Start-ups: So klappts mit der Steuervorauszahlung

Welches sind die häufigsten Stolpersteine in der steuerlichen Betrachtungsweise von Startups und wie sich das Business auf solide, finanzielle Beine stellen können, ohne später böse Überraschungen zu erleben.

Tobias Sick berät Start-ups in rechtlichen Fragen.

Es ist immer unangenehm, wenn man von einer Zahlung überrascht wird, mit der man nicht gerechnet hat beziehungsweise nicht in deren Höhe gerechnet hat. Doch wie konnte es soweit kommen? Oftmals ergeben sich Fehleinschätzungen, aufgrund mangelnder oder falscher, steuerlicher Beratung, so sie denn überhaupt stattgefunden hat.

Das Ausfüllen des steuerlichen Erfassungsbogens stellt für die wenigsten Unternehmer eine ernstzunehmende Hürde dar, doch der Teufel liegt im Detail. Ein paar Kreuze an der falschen Stelle und schon läuft man Gefahr, völlig falsche Einschätzungen an das Finanzamt zu übermitteln. Um die Gewinne, die als Basis für anfallende Steuervorauszahlungen gelten, nicht allzu hoch anzunehmen, werden oft viel zu niedrige Schätzungen von den Startups an das Finanzamt geliefert. Dies stellt eine Zeit lang kein Problem dar, bis eben die tatsächliche Höhe der Gewinne an das Finanzamt übermittelt wird. Dann kann es zu massiven Nachzahlungen für das abgegebene Veranlagungsjahr kommen. Und damit nicht genug. Das Finanzamt passt die Steuervorauszahlungen für das darauffolgende Kalenderjahr ebenfalls nach oben an, dies nennt man dann nachträgliche Steuervorauszahlungen. Auch werden die unterjährigen Vorauszahlungen in den Folgequartalen entsprechend angepasst. Die kurzfristig anfallenden Steuerzahlungen können, bei zu niedrig angegebenen Gewinnschätzungen, somit hoch ausfallen und bis zur völligen Austrocknung der finanziellen Liquidität führen.

Als Unternehmer muss eines immer klar sein: der aktuelle Kontostand spiegelt nicht den Erfolg des eigenen Business wider. Im Gegensatz zu einem Angestelltenkonto, bei welchem bereits jegliche Abgaben und Steuern abgezogen wurden, ist es bei einem Unternehmenskonto nicht möglich, nur durch einen Blick auf den Kontostand, den tatsächlichen Gewinn und somit die Ertragskraft eines Unternehmens festzustellen. Denn schließlich sind Abgaben, Gebühren, Steuern, etc. – je nach Rechtsform unterschiedlich – ganz oder teilweise selbst zu bezahlen.

Ein weiterer Faktor für massive Fehleinschätzungen der eigenen Finanz- und Ertragslage ist die teilweise massive Zeitverzögerung, mit welcher Steuerabgaben fällig werden. Hier bezahlt man teilweise Steuern auf Gewinne, die bereits Jahre zurückliegen, insbesondere wenn die Gewinnschätzungen für Vorauszahlungszwecke zu niedrig ausgefallen sind. Auch kann sich umgekehrt die Ertragsentwicklung des Unternehmens massiv verschlechtert haben und die Vorauszahlungen sich jedoch noch an der alten, besseren Ertragsschätzung orientieren. Ein eventuelles Einpendeln dauert, wie bereits beschrieben, einige Zeit. Diese massiven Fehleinschätzungen der eigenen Finanz- und Ertragsstärke können dann dazu führen, dass Investitionsentscheidungen getroffen werden, die nicht sein müssten und auch gar nicht sein dürften, da die entsprechenden Steuern und Abgaben noch nicht beglichen wurden. Eine Begleitung durch einen erfahrenen Steuerberater ist mehr als nur zu empfehlen, um eine korrekte Einschätzung der jeweiligen Lage zu treffen und existenzgefährdende Überraschungen zu vermeiden!

Natürlich ist es verlockend, bei der Gewinnerwartung sehr niedrige Zahlen anzugeben. Doch, wie bereits beschrieben, kann dies langfristig zu großen Problemen, in Form von Steuernach- und -vorauszahlungen, führen.

Start-up-Gründer sollten Steuerberater mit Erfahrung auf dem Unternehmensgründungssektor nutzen

Damit dies nicht passiert, sollten Startup-Gründer sich von professionellen Steuerberatern begleiten lassen, die Erfahrung auf dem Unternehmensgründungssektor haben. Die Hilfe der Steuerberater kann mannigfaltiger Natur sein. Dies beginnt beim Ausfüllen des steuerlichen Ersterfassungsbogens (zum Beispiel bei der Frage Kleinunternehmerregelung: Ja oder Nein) und erstreckt sich bis zu einem laufenden Monitoring der Gewinnermittlung. Diese laufende Begleitung durch einen Steuerprofi ermöglicht es, Ergebnisprognosen zu erstellen und auf deren Basis entsprechende Vorauszahlungen anzupassen bzw. zumindest noch anstehende Steuernachzahlungen frühzeitig zu kennen. Dadurch kann es nicht passieren, dass man von einer Steuernach- oder -vorauszahlung unvorbereitet auf dem falschen Fuß erwischt wird.

