Interview Frederik Voigt, ZIA: „Die Türen öffnen sich leichter“

Foto: ZIA/Benjamin Benirschke
Frederik Voigt: „Im Fokus sind vor allem Themen der Regulierung.“

Cash. sprach mit Frederik Voigt, einst Leiter Finanzaufsicht beim Sachwerteverband BSI und heute Abteilungsleiter Investitionskapital sowie Head of Sustainable Finance beim Immobilienverband ZIA, über die Entwicklung bis heute und die aktuelle Lage.

Vor sechs Jahren – zum Jahreswechsel 2017/2018 – ist der ehemalige Bundesverband Sachwerte- und Investmentvermögen (BSI) im ZIA aufgegangen. Was ist im ZIA vom ehemaligen BSI noch übrig?

Voigt: Beim BSI ging es fast ausschließlich um die Finanzmarkt-regulatorischen Fragen, die Abstimmung mit der BaFin, die Einführung des KAGBs, also all das, was die KVGen und die AIF betraf. Das sind nicht die Themen, für die der ZIA – zumindest von außen betrachtet – in erster Linie steht. Der ZIA kümmert sich um sämtliche Themen rund um die Immobilie, von der Projektentwicklung über die Finanzierung bis hin zu den einzelnen Nutzungsklassen. Dabei geht es häufig um politisch brisante Fragen, etwa in den Bereichen Klimaschutz oder auch Wohnen. Der ZIA ist zum einen sehr viel politischer, als es der BSI war, zum anderen thematisch sehr viel breiter aufgestellt. Für diese Fachgebiete beschäftigt der ZIA verschiedene Abteilungen. Eine davon ist die Abteilung Investitionskapital, die weiterhin die Fondsthemen engmaschig begleitet. Geschätzt 80 Prozent der Arbeit unserer Abteilung betrifft auch weiterhin die Fondsregulierung und all die Themen, die damit zusammenhängen. Insofern würde ich schon sagen, dass die Arbeit des BSI fortgeführt wird, auch wenn dies nach außen vielleicht nicht immer auf den ersten Blick sichtbar ist.

Wie ist die Abteilung Investitionskapital personell aufgestellt?

Voigt: Ich habe in der Abteilung zwei Mitarbeiter. Daneben gibt es die Arbeitsgremien der Mitglieder, darunter den Ausschuss Investitionskapital. Ausschussvorsitzende sind Ludger Wibbecke von Hansainvest und Dr. Nicole Handschuher von LHI. Dort werden auch die Themen bearbeitet, die Immobilienfonds insgesamt betreffen – sowohl offene als auch geschlossene. Unter den Ausschussmitgliedern sind noch immer viele Vertreter von KVGen, die nach wie vor im Segment der geschlossenen AIFs tätig sind.

Hansainvest hat den Schwerpunkt im institutionellen Geschäft, auch LHI ist nicht mehr im Publikumsgeschäft aktiv. Der ZIA-Vizepräsident Jochen Schenk, also der Vorstandsvorsitzende des ehemaligen BSI- und des jetzigen ZIA-Mitglieds Real I.S., hat sich ebenfalls aus dem Neugeschäft mit geschlossenen Publikums-AIFs zurückgezogen. Ist das AIF-Publikumsgeschäft damit auch beim ZIA in den Hintergrund getreten?

