Eine Arbeitnehmerin hat keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn eine freiwillige Tätowierung zu gesundheitlichen Komplikationen führt. Das hat das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein entschieden (Urteil vom 22. Mai 2025, Az. 5 Sa 284 a/24).
Hintergrund: Entzündung nach Tattoo führt zur Krankschreibung
Die Klägerin, eine Pflegehilfskraft in Teilzeit, ließ sich im Dezember 2023 eine Tätowierung am Unterarm stechen. Wenige Tage später entwickelte sich an der Einstichstelle eine bakterielle Entzündung, die eine Krankschreibung zur Folge hatte. Der Arbeitgeber verweigerte die Entgeltfortzahlung für die krankheitsbedingte Fehlzeit und wertete das Fehlen als unentschuldigt. Dagegen klagte die Mitarbeiterin und forderte die Differenz zum vollen Monatsgehalt in Höhe von rund 466 Euro brutto ein.
Gericht: Arbeitsunfähigkeit selbst verschuldet
Das Landesarbeitsgericht wies die Berufung der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil zurück. Maßgeblich sei, dass die Tätowierung ursächlich für die Erkrankung gewesen sei – und dass die Klägerin die Komplikation billigend in Kauf genommen habe. Die Richter stellten klar: „Wer sich tätowieren lässt, muss mit einer Entzündung rechnen – selbst wenn diese nur in wenigen Prozent der Fälle auftritt.“ Insofern handele es sich um ein vorsätzlich herbeigeführtes Gesundheitsrisiko, das einem groben Verstoß gegen das eigene Interesse, gesund zu bleiben, gleichkomme.
Zwar habe die Klägerin die Krankschreibung nicht für den Zeitraum des Tätowiervorgangs, sondern für die infolge der Entzündung eingetretene Arbeitsunfähigkeit begehrt – das ändere jedoch nichts am Schuldvorwurf. Das Gericht sah in der Entscheidung keine Parallele zu Sportunfällen, bei denen das Bundesarbeitsgericht nur bei grobem Fehlverhalten ein Verschulden annehme. Bei der Tätowierung sei dagegen ein gezielter Eingriff mit bekanntem Infektionsrisiko erfolgt.
Kein Versicherungsschutz bei freiwilligem Risiko
In der Urteilsbegründung verwies das Gericht zudem auf die gesetzgeberische Wertung des § 52 Abs. 2 SGB V. Danach kann die Krankenkasse Leistungen kürzen, wenn sich Versicherte freiwillig Risiken aussetzen – etwa durch ästhetische Operationen oder Tattoos. Zwar gelte diese Norm formal nur für die gesetzliche Krankenversicherung, sie zeige jedoch, dass die Verantwortung für die Folgen solcher Eingriffe bei den Betroffenen selbst liege.
Revision nicht zugelassen
Die Klägerin muss nun nicht nur auf die geforderte Zahlung verzichten, sondern auch die Kosten des Berufungsverfahrens tragen. Eine Revision wurde vom Gericht nicht zugelassen. Über eine mögliche Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht wird unter dem Aktenzeichen 5 AZN 370/25 entschieden.
Das Urteil könnte richtungsweisend für vergleichbare Fälle werden, insbesondere im Hinblick auf die Abgrenzung zwischen privater Lebensführung und verschuldeter Krankheitsursache.