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Digitalisierung im Finanzvertrieb: Künstliche Intelligenz – oder doch natürliche?

Damit sind wir bei der zweiten Untersuchung von Sirius Campus, deren Ergebnisse das Institut im April 2025 veröffentlicht hat. Es hat im August 2024 die Einstellung zu KI und Nutzungsbereitschaft KI-gestützter Tools und Services im Versicherungskontext untersucht. Demnach bewerten nur 20 Prozent der Befragten den Einsatz von KI in der Versicherungsbranche positiv. Demgegenüber stehen 37 Prozent mit negativer Einschätzung (36 Prozent „neutral“, sechs Prozent „keine Angabe“).

Eine besonders ausgeprägte Skepsis finde sich bei älteren Menschen, Frauen sowie Beziehern niedriger Einkommen, so Sirius Campus. Insgesamt dominiert der Wunsch nach Transparenz: 77 Prozent der Befragten möchten klar erkennen können, wann ein Programm oder Service auf KI basiert.

Gleichzeitig geht eine knappe Mehrheit der Befragten davon aus, dass KI helfen kann, Prozesse bei Versicherungen zu beschleunigen (43 Prozent Zustimmung versus 33 Prozent Ablehnung) und den Service zu verbessern (39 versus 37 Prozent). Deutlich geringer fällt die Zustimmung zu KI-basierten Produktempfehlungen aus: Nur 17 Prozent halten solche Vorschläge für eine sehr gute oder ausgezeichnete Idee.

„Es braucht noch viel Überzeugungsarbeit“

„Auf der Prozessebene stößt der Einsatz von Künstlicher Intelligenz bereits auf Offenheit – gerade dort, wo er Abläufe beschleunigt oder vereinfacht. In der direkten Kundenansprache und Beratung hingegen braucht es noch viel Überzeugungsarbeit“, kommentiert Christoph Müller, Geschäftsführer und Gründer von Sirius Campus.

Doch was nicht ist, kann noch werden und auch 20 Prozent des Geschäfts potenziell an KI zu verlieren, wäre schon spürbar. Für den klassischen Vertrieb dürfte damit auch die Frage an Relevanz gewinnen, wie weit mit KI die digitalen Vorreiter sind, also die Online-Vergleichsportale. Cash. hat bei Check24 und Verivox nachgefragt, inwieweit sie in Zusammenhang mit der Vermittlung von Versicherungen, Finanzprodukten und Finanzierungen bereits KI – im Hintergrund und in der Kommunikation mit den Kunden – einsetzen, welche Planungen diesbezüglich bestehen und wie lange bei der Plattform noch Menschen in den Vermittlungsprozess und die Kommunikation mit den Kunden involviert sein werden (optional oder verpflichtend).

Check24 schweigt und will „Finanzmarkt neu definieren“

Check24 indes blockt ab: „Wir geben solche Unternehmensinterna nicht preis“, antwortet der Public-Relations-Mann. Eine Begründung für die Geheimniskrämerei zu den doch ziemlich harmlosen Fragen bleibt offen. Die öffentlich verfügbaren Informationen jedoch lassen darauf schließen, dass Check24 einiges an Anstrengungen unternimmt, um KI in die Prozesse zu integrieren.

Dafür spricht schon, dass das Vergleichsportal mit der Check24 AI Forge GmbH eine eigene Gesellschaft für KI-Anwendungen gegründet hat und unter dem Motto „ready for takeoff“ im Oktober 2024 die erste „Check24-AI-Conference“ stattgefunden hat (AI ist das englische Kürzel für KI). Im Video zu der Veranstaltung sind haufenweise überwiegend junge Menschen zu sehen, die offensichtlich an allen möglichen KI-Themen im Unternehmen arbeiten.

Auch finden sich in den Check24-Stellenanzeigen diverse Jobs mit KI-Bezug – auch für die Bereiche Versicherungen und Finanzen. In der Ausschreibung für eine oder einen „Data Scientist – Geldanlage“ heißt es zum Beispiel: „Du konzeptionierst und implementierst maßgeschneiderte Tools und smarte AI-Lösungen und verhilfst so unseren Kunden zu einem herausragenden Service.“ Zielsetzung ist demnach, den Kunden „das beste Geldanlage-Produkt am Markt“ zu bieten. „Lass uns gemeinsam den Finanzmarkt nicht nur herausfordern, sondern neu definieren“, so die Verheißung von Check24, die für den traditionellen Vertrieb vielleicht wie eine Drohung klingt – oder auch klingen soll.

Antwort von Verivox ein wenig überraschend

Ganz anders als von Check24 ist die Antwort von Oliver Maier, CCO Banking & Insurance bei Verivox, auf die Cash.-Anfrage. Sie ist nicht nur ausführlich, sondern auch inhaltlich durchaus ein wenig überraschend. Denn sie klingt exakt so wie die meisten Statements aus dem klassischen Vertrieb. „Als digitale Plattform investieren wir in Technologie, vor allem aber in Menschen, um unsere Versicherungs- und Finanzvergleichsrechner sowie den Produkt- und Tarifabschluss für unsere Kunden stetig zu verbessern“, stellt Maier voran.

KI-Tools seien bei Verivox heute schon im Einsatz, um interne Prozesse und Arbeitsschritte effizienter zu gestalten. So unterstützen KI-Assistenten die Teams etwa bei der Pflege und Optimierung von Website-Texten, der Gestaltung von Werbemitteln und Anzeigen oder bei der Entwicklung und Programmierung neuer Funktionen für die Vergleichsrechner, berichtet er.

„Individuelle Beratung an erster Stelle“

„Gerade im direkten Kontakt mit unseren Kunden steht für uns aber die individuelle Beratung durch unsere Kredit- und Versicherungsexperten an erster Stelle“, betont Maier jedoch. „Jeder Kredit ist einzigartig und im persönlichen Beratungsgespräch erhalten unsere geschulten Kreditprofis regelmäßig ganz zentrale Informationen, die ihnen dabei helfen, zusammen mit dem Kunden das individuell passende Kreditangebot auszuwählen. Auch wenn unsere Kunden Fragen zu ihrem Versicherungsschutz haben oder Hilfe bei der Auswahl eines bedarfsgerechten Tarifs benötigen, setzen wir als Makler auf die individuelle persönliche Beratung durch unsere Versicherungs-Fachleute.“

Das gelte insbesondere für die Beratung zu komplexen Produkten wie einer privaten Krankenversicherung. „Für die teilweise sehr persönlichen Fragen zur eigenen Gesundheit oder der persönlichen Lebenssituation sind menschliche Empathie und Verantwortungsgefühl unverzichtbar, um unseren Kunden ein passendes Produkt zu vermitteln. Schließlich gilt: Menschen vertrauen Menschen, daran werden auch die Möglichkeiten künstlicher Intelligenzen so schnell nichts ändern“, betont Maier. Der Chef einer klassischen Vertriebsorganisation hätte es wohl kaum besser sagen können.

Dieser Artikel stammt aus Cash. Ausgabe 7/2025.

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