Interview mit Nexible: „Wir screenen jedes Quartal den Markt nach neuen Technologien“

Foto: Nexible
Valentia Brebenaru und Jonas Boltz sind Geschäftsführer und Führungsduo der Ergo-Tochter Nexible

2017 hatte Ergo die Digital-Tochter Nexible gegründet. Cash. sprach mit den beiden Geschäftsführern Valentina Brebenaru und Jonas Boltz über die Digitalsierungsanstrengungen der Versicherungsbranche, aktuelle Digitalisierungstrends, Kundenwünsche und Zukunftsvisionen.

Nexible wurde 2017 durch die Ergo gegründet. Wie hat sich das Unternehmen in den vergangenen rund 20 Monaten der Pandemie in Sachen Umsatz entwickelt?
Boltz: Seit unserer Gründung sind wir stetig gewachsen und unser Geschäftsmodell hat sich gerade in der Corona-Phase gut bewährt. Im vergangenen Jahr haben wir während der Pandemie eine neue Zahnzusatz- sowie eine Reiseversicherung im deutschen Markt platziert und das Nexible-Team ist in den vergangenen zwei Jahren um knapp 50 Prozent gewachsen.

Die Pandemie hat zu einem massiven Digitalisierungsschub geführt. Wie haben sich die Bedürfnisse der Kunden in den vergangenen 20 Monaten verändert? Und zu welchen Veränderungen hat dies bei Ihnen geführt?
Boltz: Die Corona-Pandemie hat das Konsumverhalten vieler Menschen stark beeinflusst: Gearbeitet wird vermehrt aus dem Home-office, eingekauft wird im Internet und statt ins Restaurant zu gehen, nutzen viele Menschen Lieferdienste. Themen rund um Internet und Digitalisierung sind fester Bestandteil des täglichen Lebens vieler von uns geworden. Dabei wird der persönliche Kontakt in Kauf-, zunehmend aber auch in Serviceprozessen häufig durch digitale Interaktion ersetzt. Bei Nexible glauben wir, dass sich dieser Trend langfristig weiter fortsetzen wird. Zusätzlich ist ein verstärktes Risikobewusstsein in der Gesellschaft beobachtbar. Hierauf haben wir mit unseren neuen Produkten, wie unserer Reiseversicherung, reagiert. Wer eine Reise plant und an Corona erkranken könnte, entwickelt ein Bedürfnis sich dagegen abzusichern. Genau diesen Schutz bieten wir unseren Kunden.
Brebenaru: Gleichzeitig steigen auch die Kundenerwartungen an digitale Dienstleistungen weiter – was ich als Kunde bei Amazon, Netflix & Co. gewöhnt bin, erwarte ich mittlerweile auch bei meiner digitalen Versicherung. Für uns ist dies ein wichtiger Antrieb, die eingesetzten Technologie stets zu verbessern. Um dem Rechnung zu tragen hat Nexible die Innovation-Days ins Leben gerufen, bei denen der Markt jedes Quartal nach neuen Technologien gescreent wird, um die digitalen Kundenbedürfnisse noch besser zu bedienen.

Wir haben in den vergangenen Jahren Gründungen von Digitalversicherern durch große Muttergesellschaften gesehen: Andsafe, Adam Riese, Friday, Neodigital, Deutsche Familienversicherung: Was unterscheidet Nexible von seinen Mitbewerbern?
Boltz: Unser vollständig digitales Geschäftsmodell ermöglicht uns, die Usability, die viele Menschen aus anderen Branchen online kennen, auf das Thema Versicherung zu übertragen. Anstatt einer Hotline gibt es bei uns alle relevanten Informationen sofort und jederzeit verfügbar per Mausklick. Auch Vertragsänderungen oder Schadenmeldungen können einfach in unserem Kundenportal vorgenommen werden. Unsere Kunden schätzen dieses Maß an Flexibilität und Transparenz und machen davon auch Gebrauch. Gleichzeitig ermöglicht uns dieses Vorgehen eine hohe Automatisierung unserer Prozesse. Den dadurch entstehenden Kostenvorteil geben wir durch ein sehr gutes Preis-Leistungsverhältnis an unsere Kunden weiter.

Wie würden Sie die Digitalisierungsbemühungen der Versicherungsunternehmen einschätzen? Wie weit sind die Versicherer mittlerweile bei der technologieorientierten Ausrichtung ihrer Geschäftsmodelle – was sagen die Digitalexperten?
Brebenaru: Auch wenn der Weg zur echten Digitalisierung in der Versicherungswelt noch weit ist, hat die Corona-Pandemie die Digitalisierung in der gesamten Branche noch stärker in den Fokus gesetzt. In vielen Fällen sind das Entwicklungen, die größtenteils schon lange geplant, in den letzten Monaten aber neu priorisiert wurden. Es ist jedoch ein schmaler Grat zwischen zu viel Digitalisierung und dem, was der Kunde braucht: Technologie kann einen hohen Grad an Automatisierung bieten, aber es ist wichtig, sich auf die Lösung von Kundenanfragen und Problemen zu konzentrieren.

