Bewertungsreserven: Arme, reiche Lebensversicherer?

Einige Gesellschaften verfügten allerdings auch nach dem Verkauf noch über „einen großen Puffer an Bewertungsreserven“, berichtet die Zeitung „Welt“. Bei der Allianz belaufe sich diese Reserve auf „immerhin noch 22 Milliarden Euro“, die R+V kommt demnach auf knapp fünf Milliarden, bei der Bayern-Versicherung sollen es mehr als zwei Milliarden Euro sein.

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„Reiche Lebensversicherer“?

Die Zeitung stellt daher die These auf, dass es den deutschen Lebensversicherern besser gehe als es den Anschein habe. „Trotz eines katastrophal niedrigen Zinsniveaus und strenger Regeln zur Ausschüttung verfügen sie noch immer über hohe Reserven“, heißt es in einem Bericht.

Wolfgang Reichel, Finanzvorstand und Sprecher des Vorstandes der Lebensversicherung von 1871 (LV 1871) in München, weist die These vom „reichen Lebensversicherer“ im Interview mit Cash. zurück.

Aus seiner Sicht hat der vorzeitige Verkauf der lukrativen Wertpapiere einen erheblichen Nachteil: „Würde der Versicherer diese höher rentierlichen Papiere verkaufen, um die aktuell hohen Reserven zu realisieren, könnte er die Erlöse nur zu den momentan extrem niedrigen Renditen wieder anlegen.“

„Dramatischer Rückgang bei Zinsgewinnen“

Die hohen Zinsen aus den verkauften Papieren fehlten dem Versicherungsunternehmen allerdings, um die laufenden Versprechen gegenüber den Kunden einhalten zu können, argumentiert der Vorsstandssprecher der LV 1871.

Vielmehr sei es das Ziel des Versicherers, die höher verzinslichen Papiere bis zur Endfälligkeit zu halten, so Reichel, „damit die Versicherungskunden möglichst lange von den hohen Zinscoupons profitieren können“.

Auch beim Kölner Lebensversicherer Gothaer will man dem Eindruck entgegenwirken, dass die Branche besser dastehe, als sie in der Öffentlichkeit zeige. „Bei den Zinsgewinnen ist branchenweit seit 2011 ein dramatischer Rückgang zu verzeichnen, da enorm hohe Aufwände für die handelsrechtliche Zinszusatzreserve zu stellen sind“, teilt eine Sprecherin der Gothaer mit.

Bei der Zinszusatzreserve handelt es sich um einen milliardenschweren Reservetopf, den die Versicherer bilden müssen, um die zukünftigen Zinsverpflichtungen gegenüber ihren Kunden zu erfüllen.

Die Belastung durch die Zinszusatzreserve werde auch in den nächsten Jahren anhalten, betont die Sprecherin. Damit sei die ehemals mit Abstand stärkste Gewinnquelle der Lebensversicherer „mittelfristig deutlich reduziert“.

Beim Lebensversicherer Debeka in Koblenz weist man ebenfalls auf die Belastungen durch die Zinszusatzreserve hin. „Durch die Bildung der Zinszusatzreserve entsteht jährlich ein enormer bilanzieller Aufwand. Aus unserer Sicht ist es wichtig, dass geeignete Maßnahmen ergriffen wurden beziehungsweise werden, um die Risikotragfähigkeit der Lebensversicherung zu stärken“, erklärt ein Unternehmenssprecher.

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Laut der Untersuchung von Professor Weinmann muss sich die Debeka allerdings keine allzu große Sorgen um ihre finanzielle Lage machen. Die Gesellschaft gehört demnach zu jenen zwölf großen deutschen Lebensversicherern, die im vergangenen Jahr eine zweistellige Marge gemessen am Rohüberschuss einfuhren.

Die Debeka erreichte satte 19,5 Prozent – nur die Allianz Leben mit 20,6 Prozent und die Axa Leben, die sogar 26,4 Prozent erzielte, schnitten noch besser ab.

„LVRG schafft Planungssicherheit“

Die R+V Versicherung in Wiesbaden erreichte zudem mit 676 Millionen den zweithöchsten Rohüberschuss nach der Allianz Leben, die das Ranking mit 3,38 Milliarden Euro einsam anführt. Die Marge der R+V betrug immerhin 13,8 Prozent.

Zu den Untersuchungsergebnissen von Wissenschaftler Weinmann und die damit verbundene Frage, ob die Versicherer „lediglich auf hohem Niveau jammerten“, wollte die R+V nicht eingehen.

Gleichwohl lobte ein Sprecher das LVRG, da der Gesetzgeber damit Planungssicherheit für die kommenden Jahre schaffe und die Zukunftsfähigkeit des Produkts Lebensversicherung stärke. (lk)

Foto: Shutterstock

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