Der unabdingbare Ausgleichsanspruch

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Jens Reichow

Um eine finanzielle Belastung am Ende des Handelsvertreterverhältnisses zu vermeiden, versuchen Versicherer und Vertriebsgesellschaften nicht selten durch vertragliche Gestaltungen den Ausgleichsanspruch abzubedingen. Gastbeitrag von Jens Reichow, Kanzlei Jöhnke & Reichow

Gerade nach mehreren Jahren der vertrieblichen Zusammenarbeit können Ausgleichsansprüche von Handelsvertretern durchaus eine erhebliche finanzielle Höhe erreichen. Um eine finanzielle Belastung am Ende des Handelsvertreterverhältnisses zu vermeiden, versuchen Versicherer und Vertriebsgesellschaften nicht selten durch vertragliche Gestaltungen den Ausgleichsanspruch abzubedingen. Solche vertraglichen Regelungen – seien sie im Handelsvertretervertrag selbst oder aber im Rahmen einer Aufhebungsvereinbarung vereinbart – laufen jedoch oftmals Gefahr, am Unabdingbarkeitsgrundsatz des Paragrafen 89b Absatz 4 HGB zu scheitern.

Abbedingung im Handelsvertretervertrag

Einen direkten Ausschluss des Ausgleichsanspruches würde ersichtlich gemäß Paragraf 89b Absatz 4 HGB unwirksam sein und ist daher eher selten in Handelsvertreterverträgen zu finden. Vielmehr wird versucht, den Ausgleichsanspruch auf andere Arten zu umgehen. Dies erfolgt beispielsweise durch Klauseln, die eine Anrechnung von Provisionsteilen auf den Ausgleichsanspruch vorsehen. Der BGH hat mit Urteil vom 14. Juli 2016 (Az.: VII ZR 287/15) jedoch hohe Hürden an die rechtliche Wirksamkeit solcher Klauseln geknüpft (vgl. Blogbeitrag der Kanzlei Jöhnke & Reichow Ausgleichsanspruch: BGH stärkt Rechte des Handelsvertreters).

Abbedingung im Aufhebungsvertrag

Einfacher ist es für Versicherer und Vertriebsgesellschaften den Ausgleichsanspruch im Rahmen eines Aufhebungsvertrages auszuschließen. Gerade wenn die ordentliche Kündigungsfrist des Handelsvertreters sehr lang ist, sind Handelsvertreter oftmals gewillt, weitreichende Vereinbarungen einzugehen, um vorzeitig aus dem Handelsvertreterverhältnis entlassen zu werden. Von Versicherern oder Vertriebsgesellschaften entworfene Aufhebungsvereinbarungen beinhalten daher regelmäßig einen Verzicht des Handelsvertreters auf den Ausgleichsanspruch.

Ob ein solcher Verzicht des Handelsvertreters wirksam ist, hängt maßgeblich auch vom in der Aufhebungsvereinbarung geregelten Beendigungszeitpunkt des Handelsvertreterverhältnisses ab. Liegt der Beendigungszeitpunkt des Handelsvertretervertrages in der Zukunft – das Handelsvertreterverhältnis soll also nach Abschluss der Aufhebungsvereinbarung noch für einige Tage oder Wochen fortbestehen – so kann weiterhin der Schutz des Paragrafen 89b Absatz 4 HGB greifen und der Verzicht auf den Ausgleichsanspruch unwirksam sein.

Natürlich wissen auch viele Versicherer und Vertriebsgesellschaften um die Bedeutung des Beendigungszeitpunktes innerhalb der Aufhebungsvereinbarung und wählen diesen Zeitpunkt daher regelmäßig so, dass eben doch ein Verzicht des Handelsvertreters auf den Ausgleichsanspruch eintritt. Handelsvertreter sollten daher ihnen vorgelegte Aufhebungsvereinbarungen nicht ungeprüft unterzeichnen, sondern sich im Zweifel bezüglich der rechtlichen Konsequenzen der ihnen vorgelegten Vereinbarung weiterführend beraten lassen.

Autor Jens Reichow ist Rechtsanwalt und Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Die Kanzlei hat sich unter anderem auf den Bereich des Handelsvertreterrechts spezialisiert. Weiterführende Informationen zu dieser Thematik finden Sie auch unter Der Ausgleichsanspruch des Versicherungsvertreters.

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