Herr Gasser, Wandelanleihen galten lange als Nischenprodukt. Nun scheint sich die Anlageklasse wieder zu erholen. Woran liegt das?
Gasser: Wir sehen seit Jahresbeginn eine sehr starke Erholung – global sind wir beispielsweise über 20 Prozent im Plus. Das zeigt: Am Aktienmarkt hat sich einiges bewegt, und Wandelanleihen profitieren davon, da sie meist mit Nebenwerten und Wachstumsunternehmen verbunden sind. Es ist erfreulich zu sehen, dass die Anlageklasse nach den schwierigen Jahren 2022 und 2023 wieder Fahrt aufgenommen hat. Dazu tragen auch neue Emissionen bei – es kommen spannende Unternehmen an den Markt, während andere, gut gelaufene Titel Platz machen.
Welche Rolle spielen Zinsen, Inflation und geopolitische Risiken für Wandelanleihen?
Gasser: Eher eine indirekte. Die Performance wird primär durch Aktien getrieben. Wandelanleihen sind kein klassisches Zinsprodukt, die Duration liegt bei drei bis dreieinhalb Jahren. Entsprechend reagieren sie weniger empfindlich auf Zinsbewegungen. Auch geopolitische Themen wirken sich kaum direkt aus – etwa die US-Zölle im Pharmabereich, der bei Wandelanleihen gar nicht vertreten ist, weil große Emittenten wie Novartis oder Roche sich deutlich günstiger über andere Instrumente finanzieren können.
Sie sprechen Neuemissionen an. Welche Trends sehen Sie hier?
Gasser: Die USA bleiben dominant – rund zwei Drittel der Neuemissionen kommen von dort, meist aus dem Technologie- und Nebenwertesegment. Spannend ist, dass Asien stärker wird. Vor allem chinesische Tech-Unternehmen wie Alibaba und Baidu haben Wandelanleihen begeben. Dazu kommen Themen wie Kryptowährungen: Beispielsweise Strategy und Coinbase nutzen den Markt, um sich flexibel zu finanzieren. Wandelanleihen sind hier oft schneller und anpassungsfähiger als klassische Anleihen und IPOs.
Wie attraktiv und liquide ist der Markt derzeit?
Gasser: Deutlich liquider als noch vor ein, zwei Jahren. Nach dem Zinsanstieg 2022 sind viele klassische Investoren ausgestiegen, stattdessen stiegen Hedgefonds und Arbitrageure ein. Inzwischen werden rund 50 Prozent des Marktes von Hedgefonds getrieben. Das hat die Handelsaktivität erhöht und die Spreads enger gemacht. Natürlich stellt sich die Frage, was passiert, wenn die Hedgefonds wieder gehen – aber der Markt ist heute insgesamt robuster aufgestellt, weshalb wir uns hier keine Sorgen machen.
Wie würden Sie das Rendite-Risiko-Profil von Wandelanleihen beschreiben?
Gasser: Wandelanleihen kombinieren Aktienchancen mit Anleihenschutz. Sie partizipieren stark an steigenden Aktienkursen, aber mit rund einem Drittel weniger Volatilität. Wenn die Aktienstory nicht aufgeht, wird die Anleihe am Ende zu 100 Prozent zurückgezahlt – sofern der Emittent solide ist. Das macht die Anlageklasse so attraktiv: Sie bietet Aktienpotenzial bei gleichzeitigem Risikopuffer.
Viele Anleger sind aktuell bei Anleihen vorsichtig. Teilen Sie diese Skepsis?
Gasser: Ja, wir sind als Asset Manager grundsätzlich vorsichtig eingestellt. Weil wir bei Bantleon davon ausgehen, dass die Zinsen von Staatsanleihen eher steigen als fallen werden, haben wir die relativen Risiken reduziert. Und wegen der steigenden Staatsverschuldung könnten solide Unternehmen perspektivisch die besseren Schuldner sein. Bei Wandelanleihen, die ja auch zu den Unternehmensanleihen zählen, fokussieren wir uns auf Emittenten mit guter Bilanzqualität.
Wie bewerten Sie Konvertierungsprämien und Volatilität derzeit?
