Rückt die Zinswende in noch weitere Ferne?

Die Inflationsrate in Deutschland sinkt im Juni zwar nur minimal von 2,2 auf 2,1 Prozent. Die Kerninflation, die temporäre Preisveränderungen außer Acht lässt und daher als Grundlage für geldpolitische Entscheidungen dient, verzeichnet allerdings einen stärkeren Rückgang: Sie fällt in Deutschland von 1,7 Prozent im Mai auf 1,5 Prozent im Juni. Und: Im Euroraum ist die Kerninflation mit 1,2 Prozent noch deutlicher vom Zwei-Prozent-Ziel der EZB entfernt.

Michael Neumann, Vorstand Dr. Klein Privatkunden AG, erwartet eher eine Seitwärtsbewegung bei den Baufinanzierungszinsen.

Gleichzeitig korrigierte die EU-Kommission jüngst die Wachstumsprognose nach unten – sowohl für den Euroraum als Ganzes als auch für Deutschland im Speziellen. Grund dafür war die Sorge, dass der amerikanische Protektionismus Handel und Investitionen behindern und das Wirtschaftswachstum bremsen könnte. Doch wie immer bleibt Trump unberechenbar: Nachdem er Zölle vor dem gestrigen Treffen mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker als großartig bezeichnete, ist der Handelsstreit nun erst einmal vom Tisch. Die EU und die USA wollen zukünftig Zölle auf einige Produkte sogar ganz abschaffen und insgesamt Handelshemmnisse abbauen.

„Konjunkturell dürfte sich die Stimmung wieder bessern – wenn Trump nicht doch wieder zurückrudert. Die weiterhin niedrige Inflation nimmt aber dennoch den Druck von der EZB, schnell an der Zinsschraube zu drehen“, kommentiert Michael Neumann, Vorstand der Dr. Klein Privatkunden AG, die aktuellen Entwicklungen.

Die EU-Kommission sieht in ihrem Bericht die Voraussetzungen für nachhaltiges Wachstum im Euroraum zwar nach wie vor gegeben. Michael Neumann geht jedoch nicht davon aus, dass der im November 2019 scheidende EZB-Präsident Draghi als letzte Amtshandlung die erste Zinserhöhung seiner Amtszeit durchführen wird. Wahrscheinlicher sei es, dass der Leitzins auch bis Ende 2019 auf seinem Rekordtief von 0,0 Prozent bleibt.

Plötzlich beste Freunde? Das abrupte Ende des Handelskrieges

Die EU scheint selbst von der Wende des amerikanischen Präsidenten überrascht worden zu sein. Juncker dämpfte noch vor dem Treffen mit Trump die Erwartungen. Die EU suchte zuletzt nach neuen Handelspartnern in Fernost. So hatte EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström Anfang des Monats die langjährigen Verhandlungen über eine Freihandelszone zwischen Japan und der Europäischen Union zu einem erfolgreichen Ende gebracht. Gemeinsam mit dem japanischen Außenminister, Fumio Kishida, erzielte sie bei einem Treffen in Brüssel eine politische Einigung zum sogenannten „Japan-EU Free Trade Agreement“, kurz JEFTA. Auch China zeigte bereits Interesse an einer engeren Zusammenarbeit mit der EU.

Es war allerdings weniger das Verhalten der EU, das Trump zu einem Umdenken bewegte, als vielmehr der wachsende innenpolitische Druck. Bereits seit Wochen regte sich Widerstand bei amerikanischen Bauern und einflussreiche republikanische Senatoren kritisierten Trumps handelspolitische Alleingänge. Am Mittwoch gaben dann auch noch die amerikanischen Autohersteller Gewinnwarnungen heraus, ihre Aktienkurse gaben nach.

Seite zwei: Amerikanische Notenbank bleibt auf Kurs

1 2Startseite
Weitere Artikel
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
1 Kommentar
Inline Feedbacks
View all comments