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Kunst als Kapital ‒ Warum Sammler auch auf Dokumentation setzen müssen

Dr. Louisa Isabel Krämer-Weidenhaupt, Kunstexperting
Foto: ERGO Group AG
Louisa Krämer-Weidenhaupt: „Due Diligence ist bei Unternehmensübergaben selbstverständlich, im Kunstmarkt ist das Procendere oft noch die Ausnahme."

Kunst ist eine emotionale Angelegenheit – und hat ihren Preis. Für 86 Prozent vermögender Käufer ist Leidenschaft der Hauptantrieb beim Kunstkauf, wie eine Studie von Art Basel und UBS zeigt. Doch Kunst ist längst mehr als ein ästhetisches Statement: Sie wird zum Anlageobjekt mit oft beachtlicher Wertentwicklung. Warum eine präzise Dokumentation für Sammler essenziell ist – und worauf sie achten sollten. Von Dr. LOUISA KRÄMER-WEIDENHAUPT

Als junger Mann war der Kölner Sammler Robert Rademacher fasziniert von einer Pop-Art-Ausstellung. Der „soft light switch“ von Claes Oldenburg hatte es ihm angetan – ein 1,19 x 1,19 Meter großer, weißer Lichtschalter, geformt aus einer Art Leinwandhülle. Der Schalter brachte Rademacher nachhaltig zur Kunst. Mit seinem Fokus auf Monochromie und Werken von Heinz Mack bis Gotthard Graubner baute er – aus einer Leidenschaft heraus – eine der bedeutendsten Sammlungen des Rheinlandes auf. Einen Wert, der für Dritte erst umfässlich erkennbar wird, wenn er gut dokumentiert ist.

Wie wertvoll ist ein Kunstwerk?

Anders als sonstige Waren hat ein Kunstwerk keinen funktionalen Wert, der sich in seinem konkreten Nutzen darstellt. Materialwert und Herstellungskosten führen nicht weiter. Und der Aufwand der Produktion in technisch-künstlerischer Sicht macht ein Werk ebenfalls nicht zu einem wertvollen Kunstwerk. Das wird überdeutlich bei Ready-Mades wie Marcel Duchamps „Fountain“ aus dem Jahr 1917, ein mit „R. Mutt“ signiertes handelsübliches Urinal aus einem Sanitärgeschäft.
Wer aber legt die Preise im Kunstmarkt des 21. Jahrhunderts fest? Es sind verschiedene Player, dazu zählen große private Sammlungen. Vor allem aber sind es international operierende Galerien, die Künstler systematisch entdecken, ausstellen und dann an einflussreichen Kunstorten und auf den wichtigen Kunstmessen vermarkten. Die Platzierung eines Kunstwerks als Leihgabe an wichtige Museen verleiht Arbeiten zusätzlich eine Art Ritterschlag und macht es wertvoller.

Wertermittlung von Kunstsammlungen unerlässlich

Die Wertermittlung hochpreisiger, zeitgenössischer Kunst ist einigermaßen gut über Preislisten und Auktionsergebnisse möglich, wenn auch der Volatilität des Zeitgeschmacks unterworfen. Die Werke klassischer Moderne in Kunstsammlungen sind bereits über Jahre gut dokumentiert. Aber: für Sammler ist es wichtig, den Vermögensstatus eines kompletten Kunstportfolios mit unterschiedlichen Kunstwerken und Werten zu kennen und Fragen wie Title, also den rechtlichen Besitz, den Zustand, die Provenienz, also die Herkunft und Authentizität der Kunstwerke dabei zu berücksichtigen.

Eine Dokumentation aller Kunstwerte empfiehlt sich insbesondere in diesen drei Fällen: Erstens, um von steuerlichen Vorteilen zu profitieren, zweitens, um in einem Schadenfall den tatsächlichen Verlust von der Versicherung zurückzuerhalten und schließlich drittens, für eine verantwortungsvolle Nachlassplanung.


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Ein Wertgutachten hat qualifiziert und unparteiisch zu erfolgen. Hierzu empfiehlt es sich, einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen der IHK für Nachlassschätzungen zu beauftragen. Es gibt zudem Auktionshäuser, Galerien und spezialisierte Kunstberatungen, die diesen Service anbieten. Für spezielle, seltene und besonders wertvolle Arbeiten ist es sinnvoll, Spezialisten aus der Kunstwelt − Auktionshausexperten, Kuratoren, Restauratoren, Wissenschaftler, Vertreter eines Künstlernachlasses − zu beauftragen und eine ergänzende Expertise einzubeziehen.

Begutachtungen ermitteln verschiedene Arten von Werten: Der gemeine Wert oder Verkehrswert gibt an, welchen Preis das Kunstwerk im Falle eines Verkaufs erzielen würde. Exakter noch ist der marktübliche Geldwert, also ein Verkehrswert abzüglich etwaiger Kosten wie Verkaufsgebühren. Der Wiederbeschaffungswert kann höher sein und wird hauptsächlich für Versicherungszwecke verwendet. Was würde es tatsächlich kosten, ein Kunstwerk zu ersetzen?

