Freiheit für den Silbermarkt

Neben Gold als Anlageform rückt auch Silber immer stärker in den Fokus der Anleger. Derzeit stellen sich viele die Frage, ob das Edelmetall vor einem neuen Höhenflug steht. Die Bröning-Kolumne

Seit ich vor mehr als fünf Jahren an dieser Stelle das erste Mal über Silber schrieb („Silberstreif am Horizont“ im Juli 2016), hat sich der Kurs des Edelmetalls sehr gut entwickelt. Bis zu seinem zwischenzeitlichen Hoch 2020 konnten Anleger ein Plus von mehr als 70 Prozent einfahren.

Zuvor war der Silberkurs jahrelang gefallen. 2011 durchbrach er die 44-US-Dollar-Marke und somit den bisher zweithöchsten Stand in der jüngeren Geschichte, nach seinem All-Time-High von rund 49 Dollar im Jahr 1980. Diese Preise wurden bis heute nicht wieder erreicht. Für Anleger stellt sich daher die Frage: Nimmt der Silberpreis derzeit Anlauf in Richtung Höchststand?

Luft nach oben

Der Silberkurs hat Potenzial deutlich anzusteigen und dem Preiskorridor, in dem er lange gefangen war, zu entkommen. Zwischenzeitliche Schwächephasen, wie im August und September dieses Jahres, könnten sich im Nachhinein als ausgezeichnete (Nach-)Kaufgelegenheiten herausstellen. Die Industrienachfrage nach Silber wird deutlich steigen und ein großer Treiber für eine stärkere Gesamtnachfrage sein, die wiederum eine langfristige Verteuerung von Silber auslöst.

Mehr als die Hälfte der Silbernachfrage von insgesamt 896 Millionen Feinunzen stammte 2020 laut des Verbands Silver Institute aus der Industrie, der Rest entfällt hauptsächlich auf Investments und die Schmuckproduktion. Durch den großen Einfluss der Industrie auf die Silbernachfrage ist der Preis zwar von der Konjunktur abhängig, wird aber auch von mächtigen strukturellen Trends positiv beeinflusst.

Silber ist überall

Menschen werden immer älter und benötigen länger medizinische Versorgung. Hier kommt Silber ins Spiel: Das Metall wird unter anderem aufgrund seiner antibakteriellen Eigenschaften in der Medizinbranche eingesetzt. Von silberbeschichteten medizinischen Geräten über die Zahnfüllung bis hin zur Wundcreme gibt es einiges silberhaltiges, worauf Ärzte und Pfleger zurückgreifen. Derzeit beläuft sich die Nachfrage laut Schätzungen von Thomson Reuters und dem Silver Institute auf bis zu zehn Millionen Unzen pro Jahr. Damit ist die Medizinbranche ein relativ kleiner, aber wachstumsträchtiger Abnehmer von Silber.

Deutlich stärker ist die Nachfrage aus der Elektronikbranche, die Silber unter anderem wegen seiner guten Leitfähigkeit nutzt. Silber kommt auf Platinen, in Bildschirmen und Schaltern zum Einsatz. Die zunehmende Digitalisierung vieler Aspekte unseres Lebens, wird die Nachfrage nach Elektronik steigen lassen und dadurch auch den Silberbedarf deutlich antreiben. Beim Ausbau des Funkstandards 5G ist das Metall unabdingbar. Das Silver Institute geht davon aus, dass der Silberbedarf zur Umsetzung von 5G um mehr als 200 Prozent von zuletzt 7,5 Millionen auf 23 Millionen Unzen im Jahr 2030 steigt. Ein weiteres Anwendungsbeispiel findet sich in der Automobilbranche, die Silber in der steigenden Zahl an Elektroantrieben und Assistenzsystemen verbaut. Analysten rechnen bis 2025 laut der Deutschen Bank mit einem Anstieg des jährlichen Silberbedarfs im Automobilsektor um fast ein Drittel auf 90 Millionen Unzen.

Auch für den Umbau der Energieversorgung in Richtung alternativer Energien wird im großen Stil Silber benötigt: Vergangenes Jahr wurden beispielsweise rund 100 Millionen Unzen Silber für die Herstellung von Solarzellen verwendet – dies entspricht etwa elf Prozent der globalen Gesamtnachfrage! Viele Regionen der Welt müssen erst noch vollständig elektrifiziert werden. So haben z. B. in Subsahara-Afrika laut der Weltbank weniger als die Hälfte der Menschen Zugang zu Elektrizität. Es ist damit zu rechnen, dass der weltweite Strombedarf durch die Elektrifizierung solcher bislang unterversorgter Regionen weiter steigt. Um diese Nachfrage klimaneutral zu decken und den CO2-Ausstoß in der restlichen Welt zu reduzieren, wird noch deutlich mehr Silber verwendet werden müssen.

Auf dem Weg zum Angebotsdefizit

Aber auch auf der Angebotsseite gibt es preisunterstützende Faktoren: Das Silver Institute erwartet, dass die Nachfrage dieses Jahr doppelt so stark steigt (+16 Prozent), wie das Angebot (+8 Prozent). Hält diese Entwicklung weiter an, steuert die Welt auf eine Angebotsknappheit bei Silber zu. Die auf Rohstoff-Investments spezialisierte Fondsgesellschaft Baker Steel Capital Managers, geht sogar schon für das Gesamtjahr 2021 von einem Angebotsdefizit aus, hierbei ist auch das steigende Angebot aus der Recycling-Branche berücksichtigt. Der Silberpreis müsste folglich deutlich anziehen.

Geht es mit rechten Dingen zu?

Doch in der Vergangenheit wirkten neben Angebot und Nachfrage noch andere Kräfte auf den Silberkurs. Unter Silberinvestoren geht schon lange das Gerücht um, dass die großen Banken, die den Silbermarkt kontrollieren – die sogenannten Bullionbanken –, die Kurse absichtlich niedrig halten. Dass in dieser Theorie ein wahrer Kern steckt, zeigte sich vergangenes Jahr, als JPMorgan Chase in einem Vergleich wegen Preismanipulation bei Edelmetallkontrakten 920 Millionen US-Dollar zahlen musste. Es wäre nicht das erste Mal, dass Banken Kurse beeinflussen. Mancher Leser erinnert sich vielleicht noch an die unlauteren Zinsabsprachen des 2011 aufgedeckten LIBOR-Skandals.

Die gute Nachricht für Silberanleger lautet: Der Einfluss derer, die den Silberpreis bändigen wollen, dürfte schwinden. Denn, wenn die Nachfrage – getrieben durch starke strukturelle Trends – das Angebot übersteigt, muss der Silberpreis deutlich klettern und Player, die auf niedrige oder fallende Kurse setzten, werden dadurch aus dem Markt gedrängt. Langfristig orientierten Silberanlegern kann die Manipulation demnach künftig herzlich egal sein und sie können die neue Freiheit des Silbers dann genießen.

Tim Bröning ist seit 2009 in der Geschäftsleitung der Fonds Finanz Maklerservice GmbH und verantwortlich für den Bereich Non-Insurance, Finance & Legal.

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