Was wird aus Paragraf 15 b?

Nachdem Bundeskanzler Gerhard Schröder angekündigt hat, im Herbst Neuwahlen herbeiführen zu wollen, stellt sich die Situation für die Fondsbranche, die sich derzeit mit den Plänen der Regierung zur weit gehenden Abschaffung der Steuervorteile geschlossener Fonds herumschlägt, neu dar. Grund: Es ist fraglich, ob das Gesetzgebungsverfahren für den geplanten Paragrafen 15b Einkommenssteuergesetz, mit dem die Steuervorteile auf ein Minimum reduziert werden sollen, angesichts der neuen Situation in der Bundespolitik unverändert weiterverfolgt wird.

?Wir rechnen nicht mehr mit der Umsetzung der im Kabinett beschlossenen Gesetzesvorlage?, sagt etwa Dietmar Güntsche Geschäftsführer des Filmfondsinitiators Neue Bioskop Film, München, gegenüber cash-online. Laut Güntsche ist es allerdings trotz vorgezogener Bundestagswahlen wichtig, schnellstens Rechtssicherheit zu bekommen. ?Der jetzige Zustand hilft niemandem“, sagt der Medienfonds-Manager.

?Nach der Ankündigung von Neuwahlen im Bundestag sind wir nun einmal gespannt, ob der Gesetzesentwurf überhaupt weiter diskutiert wird?, sagt auch Andreas Schmid, Chef des Filmfonds-Branchenprimus VIP, Grünwald bei München. Wie viele andere Initiatoren war Schmid nach eigenem Bekunden bereits vor dem gestrigen Tag davon ausgegangen, dass der 15b-Gesetzentwurf nicht umgesetzt wird ? und hatte seine Fonds konsequent weiter vertrieben. Im Streit um die Steuervorteile werden die Karten laut Schmid nach der gestrigen Ankündigung jetzt erst einmal neu gemischt.

Vom Bundesfinanzministerium war zunächst keine Stellungnahme zu etwaigen Auswirkungen der gestrigen Ereignisse auf den Fahrplan zur geplanten Einführung des Paragrafen 15b zu erhalten. Medienberichten zufolge will Schröder die für seine Ablösung erforderliche Vertrauensfrage allerdings noch vor dem 1. Juli stellen. Gleichzeitig, so die Berichte weiter, bekräftigt die Bundesregierung ihr Vorhaben, die aktuellen Gesetzgebungsverfahren ? inklusive der Unternehmenssteuerreform mit Paragraf 15b ? inhaltlich und zeitlich unverändert weiterverfolgen zu wollen.

Hintergrund: Nach dem Wahldebakel seiner Partei in Nordrhein-Westfalen hatte Bundeskanzler Schröder gestern angekündigt, dem Bundestag die Vertrauensfrage stellen zu wollen, um auf diesem Wege schnellst möglich Neuwahlen für das Parlament herbeizuführen. Die Vertrauensfrage, das ?konstruktive Misstrauensvotum? also, ist der einzige Weg, den die deutsche Verfassung einem Bundeskanzler zu dessen vorzeitiger Ablösung einräumt. Wird dem Kanzler das Misstrauen ausgesprochen und gelingt es nicht, unmittelbar einen Nachfolger zu wählen, so kann der Bundespräsident den Bundestag binnen 21 Tagen auflösen. Dann sind Neuwahlen unausweichlich.

Von den Vätern des Grundgesetzes war das Misstrauensvotum als Notlösung zur Bewältigung schwerer Regierungskrisen vorgesehen. Schröder versucht es nun zu nutzen, um sich freiwillig und trotz nach wie vor bestehender Mehrheit im Parlament seines Amtes zu entledigen. Dass er plant, sich nach den anschließend angestrebten Bundestagswahlen erneut zum Kanzler wählen zu lassen, rückt die Sache im Sinne des Grundgesetzes in ein zusätzlich zweifelhaftes Licht.

Das Problem: Zuletzt beschritt im Jahr 1983 Helmut Kohl den jetzt von Schröder avisierten Weg, um trotz unumstrittener Mehrheit im Bundestag Neuwahlen herbeizuführen. Danach urteilte das Bundesverfassungsgericht, Kohls Vorgehen sei mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbaren, ein Wiederholungsfall nicht zu dulden.

Um die Verfassungswidrigkeit zu kaschieren, ist daher zu erwarten, dass das Misstrauensvotum im Parlament mit einer Sachfrage verknüpft wird. Die Abstimmung über die anstehende Unternehmenssteuerreform ? zu ihr gehört auch die vorgesehene Einführung des 15b ? böte sich als solche Sachfrage an. Die erste Lesung des Gesetzes ist für den 2. Juni angesetzt.

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