Gasser: Die Prämien bewegen sich aktuell auf einem vernünftigen Niveau zwischen 30 und 40 Prozent, während sie in den Boomjahren 2020/2021 teilweise bei 60 Prozent lagen – das war übertrieben. Die langfristige Volatilität liegt bei rund 40 Prozent, was ebenfalls fair ist. Man kauft also die Option relativ günstig, was zusätzlichen Wert bieten kann, wenn die Volatilität wieder anzieht.
Thema ESG: Wie stark beeinflusst Nachhaltigkeit Ihre Anlagestrategie?
Gasser: Nachhaltigkeit ist fester Bestandteil unseres Anlageprozesses, unsere Investmentfonds sind Artikel-8-konform. Dieses Jahr war diese nachhaltige Ausrichtung aber etwas frustrierend, weil die Aktienkurse von Titeln wie Rheinmetall und manchen Goldminen rasant gestiegen sind und wir auf diese Performance verzichten mussten. Die Wandelanleihe von Rheinmetall, in die wir nicht investieren durften, wurde im Frühling mit einem Kursplus von 400 Prozent gewandelt. Dennoch bleiben wir bei Bantleon dabei: Die Welt ist besser ohne Waffen.
Welche Themen und Trends prägen die Anlageklasse aktuell?
Gasser: Neben KI und Technologie sind auch Rohstoffe, Gold und seltene Erden stark im Kommen. Rund 20 Prozent des Universums bestehen mittlerweile aus solchen thematischen Neuemissionen. Auch im defensiven Bereich tut sich etwas – etwa bei US-Versorgern, die Wandelanleihen zur Zinsersparnis nutzen. Insgesamt sehen wir eine gute Balance zwischen Wachstums- und Qualitätsthemen.
Wie sind Sie im Fonds Bantleon Global Convertibles aktuell positioniert?
Gasser: Wir sind defensiver aufgestellt, haben in den vergangenen Monaten Gewinne mitgenommen und Liquidität aufgebaut, um flexibel zu bleiben. Bei der Kreditqualität sind wir wählerisch, meiden Titel mit tiefen Ratings wie B oder CCC. Restrukturierungsfälle wie Beyond Meat zeigen, dass Vorsicht geboten ist.
Wodurch unterscheidet sich Ihr Ansatz von anderen Wettbewerbern?
Gasser: Erstens haben wir keine feste Begrenzung bei der Aktiensensibilität. Wenn eine Wandelanleihe stark ins Geld läuft, verkaufen wir sie nicht automatisch – „Keep the winners“ ist unser Motto. Zweitens managen wir rein bottom-up, ohne makroökonomische Prognosen in den Vordergrund zu stellen. Und drittens arbeiten wir ohne Derivate, ganz klassisch mit handelbaren Wandelanleihen. Das klingt einfach, muss aber diszipliniert umgesetzt werden.
Wie groß ist das Universum überhaupt?
Gasser: Global umfasst der Markt rund 500 Milliarden US-Dollar und über 500 Titel. Es gibt also eine große Vielfalt – aber auch die Notwendigkeit, genau hinzuschauen. Wandelanleihen sind komplexe Instrumente: Man muss Fristen, Wandlungsrechte und Emittentenqualität aktiv managen. Passives Investieren führt hier langfristig nicht zu guten Ergebnissen.
Nutzen Sie im Fondsmanagement schon künstliche Intelligenz?
Gasser: Noch nicht wirklich. Wir sind da im frühen Stadium. KI kann helfen, Prozesse zu beschleunigen – etwa Prospekte zu analysieren –, aber die eigentliche Beurteilung übernehmen weiterhin Menschen. Es braucht Erfahrung, um Qualität und Aktienpotenzial richtig einzuschätzen.
Wie sehen Ihre Erwartungen für die nächsten Jahre aus?
Gasser: Wir sind optimistisch. Nach Zinswendephasen waren Wandelanleihen historisch oft besonders stark. Langfristig liegt die durchschnittliche Rendite bei etwa sieben Prozent. Kurz- bis mittelfristig erwarten wir überdurchschnittliche Jahre, vor allem dank der hohen Dynamik bei Neuemissionen. Die Anlageklasse hat noch viel Potenzial.














