Ein Münchner Projektentwickler fragt nach der digitalen Emission seiner nächsten Anleihe. Ein Fondsmanager in Zürich möchte Anteile schneller übertragbar machen. Und ein Wiener Family Office sucht nach Wegen, digitale Vermögenswerte rechtskonform zu verwahren. Drei Fälle, ein Thema: Tokenisierung. Kaum ein Gespräch auf Entscheiderebene, in dem das Stichwort nicht fällt. Meist mit großer Vision, seltener mit konkretem Plan.
Was einst als technisches Spielzeug für Krypto-Enthusiasten galt, ist heute Gegenstand strategischer Überlegungen auf Vorstandsebene. Laut einer aktuellen Studie von BCG und Ripple könnte der Markt für tokenisierte Vermögenswerte bis 2033 ein Volumen von rund 19 Billionen US-Dollar erreichen. Doch zwischen Marktprognose, Idee und Umsetzung klafft oft eine Lücke: regulatorisch, technisch und operativ. Wie lässt sich diese Lücke schließen? Und was braucht es, damit Tokenisierung nicht Einzelfall bleibt, sondern Standard wird?
Die Blockchain bildet zwar das technische Fundament, doch ihr Einsatz allein garantiert noch keinen Markterfolg. Erfolgreiche Tokenisierungsprojekte integrieren die Technologie in bestehende Prozesse, vom Emissionsdesign über den Vertrieb bis hin zur Verwahrung. Dabei zeigt sich: Ohne regulatorisch belastbare und gleichzeitig nutzerfreundliche Lösungen bleibt die Skalierung aus.
Zunehmend zeigen auch Sachwerthäuser, Projektentwickler und mittelständische Unternehmen Interesse an tokenisierten Finanzinstrumenten – etwa zur Finanzierung von Immobilienprojekten, erneuerbaren Energieanlagen oder unternehmerischen Beteiligungsmodellen. Seit Inkrafttreten des eWpG wurden in Deutschland bereits über 200 Kryptowertpapiere in ein Register eingetragen (Stand: Juli 2025, Bafin). Die Vorteile: flexible Strukturen, niedrigere Einstiegshürden, direkter Anlegerzugang.
Tokenisierung ist jedoch kein Plug-and-Play-Prozess. Erst durch strategische Beratung und interdisziplinäre Koordination entsteht ein regulatorisch tragfähiges Produkt. In Zusammenarbeit mit Bafin-lizenzierten Partnern wie den Kryptowertpapierregisterführern Cashlink und Nyala oder dem Kryptoverwahrer Tangany zeigen aktuelle Projekte, dass sich integrierte Emissionslösungen bereits heute umsetzen lassen – sofern sie frühzeitig in die Gesamtstruktur eingebettet werden. Entscheidend ist die enge Verzahnung von rechtlicher Struktur, technischer Plattform und vertrieblicher Logik.
Was der Sekundärmarkt jetzt braucht – und was schon geht
Ein Mehrwert tokenisierter Wertpapiere liegt in ihrer potenziellen Handelbarkeit. Doch der regulierte Sekundärmarkt für digitale Assets, insbesondere in Deutschland, steckt noch in den Anfängen. Zwar erlaubt das eWpG die digitale Übertragung, doch ein funktionierendes Marktökosystem befindet sich erst im Aufbau.
Hohe regulatorische Anforderungen und technische Komplexität – etwa interoperable Register oder revisionssichere Abwicklung – erschweren die Umsetzung. Dennoch zeigen bisherige Projekte: Mit spezialisierten Partnern lassen sich bereits heute übertragbare Strukturen schaffen. Nicht als Echtzeitmarkt, sondern als geregelte, transparente Übertragbarkeit.
Voraussetzung ist, dass die Sekundärmarktfähigkeit von Beginn an mitgedacht wird. Sie bleibt ein Schlüsselfaktor: Sowohl für Investoren als auch für Emittenten, die Flexibilität und Exit-Möglichkeiten schaffen wollen. Immer mehr Marktteilnehmer bereiten sich aktiv darauf vor, die neuen Spielräume zu nutzen.
Tokenisierung ist kein Selbstläufer
Die Tokenisierung verspricht effizientere Kapitalmarktprozesse, breiteren Anlegerzugang und neue Strukturen für bestehende Assetklassen. Doch sie entfaltet ihr Potenzial nicht automatisch. Es braucht strategische Planung, regulatorische Expertise und die Fähigkeit, technische Lösungen in bestehende Prozesse zu integrieren. Begleitmodelle mit einem 360-Grad-Ansatz können dabei helfen, die Komplexität regulatorischer, technischer und vertrieblicher Anforderungen zu meistern.
Wer heute in Know-how, Infrastruktur und verlässliche Partnerschaften investiert – und Tokenisierung nicht nur diskutiert, sondern umsetzt – verschafft sich einen Vorsprung im Kapitalmarkt der Zukunft.
Tokenisierung wird kommen. Die eigentliche Frage lautet: Wer gestaltet sie aktiv mit … und wer schaut nur zu?
Christian Teichmann ist Projekt- und Strategieberater mit Fokus auf digitale Finanzprodukte. Als Head of Projects & Operations bei der Gubbi AG verantwortet er die Umsetzung der Tokenisierungsprojekte, von der Konzeption über regulatorische Abstimmungen bis zur technischen Integration.