Gütesiegel: Verbriefte Orientierung für Unentschlossene?

Sie sollen Qualitätsträger, Vertrauenserwecker, Eindruckschinder und Werbeträger sein. Gütesiegel kleben heute nicht nur auf Waschmittelpackungen oder Akkuschraubern, sondern auch auf Finanzprodukten. Letztere stehen immer wieder im Kreuzfeuer der Kritik.

Text: Katja Schuld

Es war nicht das erste Mal, dass ein Gütesiegel moniert wurde. Die letzte Kritikwelle begann damit, dass Hans-Hermann Lüschen von der Berliner Vers Versicherungsberater-Gesellschaft mbH als Gutachter für einen Prozess in Kassel bestellt war. Unter anderem ging es um das TÜV-Siegel für Kundenzufriedenheit. „Ich wollte wissen, was hinter diesem Gütesiegel steckt“, sagt er.

Gemeinsam mit Dieter Olejar, Vorstandsvorsitzender der DVR Versicherungs- und Rentenberater AG (Kirchheim), und Martin Lindenberg, Geschäftsführer der Technische Überwachungsgemeinschaft TÜG (Freiburg), beauftragte er den Finanzmathematiker und Fachbuchautor Werner Siepe, die derzeitige Zertifizierungspraxis der TÜVs im Bereich Finanzdienstleistungen unter die Lupe zu nehmen. Für Siepe selbst war dies nicht die erste Studie, die er zu diesem Thema erstellt hatte. Bereits 2008 verfasste er eine, die unter dem Titel „TÜV-Siegel für Geschlossene Fonds“ (sogenannte DIAS-Studie) erschien.

Im September 2009 ließ der Bundesverband Finanzdienstleistungen AfW ein Gutachten zur „TÜV-geprüften Fondsplausibilität“ erstellen, ebenfalls von Siepe. Alle Studien haben, jede für sich, teils für mächtigen Wirbel bei den TÜVs gesorgt, deren Zertifizierungspraxis hier kritisch begutachtet wurde. Die Bezeichnung „Marketingagenturen“ und der Vorwurf der „Irreführung“ der mit den Siegeln verbundenen Annahme von Sicherheit standen im Raum. Dazu die Nennung einiger Beispiele, in denen die vergebenen Siegel als „fragwürdig“ eingestuft wurden.

Während der TÜV Nord seinerseits das Gespräch mit den Auftraggebern gesucht und sich im März darauf geeinigt hat, keine rechtlichen Schritte zu unternehmen und der Vertrieb der Studie eingestellt wurde, haben TÜV Rheinland und Süd bestätigt, ebenfalls kein gerichtliches Verfahren anstrengen zu wollen. Von TÜV Saarland hieß es, man habe darauf nicht reagiert, da man in den ihnen bekannten Artikeln nicht namentlich genannt wurde und man die Kritik daher nicht auf sich beziehe. Für Autor Siepe ist die Sache ebenfalls erledigt: „Ich habe das TÜV-Kapitel nach fast zwei Jahren mühsamer Recherche abgeschlossen.“ Im Übrigen hat der TÜV Süd entschieden, sich zur Thematik der Gütesiegel, die im Zusammenhang mit der Studie steht, nicht weiter äußern zu wollen. Auf erneute Nachfrage von Cash. wollte das Unternehmen auch zu künftigen Entwicklungen der Gütesiegel keine Fragen beantworten.

Wie besiegelt wird

Die Zahl der Siegel, die im Finanzdienstleistungsbereich aktuell vergeben werden ist groß – ob für Produkte, Beratung, Service, das Unternehmen an sich, die Karrieremöglichkeiten. Begutachtet werden aber auch Beratungssoftware, Studiengänge oder Weiterbildungen. Den Siegelarten sind scheinbar keine Grenzen gesetzt (siehe Übersichten Seite 2 und 3). Wer sind die Anbieter und wie arbeiten sie? Es gibt Unternehmen, die Service- oder Beratungsqualität zertifizieren (zum Beispiel TÜVs), aber auch Rating-Agenturen, die Finanzstärkeratings für Versicherer (zum Beispiel Fitch, Standard & Poor’s) oder Produktratings (zum Beispiel Franke & Bornberg, Assekurata) erstellen. Die Unternehmen müssen jedoch die sich ständig wandelnden Anforderungen an Produkte und Dienstleistungen im Auge haben.

Lesen Sie auf Seite 2, warum sich Unternehmen zertifizieren und raten lassen

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