Grundsätzlich hat ein Steuerberater die Aufgabe, eventuelle Veränderungen des Gewinnes zu beobachten und deren steuerliche Auswirkungen den Jungunternehmern mitzuteilen. So sind die Gründer steuerlich immer „up-to-date“ und treffen zum Beispiel keine falschen Investitionsentscheidungen, wenn das Geld als Rücklage für noch zu zahlende Steuern benötigt wird.

Oft kommen Startups in die Kanzlei, welchen bereits ein Steuerbescheid mit Zahlungsaufforderung ins Unternehmen geflattert ist. Diese sehen dann oft kein Licht am Ende des Tunnels, wenn es knapp mit der Liquidität wird.

Doch auch für solche Fälle gibt es Möglichkeiten, sich aus dem Liquiditätsengpass zu befreien. Beispielsweise kann man ein Stundungsgesuch an das jeweilige Finanzamt stellen. Leider ist die Gewährungsquote solcher Stundungsanträge sehr gering. Nur ein geringer Teil der Anträge werden auch tatsächlich gewährt. Dies hat aber häufig auch damit zu tun, dass die Unternehmen ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben. Die Chancen einer Stundung sind bei Ertragssteuerzahlungen deutlich größer als zum Beispiel bei der Lohn- oder Umsatzsteuer, da diese nicht originäre Steuern des Unternehmens betreffen, sondern von diesem lediglich für die Mitarbeiter bzw. Kunden abzuführen sind. Die Nichtabführung dieser Steuern führt zudem auch sehr schnell zur persönlichen Haftung des Geschäftsführers!

Darüber hinaus kann ein Antrag auf Herabsetzung der steuerlichen Vorauszahlungen gestellt werden, wenn sich die Ertragssituation des Unternehmens verschlechtert hat. Je detaillierter dies dem Finanzamt präsentiert werden kann (zum Beispiel durch entsprechende BWA-Auswertungen), desto schneller und einfacher wird diese Herabsetzung auch gewährt. Hier kommt das laufende Monitoring eines Steuerberaters voll zum Tragen.

Sie sollten dem Finanzamt nicht offenbaren, dass Sie kurz vor der Insolvenz stehen, wodurch dessen Steueranspruch endgültig gefährdet wird. Der Mitleidsfaktor kommt hier nicht zum Tragen, weil das Finanzamt dann bestrebt sein wird die Steuern nur noch schneller einzuziehen. Sie müssen dem Finanzamt klarmachen, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis es das geforderte Geld auf dem Konto hat. Außerdem müssen Sie darlegen, weshalb es zu diesem – kurzfristigen, temporären – Liquiditätsengpass kam. Das könnten zum Beispiel hohe, offene Rechnungen von Kunden, persönliche Schicksalsschläge oder Krankheiten sein. Es muss in jedem Fall klar werden, dass dies eine Ausnahmesituation darstellt und nicht so schnell wieder vorkommt und man eben nicht vor der totalen und endgültigen Pleite steht.

Selbst wenn das Worst-Case-Szenario eingetreten ist, gibt es noch Möglichkeiten

Außerdem findet es Anklang, wenn Sie zugleich mit dem Stundungsersuchen einen Ratenzahlungsplan vorschlagen, der sich üblicherweise nicht länger als über 6 Monate erstreckt. Wenn Sie all diese Punkte einhalten und glaubhaft vermitteln können, haben Sie gute Chancen, dass das Finanzamt einer Stundung Ihrer Steuerzahlungen zustimmt.

Oft versuchen unberatene Jungunternehmer gegen entsprechende Steuerbescheide Einspruch einzulegen. Leider hat der Einspruch jedoch keine aufschiebende Wirkung, um sich finanzielle Luft zu verschaffen. Die jeweiligen Zahlungsfristen bleiben bestehen.  Wenn es aber tatsächlich eine unrechtmäßige Nichtberücksichtigung von Betriebsausgaben oder dergleichen gegeben hat, dann stehen die Chancen natürlich gut, dass es im Rahmen des Einspruchs zu einer Änderung des Bescheids und damit einer späteren Steuererstattung kommt. In jedem Fall muss der Einspruch schriftlich beim zuständigen Finanzamt eingereicht werden. Er kann außerdem formlos erfolgen, sollte aber entsprechende Begründungen, Nachweise oder Belege beinhalten, die Ihre Position unterstützen.

Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, wie Sie sich als Startup vor bösen Überraschungen schützen können. Selbst, wenn das „worst-case-Szenario“ eingetreten ist, gibt es noch immer Möglichkeiten, wie Sie handlungsfähig bleiben und Ihr Unternehmen wieder auf Kurs bringen können. Dazu ist jedoch das Hinzuziehen eines professionellen Steuerberaters notwendig, um die richtigen Schritte zur richtigen Zeit zu vollziehen.

„Startup-Steuermann“ Tobias Sick ([email protected]) ist Startup-Steuerspezialist, Steuerberater/Wirtschaftsprüfer und Partner bei HWS, einer renommierten mittelständischen Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft mit Hauptsitz in Stuttgart sowie ehrenamtlich Finanzvorstand des Startup Stuttgart e.V.

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