenhang im Bereich der offenen Fonds für eine klare Trennung der Anlegergruppen in Fonds nach institutionellen und privaten Investoren aus. Das Ziel seien unterschiedliche Rückgaberegelungen, die gesetzlich verankert werden müssten.
Jacke forderte mehr Transparenz im Markt. Die Produktkenntnis sei allgemein sehr schwach. Investoren verschafften sich erst jetzt Informationen über ihren Bestand, um Investments richtig zu beurteilen. Dr. Dorkas Ehrbeck, Geschäftsführerin von ECE Office, Hamburg, erläuterte, in der Krise werde viel hinterfragt: ?Die Eigentümer wollen wissen, wie der Bestand perfekt entwickelt und gemanagt werden kann.? Die Bindung von Mietern ist in diesen Zeiten besonders wichtig. Als Instrumentarium dafür ging Beyerle auf Bestandsinvestitionen ein. Ehrbeck empfahl enge Kommunikation der Eigentümerseite mit den Mietern, um deren Wünsche und Bedürfnisse zu berücksichtigen. Entsprechend sei für die nächsten Jahre ein aktives Asset Management das Gebot der Stunde. Eine Herausforderung, wie Jacke bekräftigte: ?Es fehlt in aller Breite an Asset Management. Der Makler von gestern ist nicht der Asset Manager von morgen.?
Der Fokus der Investoren liegt laut Kutscher heute „auf etablierten Märkten, Core-Immobilien und langfristigen Mietverträgen“. Nach Ansicht von Claus-Jürgen Cohausz, Vorstandsmitglied der Westdeutschen Immobilien-Bank, Mainz, muss sich das Preisfeld aller Asset-Klassen neu finden. (te)