Voigt: Das kann man nicht leugnen, aber es ist auch den Gegebenheiten des Marktes geschuldet. Zuletzt wurden im geschlossenen Bereich nur sehr wenige AIFs für Privatanleger aufgelegt. Seinerzeit sind rund 90 Prozent der ehemaligen BSI-Mitglieder mit in den ZIA gegangen und seitdem sind nur sehr wenige ausgetreten. Wir werten das als Bestätigung dafür, dass die Arbeit auch unter dem Dach des ZIA und unter veränderten Rahmenbedingungen sehr gut funktioniert. Sicherlich kümmern wir uns nicht mehr in der Detailtiefe wie früher um bestimmte Themen, beispielweise entwickeln wir heute keine Marktstandards mehr wie etwa Leistungsbilanzen. Hierfür besteht angesichts der beschriebenen Marktfragmentierung kaum noch Bedarf. Demgegenüber haben wir durch das Standing des ZIA im politischen Berlin sehr viel stärker als früher die Möglichkeit, politisch Einfluss zu nehmen, wenn es einmal hart auf hart kommt. Die Türen öffnen sich leichter, als dies zu BSI-Zeiten der Fall war. Das wird von unseren Mitgliedern sehr geschätzt.

Gibt es den BSI-Standard für Leistungsbilanzen oder später Performanceberichte, der zunächst vom ZIA übernommen worden war, eigentlich noch?

Voigt: Den Standard beziehungsweise die entsprechende Selbstverpflichtung der Mitglieder haben wir bereits vor geraumer Zeit als Verbandsstandard abgeschafft, auch vor dem Hintergrund, dass die gesetzlichen Transparenzanforderungen seit Einführung des KAGB viel umfangreicher sind. Wir haben das Thema also nicht mehr aktiv weiterverfolgt, dennoch orientieren sich einige wenige KVGen noch immer daran.

Welche Themen stehen derzeit oben auf der Agenda?

Voigt: Im Fokus sind vor allem Themen der Regulierung. Zuletzt haben wir uns beispielweise um die Möglichkeit zur Investition auch in Erneuerbare Energien Anlagen gekümmert, was zugegebenermaßen vor allem für offene Immobilienfonds relevant ist. Wir engagieren uns aber auch beim Thema ELTIF und begleiten das große Thema Sustainable Finance, also zum Beispiel die Taxonomie oder die Umsetzung der EU-Offenlegungsverordnung und die Einstufung nach Artikel 8 oder 9. Dort gibt es sehr viele Themen und permanente Veränderungen. Wir sehen uns dabei als Interessenvertretung von Immobilienfonds generell, also sowohl von Publikums- als auch Spezialfonds und sowohl offenen als auch geschlossenen Fonds. Hieran zeigt sich ganz gut, wie sich der Fokus verändert hat.

Was ist mit weiteren Themen wie der EU-Kleinanlegerstrategie oder der Gebäude-Energieenergieeffizienz-Richtlinie der EU, also einer Art europäisches Heizungsgesetz?

Voigt: Die geplante Gebäude-Energieeffizienz-Richtlinie der EU spielt für die Immobilienwirtschaft eine sehr große Rolle. Sie ist aber kein Finanzmarktthema, sondern wird von den Kolleginnen und Kollegen der Abteilung Energiepolitik und Klimaschutz bearbeitet, wie auch das deutsche Heizungsgesetz. Aber generell kann ich berichten, dass der ZIA dieses Thema sehr intensiv begleitet. Es ist höchst relevant auch für denjenigen, die entsprechende Fonds auflegen und die Assets managen. Dabei geht es vielfach um die Bestände, die häufig eine sehr schlechte Energieklasse haben, und die Frage, wie diese fit für die Zukunft gemacht werden können. Das ist dann wieder auch ein Thema für Sustainable Finance und die Frage, wie privates Kapital für die Bestandssanierung mobilisiert werden kann. Bisher sind Offenlegungsverordnung und Taxonomie viel zu sehr auf den Neubau und die ohnehin schon energetisch gut abschneidenden Gebäude fokussiert.

Und die Kleinanlegerstrategie der EU?

Voigt: Die EU-Kleinanlegerstrategie ist für uns eher ein Randthema, das wir uns aber auch anschauen, vor allem in Bezug auf das Stichwort Provisionsverbot. Aber wir greifen dort nicht aktiv ein; es gibt genug andere Verbände, die dieses Thema berechtigterweise ganz oben auf der Agenda haben.

Ist in Brüssel Bewegung zu spüren oder laufen Sie dort nur gegen Wände?

