Doch weitaus spannender als ein Blick in den Rückspiegel ist ein vorsichtiger Blick in die Zukunft. Kurzfristig dürfte der Platinpreis unter anderem durch den erheblichen Preisabstand zu Gold beflügelt werden. Obwohl der Platinkurs zuletzt kräftig zulegte, bleibt Gold aktuell etwa zweieinhalb Mal teurer als Platin – ein historisch mehr als ungewöhnliches Verhältnis. In der Vergangenheit wurde häufig für Platin deutlich mehr gezahlt als für Gold. Dabei ist Platin wesentlich seltener: Im Jahr 2024 wurden weltweit rund 3.300 Tonnen Gold gefördert, aber lediglich etwa 180 Tonnen Platin.
Vor diesem Hintergrund könnte schon eine geringe Umschichtung von Gold zu Platin in der Schmuckbranche einen Preisschub auslösen – eine Entwicklung, die aktuell etwa in China zu beobachten ist. So hat im Reich der Mitte die Nachfrage zuletzt deutlich zugenommen, da viele Verbraucher und Schmuckhersteller Platin zunehmend als preisgünstige Alternative zu Gold betrachten. Die Platineinfuhren der Volksrepublik beliefen sich im April auf 11,5 und im Mai auf 10,5 Tonnen. Passend dazu zeigt eine Analyse des World Platinum Investment Council (WPIC), dass die chinesische Platin-Schmuckfertigung im ersten Quartal um 26 Prozent gestiegen ist. Auch bei den Notenbanken könnte Platin die Währungsreserven ergänzen.
Industrieller Einsatz gewinnt weiter an Bedeutung
Doch nicht nur für die Schmuckindustrie ist Platin interessant. Dank der chemischen Eigenschaften und hohen Widerstandsfähigkeit wird das Edelmetall auch in zahlreichen anderen Bereichen benötigt – allen voran in der Industrie. Und zwar so sehr, dass die Industrie inzwischen für rund 70 Prozent der Gesamtnachfrage steht. In den USA etwa überdenken viele Autohersteller ihre Elektrifizierungspläne, unter anderem aufgrund politischer Vorgaben, die die Subventionen für Elektrofahrzeuge reduzieren. Experten erwarten, dass die Maßnahmen der Trump-Administration die Nachfrage nach Fahrzeugen mit klassischen Verbrennungsmotoren wieder ankurbeln werden. Und in diesem Bereich ist Platin unverzichtbar, da es vor allem in Abgas-Katalysatoren für Benzin- und Dieselmotoren verwendet wird. Elektroautos hingegen benötigen kaum Platin.
Aber: Plug-in-Hybride, die sowohl einen Verbrennungs- als auch einen Elektromotor mit wiederaufladbarer Batterie kombinieren, benötigen pro Fahrzeug noch deutlich mehr Platin als reine Verbrenner. Selbst bei einer konservativen Schätzung von nur einem Gramm zusätzlichem Platin pro Auto errechnet sich bei 20 Millionen weltweit verkauften Hybriden ein Mehrbedarf von rund 650.000 Unzen bis zum Jahr 2030.
Anhaltende Unterversorgung am Markt
Die wachsende Nachfrage trifft auf ein strukturell schwaches Angebot: So ist das weltweite Platinangebot seit 2015 im Schnitt um 1,2 Prozent pro Jahr zurückgegangen. Im ersten Quartal 2025 sank das Angebot aus dem Bergbau im Vergleich zum Vorjahr sogar um 13 Prozent – der niedrigste Wert seit dem zweiten Quartal 2020. Besonders deutlich zeigt sich die Entwicklung in Südafrika, dem weltweit größten Produzenten von Platinmetallen: Dort schrumpfte die Fördermenge im April um stattliche 24 Prozent.
Zwar könnten die Platinminen im weiteren Verlauf dieses Jahres von einer besseren Verfügbarkeit an Verarbeitungskapazitäten profitieren. Dennoch erwartet das WPIC für 2025 einen Rückgang der Raffinerieproduktion um sechs Prozent. Diese Reduzierung könnte zwar teilweise durch einen Anstieg des Recyclings um drei Prozent im Vergleich zum Vorjahr abgefedert werden. Insgesamt bleibt das Angebot aber unter Druck: Unter dem Strich soll es im Jahresvergleich um vier Prozent sinken.
Vor diesem Hintergrund überrascht es kaum, dass der Platinmarkt von einem Angebotsdefizit geprägt ist. Das WPIC hatte erst im Mai seine Prognose nach oben angepasst: Statt der im März 2025 erwarteten Unterdeckung von 848.000 Unzen wird nun ein Defizit von 966.000 Unzen erwartet.