Fintechs und die Folgen für den Berater

Für alle anderen stehen aber bereits heute zahlreiche White-Label-Applikationen zur Verfügung, um zum Beispiel bestehende Kundenbedarfe im Bereich des Online- und Mobile Angebotes ebenfalls bedienen zu können. Es bedarf nicht zwingend großer Entwicklungs- und IT-Budgets, da verschiedene Maklerpools und Haftungsdächer entsprechende Lösungen für ihre Partner bereithalten.

Mehrwerte in der Beratung verkaufen

Denn mit dieser Verschiebung der Wettbewerbskräfte geht es für den Berater auch darum, hinreichende Ressourcen für wertschöpfende Beratung zur Verfügung zuhaben und sich nicht mit rein administrativen und durch den Kunden nicht honorierten Leistungen zu blockieren. Gleichzeitig führt die Fragmentierung der Wertschöpfungskette auch unweigerlich zu einem zunehmenden Zwang verursachungsgerechter Bepreisung, da Subventionierungen und Mischkalkulationen, wie sie bei integriert arbeitenden Anbietern durchaus die Regel sind, bei fokussiert aufgestellten Anbietern kaum mehr möglich sind.

Während der Kunde also zunehmend Kosten und Werthaltigkeit einzelner Leistungen im Finanzdienstleistungssektor aufgezeigt bekommt, erhalten Anbieter umgekehrt die Möglichkeit, echte Mehrwerte in der Beratung auch als solche zu verkaufen und konditionenseitig zu bepreisen. Durch neue technologiegetriebene Angebotsformen erhalten aber auch wieder Kundengruppen Zugang zu Finanzdienstleistungen, die vor dem Hintergrund steigender regulatorischer und Bürokratiekosten ohne eine entsprechende Honorarzahlungsbereitschaft aufgrund ihrer geringen Anlage- beziehungsweise Abschlussvolumina zunehmend keine Beratungsleistung mehr erhalten hätten.

Kunden mit digitalen Lösungen besser und intensiver zu beraten

Das sogenannte „Advice Gap“, welches nicht nur im Vereinigten Königreich im Zuge der Retail Distribution Review, sondern auch zunehmend im deutschen Retail-Banking-Segment diskutiert wird, kann mit kostengünstigen und standardisierten Fintech-Angeboten zumindest teilweise geschlossen werden. Dies erfordert umgekehrt jedoch eine entsprechende finanzielle Allgemeinbildung und Auseinandersetzungsbereitschaft auf Verbraucherseite, welche aber gerade im Retail-Bereich nicht besonders hoch ausgeprägt sind. Hier setzen Fintech-Angebote an, indem sie nicht nur Transparenz schaffen, sondern auch entscheidungsrelevante Informationen kundengerecht aufbereiten.

Im Optimalfall können digitale Lösungen daher ohne Schnittstellenverluste dazu genutzt werden, den Kunden besser und intensiver zu beraten und zu betreuen und ihn gleichzeitig im Vorfeld bereits im Sinne eines ProSumers zu einem noch aktiveren Teil der Dienstleistungserstellung werden zu lassen. Dies wäre dann das Beste aus zwei Welten und hätte gegenüber dem ein oder anderen Fintech-Angebot, bei dem der Kunde am Ende doch die Unterstützung und Hilfestellung eines Beraters vermisst, einen entscheidenden und schwer zu kopierenden Wettbewerbsvorteil voraus.

Prof. Dr. Rolf Tilmes ist Wissenschaftlicher Leiter / Executive Director PFI Private Finance Institute bei der EBS Business School.

Foto: EBS

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