Lassen Sie uns über die Entwicklungen im Markt sprechen: Welche Digitalisierungstrends sehen wir derzeit?
Brebenaru: Eine bedeutende Technologie ist die Verwendung von künstlicher Intelligenz in unseren Prozessen. Der Trend ist seit etwas mehr als zwei Jahren auf dem Markt und viele Versicherer versuchen nun effektiver KI einzusetzen. Wir haben beispielsweise einen KI-Prozess im Fokus, der den Automatisierungsgrad unserer Kfz-Schadenmeldungen wesentlich verbessert. Auf Basis der Informationen aus der Online-Schadenmeldung wird beispielsweise automatisiert eine erste Schadenkalkulation ganz ohne manuelle Intervention vorgenommen. Auch im Bereich der Kundenkommunikation haben wir viele Bereiche automatisiert. Unsere KI ist zum Beispiel imstande, unstrukturierte E-Mails zu lesen und ihre Textinhalte zu analysieren. Zusätzlich sind Low-Code-Plattformen eine wichtige Grundlage für jeden digitalen Versicherer, der seinen Kunden so viel Automatisierung und Flexibilität wie möglich bieten möchte.

Ihr Chef ist Mark Klein, Vorstandsvorsitzender von Ergo Digital Ventures. Wie unabhängig sind Sie als Geschäftsführer von ihrer Muttergesellschaft Ergo?
Boltz: Wir bei Nexible entwickeln digitale Angebote für Online-Kunden und sind hierfür bewusst mit einer eigenen Marke und großer Unabhängigkeit ausgestattet. Gleichzeitig greifen wir aber auch an wichtigen Stellen auf das Know-how in unserer Gruppe zurück.

Sie bieten Kfz-, Bike-, Reise- und Zahnzusatzversicherungen an: Wurden die Tarife eigenständig entwickelt?
Boltz: Unsere Produkte sind eng an den Bedürfnissen unserer Kunden ausgerichtet und werden speziell für unsere Zielgruppe angepasst und entwickelt. Dabei arbeiten wir je nach Produkt mit den Expertinnen und Experten von Ergo zusammen.

Ist eine Ausweitung des Tarifangebots auf weitere Segmente in der Sachsparte geplant: Etwa Wohngebäude oder Hausrat?
Boltz: Nachdem wir uns im letzten Jahr auf die Erweiterung unseres Produktportfolios konzentriert haben, werden wir in 2022 den internationalen Footprint ausweiten und in Österreich zusätzlich zu unserer Kfz-Versicherung auch eine Reiseversicherung anbieten.

Stichwort White-Labeling: Bieten Sie Ihre Produkte auch anderen Gesellschaften an beziehungsweise gibt es Pläne in diese Richtung?
Boltz: Nein, aktuell ist dies nicht geplant.

Sie haben für sich als Unternehmen das Ziel einer „zero-cancellation-insurance“ ausgerufen: Eine Null-Storno-Rate als Ziel ist bemerkenswert. Wie genau wollen Sie diesen Wert erreichen? Verraten Sie uns, wie ihre Strategie hier aussieht?
Boltz: Die Stornoquote ist für uns eine wichtige Erfolgsgröße. Wir sind angetreten, um unsere Kunden mit unseren digitalen Services nachhaltig von uns zu überzeugen. Dies geht nur durch ein kontinuierliches Überarbeiten unserer Prozesse. Hier haben wir in den letzten Monaten große Fortschritte gemacht, sind aber noch nicht am Ziel.
Brebenaru: Die Kundenerwartungen an digitale Dienstleistungen werden weiter steigen. Diese Beobachtung ist für Nexible ein Antrieb, die eingesetzte Technologie stets zu verbessern und weiter zu optimieren.

Ich würde gerne noch einmal nachhaken. Null-Storno bedeutet letztlich ja nichts anderes als vollste Kundenzufriedenheit: Was erwarten Kunden von einem Digitalversicherer?.
Boltz: Unsere Kunden schätzen die Einfachheit und Transparenz unserer Prozesse und Services. Eine gute Usability beginnt schon bei Vertragsabschluss. Wir haben hier den Anspruch, unseren Kunden nach wenigen verständlichen Fragen ein passendes Angebot zu machen. Bei der Schadenbearbeitung geht es den Kunden insbesondere um Schnelligkeit. Jeder, der schon einmal einen Schaden hatte und auf sein Auto angewiesen ist, weiß, wie wichtig es ist, dass der Schadenanfall schnell und verlässlich abgewickelt wird. Hier bieten unsere digitalen Prozesse und Kommunikationskanäle viele Vorteile. Mit wenigen Klicks ist der Schaden gemeldet und die digitale Bearbeitung kann beginnen.
Brebenaru: Natürlich gilt es dabei, unsere customer experience kontinuierlich zu verbessern und auf die Bedürfnisse unserer Kunden zu reagieren. Ich kann auch um zwei Uhr nachts meinen Vertrag ändern oder abschließen und das wird auch getan.

Das Interview führte Jörg Droste, Cash.

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