EXKLUSIV

Wie agentenbasierte KI die Kundenbeziehung in der Versicherungsbranche neu definiert

Foto: DRUID AI
Martin Kraft, DRUID AI

Wie intelligente KI-Agenten Schadensfälle, Kundenservice und die Beziehung zwischen Versicherungsunternehmen und Versicherungsnehmern neu gestalten können.

Da Kundenerwartungen an Schnelligkeit und Empathie steigen, stehen Versicherer unter Druck, ihre Kommunikation und ihren Service neu zu überdenken. Martin Kraft von Druid AI zeigt auf, wie agentenbasierte KI Versicherern dabei hilft, Effizienz mit menschlichem Verständnis zu verbinden – und so Vertrauen und Loyalität in einem Markt aufzubauen, in dem Technologie und Empathie Hand in Hand gehen müssen.

Von Automatisierung zu Autonomie

Versicherungsnehmer erwarten heute, dass ihre Anbieter mit der Geschwindigkeit eines digitalen Dienstleisters reagieren, dabei aber das Verständnis und die Sicherheit bieten, die seit jeher das Vertrauen in Versicherer stärken. Um diesen Erwartungen gerecht zu werden, rückt die nächste Stufe intelligenter Technologie in den Fokus: agentenbasierte KI. Agentenbasierte KI steht für eine neue Generation künstlicher Intelligenz. Anstatt lediglich vordefinierten Anweisungen zu folgen, können diese Systeme Absichten interpretieren, eigenständig handeln und in natürlicher Sprache kommunizieren. Sie erledigen Aufgaben, treffen kontextbezogene Entscheidungen und interagieren mit mehreren Systemen – ähnlich wie qualifizierte Mitarbeitende. Für Versicherer bedeutet diese Entwicklung mehr als nur Effizienzsteigerung. Sie bietet eine echte Chance, Beziehungen zu stärken – durch die Verbindung von Automatisierung und Empathie.

Studien zeigen, dass Handlungsbedarf bezüglich des digitalen Kundenerlebnisses bei Versicherern besteht. Analysiert wurden die Top-50-Versicherer nach Umsatz in Deutschland, basierend auf ihrem Online-Markenauftritt. Der durchschnittliche Customer Experience Score lag bei 57 von 100 möglichen Punkten, was aufzeigt, dass das digitale Kundenerlebnis in vielen Fällen hinter den Erwartungen der Kunden zurückbleibt. Neben informativen und beratenden Angeboten halten 71 % der Verbraucher digitale Services beim Vertragsabschluss für wichtig, doch nur zehn der untersuchten Versicherer stellen sämtliche Produkte auch online bereit. Diese Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Die Unternehmen, die in den kommenden Jahren erfolgreich sein werden, sind jene, die digitale Geschwindigkeit mit echter Nutzerorientierung und menschlicher Wärme verbinden. Agentenbasierte KI kann Versicherern genau dabei helfen.

Beziehungen neu gestalten durch intelligenten Service

Der Schadenprozess ist ein gutes Beispiel. Für viele Kunden ist das Einreichen eines Schadens der entscheidende Moment in der Beziehung zu einem Versicherer – hier wird Vertrauen entweder gestärkt oder zerstört. Das Jahr 2024 war geprägt von steigenden Beschwerdezahlen: Insgesamt gingen 21.548 Eingänge ein, davon waren 15.659 zulässig, was einem Anstieg von 18 bis 19 % gegenüber dem Vorjahr entspricht. Damit erreichte die Schlichtungsstelle so viele Vorgänge wie noch nie seit ihrer Gründung, was deutlich macht, wie stark Versicherer unter Druck stehen, Prozesse und Kundenzufriedenheit zu optimieren. Verzögerungen und Fehlkommunikation gehören weiterhin zu den häufigsten Beschwerdegründen.