Provenienz-Ermittlung auch für den Schadenfall

Due Diligence ist bei Unternehmensübernahmen oder Immobiliengeschäften selbstverständlich, im Kunstmarkt ist das Prozedere oft noch die Ausnahme. Es geht um eine sorgfältige Prüfung des „Title Ownership“ – nachgewiesen etwa durch Zahlungsbelege und Eigentumsübergänge – was Einfluss auf die Kunsttransaktion haben kann. Besonders gilt dies für Kunstwerke, die vor 1945 entstanden sind, oder Antiken.

Einen echten „Pflichtenkatalog“ gibt es für Privatsammler nicht, dafür sind die Geschäfte zu individuell. Wer aber in Kunst investiert, sollte Geldwäschevorschriften, Eigentumsrechte und die Echtheit des begehrten Werkes prüfen. Über die sogenannte Provenienz – also die Herkunft von Kunstwerken einer Sammlung – ist es nicht nur möglich, Hinweise auf die Echtheit des Werkes zu erlangen. Sie kann in bestimmten Fällen auch signifikant zur Wertsteigerung und Werterhaltung beitragen. Vor allem aber ist eine „unbedenkliche“ Provenienz Voraussetzung, damit gerade hochwertige Kunstobjekte bedenkenlos erworben werden können, ohne Opfer einer Fälschung zu werden oder möglicherweise ein zuvor gestohlenes Kunstwerk zu kaufen.

Provenienz, validierter Marktwert − der Fair Market Value − und der Zustand sind dann auch wichtige Parameter für den Versicherungswert einer Sammlung. So begegnet man der Gefahr, im Schadenfall eine rechtliche Auseinandersetzung über den Ausgleich führen zu müssen, wenn eine Unterversicherung vorliegt. Übliche Fach-Definitionen wie Neuwert oder Zeitwert, die eine verwendungs- oder altersbedingte Abnutzung voraussetzen, können bei hochpreisiger Kunst allerdings nicht zur Anwendung kommen.

Steuerlich korrektes Wert-Management

Grundsätzlich kommt eine steuerliche Absetzbarkeit in Form der Abschreibung nur für eine im Betriebsvermögen erworbene und gehaltene Kunstsammlung in Betracht. Allerdings geht das Finanzamt davon aus, dass bei Werken „anerkannter Künstler“ kein Wertverlust, sondern eine Wertsteigerung anzusetzen ist – somit ist keine steuerliche Abschreibung möglich. Nur was profan ausgedrückt als „abnutzbar“ gilt, lässt sich steuerlich abschreiben. Auch, wenn der Wert eines erworbenen Kunstwerks nachweislich sinkt – zum Beispiel, wenn ein Stilwandel einsetzt – ist eine Teilwertabschreibung möglich.
Beim Erwerb von Arbeiten „nicht anerkannter Künstler“ lässt das Finanzamt eine Steuerminderung zu, denn diese gelten als Gebrauchskunst, die abgeschrieben werden können. In diesem Feld ist der Stellenwert einer Wertdokumentation des Kunstkaufs besonders deutlich: Wann gilt ein Künstler als „anerkannt“? Die Antwort ist recht simpel. Wenn Kunstsachverständige deren Werk als künstlerisch bedeutsam einschätzen.

Ohne Kunstbewertung kein geregeltes Erbe

Eine Dokumentation ist auch notwendig, um Kunstgegenstände im Privatvermögen teilweise oder vollständig steuerfrei vererben zu können. Eine Besonderheit des deutschen Erbschafts- und Schenkungssteuerrechts macht das mit der sogenannten „kleinen“ oder „großen Kunstbefreiung“ möglich. Voraussetzung beider Befreiungen ist, dass der Erhalt der Gegenstände wegen ihrer Bedeutung für Kunst, Geschichte oder Wissenschaft im öffentlichen Interesse liegt, die jährlichen Kosten in der Regel die erzielten Einnahmen übersteigen und die Gegenstände in einem den Verhältnissen entsprechenden Umfang den Zwecken der Forschung nutzbar gemacht werden.

Für eine vollständige Steuerbefreiung hat die Kunstsammlung darüber hinaus seit mindestens 20 Jahren im Besitz der Familie zu sein, zudem müssen die Gegenstände den geltenden Bestimmungen der Denkmalpflege unterstellt werden. Wichtig zu wissen ist außerdem, dass beide Formen der Steuerbefreiung nachträglich entfallen können, wenn unter anderem die vererbten Kunstgegenstände innerhalb von zehn Jahren nach der Erbschaft veräußert werden.

Autorin Dr. Louisa Krämer-Weidenhaupt ist Kunstexpertin bei der Ergo Versicherung AG.

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