Die demografischen Herausforderungen für das Gesundheits- und Pflegesystem nehmen in dieser Legislaturperiode spürbar zu. Zwischen 2025 und 2035 erreicht die geburtenstarke Babyboomer-Generation das Rentenalter – mit weitreichenden Folgen für die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme. Was in den vergangenen Jahrzehnten noch durch hohe Beitragseinnahmen dieser Erwerbstätigengruppe ausgeglichen werden konnte, droht sich mit ihrem Eintritt in den Ruhestand ins Gegenteil zu verkehren: Während die Ausgaben steigen, brechen auf der Einnahmeseite zentrale Finanzierungsquellen weg. Gleichzeitig wachsen die medizinischen und pflegerischen Bedarfe – bei immer knapper werdendem Personal.
Prävention als Prävention
In diesem Kontext hat der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) ein Positionspapier vorgelegt, das auf eine zentrale Stellschraube fokussiert: Prävention. Derzeit, so das Papier, spiele Gesundheitsförderung in der Realität der Versorgung nur eine Nebenrolle – trotz gegenteiliger Beteuerungen. Weder das Präventionsgesetz von 2015 noch zahlreiche Einzelinitiativen haben bislang flächendeckend wirksame Strukturen etabliert. Deutschland fehlt eine kohärente, langfristig angelegte und messbar effektive Präventionsstrategie.
Ziel müsse es sein, Krankheiten gar nicht erst entstehen zu lassen oder zumindest ihren Verlauf zu mildern – durch frühzeitige, niedrigschwellige und strukturell verankerte Maßnahmen. Der PKV-Verband fordert deshalb eine schonungslose Bilanz der bisherigen Präventionspolitik. Was funktioniert? Was kostet nur Geld ohne Wirkung? Welche Programme lassen sich ausbauen, vereinfachen oder besser koordinieren? Die Bundesregierung sollte diese Fragen als Grundlage für ein neues, umfassendes Präventionsgesetz nutzen.
Neben einer grundlegenden Evaluation fordert der PKV-Verband auch gesetzgeberische Impulse: Etwa mehr Transparenz über vorhandene qualitätsgesicherte Programme, mehr Kooperation zwischen den beteiligten Ebenen – Bund, Länder, Kommunen, Sozialversicherungen – und eine zentrale digitale Plattform, die praxiserprobte, evaluierte Angebote sichtbar und nutzbar macht.
Ganzheitliches Verständnis
Der Verband plädiert für ein ganzheitliches Verständnis von Prävention. Das umfasst neben Gesundheitsförderung im Alltag auch Verhaltens- und Verhältnisprävention. Strukturelle Voraussetzungen in benachteiligten Lebenswelten, zielgerichtete Programme für Kinder und Jugendliche, die Stärkung der Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung und Maßnahmen in der Pflege gehören ebenso dazu wie eine stärkere Integration präventiver Aspekte in die medizinische Versorgung. Gerade Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte könnten mit ihren Patientenkontakten frühzeitig Risikofaktoren erkennen – sofern sie entsprechend geschult sind und Prävention nicht nur als Zusatzaufgabe verstehen müssen.
Kritik: Auch PKV in der Pflicht
Auch die private Krankenversicherung sieht sich selbst stärker in der Pflicht. Bislang fehlt im Versicherungsvertragsgesetz eine klare rechtliche Grundlage für präventive Leistungen in der Primärprävention. Der Verband fordert deshalb gesetzliche Klarheit, um auch privatversicherten Menschen bonifizierte Programme anbieten zu können. Gleichzeitig müssten Krankenversicherer befugt sein, Versichertendaten auszuwerten, um Maßnahmen zielgruppenspezifisch entwickeln und evaluieren zu können.
Die Zeit drängt, so der Tenor des Positionspapiers. Der demografische Wandel ist Realität, die bestehenden Systeme laufen auf Verschleiß. Eine zukunftsfähige Präventionspolitik könne nicht nur individuelle Gesundheit verbessern, sondern auch die Finanzierungslast der kommenden Jahre abmildern. Voraussetzung sei jedoch der politische Wille, Gesundheit nicht nur zu verwalten, sondern sie aktiv zu gestalten.