Das könnte Sie auch interessieren:

Eine aktuelle Studie zur Kundenzufriedenheit zeigt: Versicherer erreichen ein gutes Gesamturteil. Besonders positiv schneiden die Qualität der Produkte (76 %) und der Service (über 72 %) ab. Kritisch bleibt jedoch die Schadensabwicklung: Knapp 28 % der Versicherten mit einem Schadensfall sind mit Bearbeitung und Regulierung unzufrieden. Agentenbasierte KI kann helfen, dieses Muster zu durchbrechen. Intelligente Agenten führen Kunden durch jeden Schritt des Prozesses, erfassen notwendige Informationen, überprüfen Versicherungsdetails und eskalieren komplexe Fälle automatisch. So können Versicherer schneller entscheiden und klar kommunizieren – ohne dabei die Empathie und das Verständnis zu verlieren, die ihre Kunden schätzen.

Effizienz, die sich menschlich anfühlt

Dasselbe Gleichgewicht zwischen Effizienz und Empathie zeigt sich auch bei der Policenerstellung und dem Onboarding. Viele Versicherer nutzen inzwischen konversationelle Benutzeroberflächen, über die Kunden Tarife vergleichen, ihre Identität bestätigen und den Kauf in wenigen Minuten abschließen können. Onboarding ist ein weiterer Bereich, in dem die richtige Form der Automatisierung einen messbaren Unterschied macht. Grundsätzlich halten 65 % der Verbraucher den Online-Vertragsabschluss für vertrauenswürdig, doch nur etwa jeder fünfte Versicherungsvertrag wird auch digital abgeschlossen. Viele Kunden wünschen sich für den Abschluss eine persönliche Beratung, unter anderem da der digitale Auftritt unübersichtlich gestaltet ist. Sogar 47 Prozent der Deutschen würden sich zukünftig gerne von einer KI beim Ausfüllen eines Versicherungsantrages unterstützen lassen.

Ein agentenbasiertes KI-System kann den Prozess reibungsloser und persönlicher gestalten – lange Formulare und wiederholte Dateneingaben werden durch natürliche Gespräche ersetzt, die vertraut und beruhigend wirken. Die Risikoprüfung (Underwriting) bleibt ein besonders komplexer Bereich der Automatisierung, doch auch hier macht agentenbasierte KI-Fortschritte. Intelligente Systeme analysieren Daten, identifizieren fehlende Informationen und schlagen erste Risikokategorien vor – sodass Risikoprüfer sich auf die Feinheiten konzentrieren können, die weiterhin menschliches Urteilsvermögen erfordern. Das Ziel ist nicht, Menschen aus dem Prozess zu entfernen – sondern sie effektiver und reaktionsfähiger zu machen.

Geschwindigkeit mit Empathie ausbalancieren

Verbraucher sagen immer wieder: Sie schätzen Effizienz, aber nicht auf Kosten des persönlichen Kontakts. Agentenbasierte KI kann helfen, diesen Spagat zu meistern.

Dank Verständnis natürlicher Sprache, Kontextwahrnehmung und adaptiver Gesprächsführung können intelligente Agenten Dialoge führen, die persönlich statt mechanisch wirken. Bei Bedarf übergeben sie Gespräche reibungslos an menschliche Mitarbeitende – etwa wenn es um sensiblere oder komplexere Anliegen geht. Dieses Gestaltungsprinzip ist entscheidend. Kunden, die Empathie erleben, bleiben deutlich loyaler, selbst nach einem Schaden oder Problem. Die Herausforderung für Versicherer besteht darin, mit Automatisierung Platz für Empathie zu schaffen – nicht sie zu ersetzen. Agentenbasierte KI kann Routinedaten verarbeiten, damit Menschen sich auf Verständnis und individuelle Betreuung konzentrieren können. Richtig eingesetzt, verdrängt die Technologie die Empathie nicht – sie erweitert sie. So wird jede Interaktion, selbst wenn sie digital abläuft, als wertschätzend und unterstützend erlebt.

