Die Welt wird schwarzgemalt

Starker US-Dollar und Finanzkrise 2.0 in den USA

Was hat die US-Notenbank mit ihrer 12-monatigen „Vorbereitung“ der Finanzmärkte auf die „Leitzinswende“ nicht alles angerichtet. Ein starker Dollar ist verantwortlich für die schwachen Rohstoffpreise, für den Kapitalabfluss aus den Schwellenländern und für den Deflationsdruck weltweit. Nun sind die Erwartungen an weitere Zinserhöhungen sozusagen im Nirwana verschwunden. Der starke Dollar bremst Exporte schon genug und die US-Energie-Industrie leidet und bremst ihrerseits die Wirtschaft. Da braucht es keine weiteren Zinserhöhungen. Diese sind also zunächst vom Tisch.

Die negativen Effekte sind jedoch nicht so zerstörerisch wie vielfach in die Zukunft extrapoliert. Könnten Pleiten der Energieunternehmen und nicht bediente Kredite eine Finanzkrise 2.0 auslösen? Diese Sorge teilen wir nicht. Erstens ist das Volumen der Kredite in diesem Sektor bei weitem nicht so groß wie 2007 im Immobilienmarkt. Zweitens handelt es sich um viele kleine Firmen, die sehr flexibel agieren und in einem Markt unterwegs sind, der sehr innovativ ist. Drittens hat die US-Notenbank eine schleichende Kreditkrise sehr genau um Blick.

Wir sehen also in diesem Markt eher Chancen als Risiken. Im US-High Yield Unternehmensanleihenmarkt sind zum Beispiel nur rund 16 Prozent dem Energie-Sektor zuzuordnen. Es werden jedoch die anderen Branchen in Sippenhaft genommen und sagenhafte zehn Prozent Rendite bezahlt, weit mehr als für historische Ausfallraten vonnöten wäre.

Politische Brandherde könnten sich beruhigen

Nun könnte man sagen, was sind all die ökonomischen Entwicklungen wert, wenn politische Eskalationen diese ad absurdum führen? Wenn die Konfrontationen auf syrischem Boden zwischen Russland, USA, Türkei, Saudi-Arabien und dem Iran zu einer Ausweitung des Krieges führen? Was, wenn Europa mit Großbritannien ein Kernland verliert?

Die Antwort ist, dass sich ein offener Krieg zwischen den militärischen Großmächten niemand leisten kann. In den USA ist am 8. November 2016 Präsidentschaftswahl. Ist wirklich daran zu denken, dass der amtierende Präsident einen bewaffneten Konflikt riskiert? Ausgerechnet mit Russland? Russland ist nach den Krim-Konflikten auf Versöhnung aus, zumindest vordergründig. Und Tatsache ist, dass zur Lösung der internationalen Konflikte eine Zusammenarbeit mit Russland unabdingbar ist. Darüber hinaus wächst der ökonomische Druck auf die russische Bevölkerung, aufgrund der schwachen Ölpreise und des Embargos. Beides könnte sich jedoch im Laufe des Jahres deutlich entspannen. Ein Ende der Sanktionen wird immer stärker auch aus der deutschen Wirtschaft gefordert, da der heimische ökonomische Schaden größer ist, als der politische Nutzen je sein könnte.

Bleibt die Gefahr eines auseinanderbrechenden Europas. Erstens ist es aus unserer Sicht und mit dem Blick in die Historie von Währungsunionen sowieso nur eine Frage der Zeit, bis der Euro in seiner heutigen Form und Zusammensetzung nicht mehr existiert. Das kann jedoch noch Jahre und Jahrzehnte dauern – je nachdem wie lange Kapitaltransfer toleriert wird und die Notenbank Staatsschulden finanziert. Darüber hinaus würde im Fall der Fälle Europa trotzdem weiter existieren und Handel treiben.