Voigt: Wir stoßen mit unseren Argumenten durchaus auf Verständnis und Zustimmung, aber bis es dann zu einem Gesetz oder einer Anpassung kommt, ist es ein sehr langer Weg. Hinzu kommt: Im Juni ist Europawahl. Es ist jetzt schon spürbar, dass im ersten Halbjahr 2024 nicht mehr viel passieren wird. Was danach kommt, ist völlig offen und hängt natürlich maßgeblich davon ab, welche Mehrheitskonstellation die Europawahl bringen wird und wie die neue EU-Kommission dann aussieht.

Gibt es weitere relevante Regulierungs-Themen, die sich am Horizont abzeichnen?

Voigt: Es sind viele verschiedene Dinge im Gange, beispielsweise ist gerade ein Review der AIFM-Richtlinie in Arbeit, der sicherlich zu Anpassungsvorschlägen führen wird, die dann auch die deutschen KVGen betreffen. In diesem Zuge sind auch Erleichterungen im KAGB denkbar. Insgesamt zeigt sich, dass der deutsche Gesetzgeber und auch die BaFin sehr bemüht sind, den deutschen Fonds­standort attraktiver zu machen. Nach unserem Eindruck hat man angesichts der angespannten Haushaltslage im Bund erkannt, dass dem privaten Anlagekapital eine wichtige Rolle zukommt, gerade beim Thema Infrastruktur. Sehr spannend für die Branche ist in diesem Zusammenhang momentan auch der ELTIF.

Also Fonds nach der reformierten EU-Verordnung für European Long Term Investment Funds, die Anfang 2024 in Kraft getreten ist.

Voigt: Das Verfahren zur ELTIF-Verordnung selbst ist in Brüssel zwar abgeschlossen, aber es gibt noch einige Details für die praktische Umsetzung zu klären. Wir spüren dort auch bei der BaFin großes Wohlwollen. Sie ist sehr daran interessiert, dass der ELTIF sich auch in Deutschland etabliert und nicht nur über Luxemburg genehmigt wird. Wenn der ELTIF hält, was er verspricht, kann er ein ganz entscheidendes Sachwert­vehikel sein, weil darüber sehr viel mehr möglich ist als über das doch sehr schmale KAGB-Korsett. Die ELTIF-Verordnung ist vor allem auch für die Anbieter offener Immobilienfonds interessant, die bisher auf Immobilien und erst seit kürzerem begrenzt auch in In­frastruktur investieren dürfen. Hier bietet der ELTIF viel mehr Möglichkeiten, mit einer offenen Struktur auch in andere Assetklassen zu investieren.

Ist der ELTIF nicht eher eine Alternative für geschlossene AIFs?

Voigt: Es bieten sich für beide Möglichkeiten. In der Tat haben auch Anbieter geschlossener AIFs vielfach ELTIF-Planungen. Im Augenblick herrscht eine gewisse Euphorie, aber es fehlen noch die abschließenden technischen Regulierungsstandards. Hier muss sich noch zeigen, welche Detailfragen wie geklärt werden können. Insofern bleibt abzuwarten, welche der Planungen dann tatsächlich umgesetzt werden. Aber zu den Gründen, warum der geschlossene Publikums-AIF nach Einführung des KAGB nicht so gut geflogen ist, zählt auch, dass er im Vertrieb in den letzten Jahren nicht mehr so viel Akzeptanz erfahren hat, zumindest im Bankenvertrieb nicht. Das liegt sicherlich auch an einer gewissen Reputation, die diesem Produkt aus der unregulierten Ära immer noch nachhängt. Trotz der KAGB-Regulierung schwingt das immer noch mit. Vielleicht ist der ELTIF auch eine Chance, sich davon endlich zu lösen.

Das Interview führte Stefan Löwer, Cash.

Dieser Artikel stammt aus der aktuellen Cash.-Ausgabe 2/2024.

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