Datentransparenz als Schlüssel

Mit der wachsenden Integration intelligenter Autonomie in Versicherungsprozesse werden Datenethik und Transparenz zu zentralen Themen. Ein Bericht des Beratungsunternehmens Wavestone zeigt: 41 % der Versicherer sehen mangelhafte Datenqualität und komplexe IT-Architekturen als Hürde für den Einsatz von KI. Das macht deutlich: Der Erfolg intelligenter Systeme hängt von der Qualität, Zugänglichkeit und Governance der zugrunde liegenden Daten ab. Versicherer verfolgen zunehmend strukturierte Strategien für die KI-Einführung – mit kleinen, messbaren Projekten, die nach erfolgreicher Umsetzung skaliert werden. Ein phasenweiser Ansatz – „klein starten, schnell beweisen, smart skalieren“ – stellt sicher, dass Ethik und Verantwortlichkeit gewahrt bleiben, während Systeme unter realen Bedingungen getestet werden. Transparenz und Erklärbarkeit werden zu entscheidenden Wettbewerbsvorteilen, da Regulierungsbehörden klare Nachweise für Fairness bei KI-gestützten Entscheidungen fordern.

Menschen stärken, Service verbessern

Einer der vielversprechendsten Aspekte agentenbasierter KI ist ihr Potenzial, Menschen zu unterstützen, nicht zu ersetzen. Interne Anwendungsfälle – etwa KI-gestützte Support-Tools – verbessern bereits heute Effizient und Zufriedenheit. Mehr als zwei Drittel der Versicherer planen Investitionen in die KI-Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden. Als wichtigstes Ziel ist hierbei die Optimierung von Prozessen zur Effizienzsteigerung. Automatisierte IT-Helpdesk-Systeme haben die Arbeitsbelastung bei einem globalen Versicherungs- und Asset-Management-Unternehmen um mehr als ein Drittel reduziert und die Zufriedenheit interner Nutzer um rund 30 % gesteigert. Diese Beispiele zeigen: KI kann entlasten, monotone Aufgaben eliminieren und Teams den Raum geben, sich auf die menschlichen Aspekte ihrer Arbeit zu konzentrieren – dort, wo der wahre Mehrwert entsteht. Die Einführung agentenbasierter KI erfordert durchdachtes Change-Management. Mitarbeitende brauchen Schulungen und das Vertrauen, dass die Technologie sie unterstützt – nicht ersetzt. Richtig eingesetzt, wertet intelligente Technologie menschliche Rollen auf, indem sie mehr Raum für Empathie, Kommunikation und Problemlösung schafft. Wer in Menschen und Technologie investiert, erschließt das volle kulturelle und geschäftliche Potenzial agentenbasierter KI.

Eine humanere Zukunft für die Versicherungsbranche

Agentenbasierte KI bietet Versicherern die Möglichkeit, Reaktionsfähigkeit, Genauigkeit und Transparenz mit der Empathie zu verbinden, die Kunden weiterhin von vertrauenswürdigen Anbietern erwarten. Schadensfälle können schneller bearbeitet, Onboarding-Prozesse müheloser gestaltet und der Kundenservice zu einem kontinuierlichen Dialog statt einer Serie isolierter Transaktionen weiterentwickelt werden. Doch der größte Wert liegt darin, dass diese Systeme die Menschlichkeit zurück in den digitalen Service bringen. Automatisierung hat Versicherungen schneller gemacht. Autonomie kann sie wieder menschlicher machen.

Über den Autor:

Martin Kraft ist Managing Director EMEA & APAC bei DRUID AI und verantwortet das regionale Geschäft und Marktexpansion. Mit über 15 Jahren Erfahrung in Automation und digitaler Transformation bringt er umfassende Expertise im Bereich Conversational AI und Hyperautomation mit. Zuvor war er als Chief Revenue Officer bei Roboyo tätig. Martin Kraft studierte an der Fachhochschule Wiesbaden und ist im Raum Frankfurt ansässig.

Weitere Artikel
Abonnieren
Benachrichtigen bei
0 Comments
Inline-Feedbacks
Alle Kommentare anzeigen