Zweitens wird nun der sogenannten Brexit, über den am 23. Juni abgestimmt wird, zum Fanal Europas stilisiert. Sicherlich sind alle wieder voll dabei, wenn es im Vorfeld darum geht, Panik an den Börsen zu schüren. Da jedoch zum einen die Vorteile der Briten in der EU überwiegen und zum anderen die angemahnten Reformen für alle Beteiligten gut sind, gehen wir aktuell von einem Verbleib der Insel aus. Doch selbst ein Brexit wäre kein Beinbruch. Zunächst zieht sich ein solcher Prozess über Jahre hin.

Jahre in denen weitergeredet und über Modalitäten verhandelt wird. Darüber hinaus geht die Welt nicht unter, wenn Großbritannien seinen eigenen Weg geht. Wir werden weiter Handel treiben, Autos auf die Insel exportieren, Öl von dort importieren und auch die Insel-Clubs werden weiterhin in der Champions-League mitspielen.

Lichtblick in den Schwellenländern

Wir richten unseren Blick ja immer allzu gerne auf uns selbst und unsere Probleme – mit der untrüglichen Gewissheit der Nabel der Welt zu sein. Doch mittlerweile stehen die Schwellenländer für bald 60 Prozent der Weltwirtschaftsleistung und leiden daher seit Jahren besonders unter den bereits beschriebenen Effekten der schwachen Währungen und der gefallenen Rohstoffpreise. Doch es gibt Lichtblicke. Erstens scheint die Möglichkeit zu bestehen, dass viele Rohstoffpreise dieses Jahr ihren Boden finden. Gold, Kupfer, Aluminium, Zink und viele andere steigen bereits seit Januar. Auch diverse Energiepreise stabilisieren sich zumindest. Die vor allem für Südamerika wichtigen Lebensmittelpreise wie Kaffee, Fleisch, Zucker, Mais usw. sinken bereits schon seit letztem Sommer nicht mehr.

Zum zweiten ist zumindest aus heutiger Sicht die starke, fast zweijährige Aufwertungs-Phase des US-Dollars ins Stocken geraten. Für die rohstoffproduzierenden Schwellenländer ein Zeitfenster um durchzuatmen.

Drittens finden wichtige politische Reformen statt, welche in Zukunft Wachstumseffekte befördern werden. Bestes Beispiel ist Argentinien, wo nach langer Zeit staatsdirigistischer, korrupter und investitionsfeindlicher Regierungen der Leidensdruck so groß war, dass nun ein Wechsel hin zu mehr Öffnung, Vertrauen und Vernunft möglich wird. Ein Prozess der in ganz Lateinamerika stattfindet.

Fazit

Die Welt wird schwarzgemalt und ist von existenziellen Krisen durchdrungen. So hat man zumindest den Eindruck. Doch wo Krisen herrschen, gewinnen auch die heilenden Kräfte hinzu. Wenn der Druck groß genug wird, setzen sich Konkurrenten zusammen und sprechen über konstruktive Lösungen. In einer globalisierten Welt kann sich niemand mehr eine Isolation leisten. Das ist die Triebkraft.

Erst in der Zukunft und im Rückblick wird man feststellen, dass alles gar nicht so schlecht war. Dass der Ölpreis natürlich nicht auf Null fällt und der Großteil der Welt vom Überangebot profitiert. Dass damals, im Frühjahr 2016, die Kurse an den Aktienmärkten günstig waren. Dass man natürlich nach der drittlängsten Baisse deutscher Aktien hätte kaufen sollen, wie immer in unbegründeten Krisenphasen.

Doch leider greifen – auch wie immer – die typischen Verhaltensmuster der großen Masse. Man will sich erst sicher fühlen und kauft, nachdem die Märkte bereits stark gestiegen sind. Doch dann kauft man ganz sicher unsicherer.

Daniel Zindstein ist Leiter Portfoliomanagement des Vermögensverwalters Gecam, Wangen

Foto: Gecam

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