Kompositversicherung: Neue Konkurrenz durch digitale „Ökosysteme“

Digitale ‘Ökosysteme‘ der großen Technologie- und Internetkonzerne werden das Komposit-Privatkundengeschäft in Deutschland in den nächsten Jahren entscheidend prägen und bald einen Großteil der Gewinne beanspruchen. Der Wettbewerb wird sich dadurch deutlich verschärfen.

Der Absatz von Versicherungen durch digitale Tools wird den Markt für Kompositversicherungen massiv beeinflussen.

Laut einer Analyse des Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmens KPMG wird das von Ökosystemen betroffene Komposit-Privatkundengeschäft (Kfz, Gebäude, Hausrat, Unfall und Cyber) von heute rund 35 Milliarden Euro Prämieneinnahmen bis 2030 nur geringfügig auf 36 bis 37 Milliarden Euro ansteigen. Internetbasierte „Ökosysteme“ werden zwar lediglich 10 bis 15 Prozent dieses Volumens ausmachen, dafür aber rund ein Drittel des Profit Pools für sich beanspruchen – so die Experteneinschätzung.

„Wir gehen davon aus, dass sich der Markt in den nächsten zehn Jahren zweiteilen wird. Zum einen in einen klassischen Privatkunden-Versicherungsmarkt, bei dem die Produkte über die bekannten Vertriebskanäle vertrieben werden. Dieser Markt dürfte jedoch schrumpfen, auf ein Volumen von 31 bis 32 Milliarden Euro. Parallel dazu gehen wir von der Entstehung eines neuen Marktes aus, in dem die untersuchten Versicherungsprodukte mehr oder weniger transparent über digitale „Ökosysteme“ vertrieben werden. Dieser Markt wird 2030 vermutlich ein Volumen von vier bis fünf Milliarden Euro ausmachen. Dabei dürfte die Wachstumsdynamik in den „Ökosystemen‘“erheblich höher sein, nämlich bei über 15 Prozent im Jahr 2030“ sagt KPMG-Partner Hendrik C. Jahn.

Wettbewerb mit großen Technologiefirmen

Nach Einschätzung von KPMG ist die Versicherungsbranche für die großen Technologiefirmen aufgrund der im Vergleich zum Kerngeschäft geringen Profitabilität zwar nicht so attraktiv wie häufig angenommen. Das Volumen im Versicherungsgeschäft ist jedoch einfach zu groß, um es völlig außer Acht zu lassen. Die Tech- und Internetkonzerne dürften genau hinschauen, welcher Teil der Wertschöpfungskette und des Versicherungsgeschäfts am attraktivsten ist, so die Experten.

„Versicherer müssen nicht Teil eines ‘Ökosystems‘ sein, und es werden nicht alle Versicherer Teil von „Ökosystemen“ werden. Genauso wird es Kunden geben, die weiterhin im klassischen Sinne Versicherungen kaufen werden und diese nicht nur als „Add-on“ erwerben. Unsere Hypothese ist allerdings, dass sich das Käuferverhalten langfristig deutlich verändern und der Zugang zu „Ökosystem“-Daten ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil sein wird. Diejenigen, die die größeren Chancen im „Ökosystem“ sehen, müssen sich fragen, wer sie sein wollen: der ‘Orchestrator‘ oder ein „Zulieferer“. Wir sehen, wie sich unterschiedliche Partner zusammen tun, um in digitalen „Ökosystemen“ diese Angebote vernetzt, individuell und passgenau zusammenzustellen. Damit können sie Kundenbedürfnisse direkter und besser erfüllen, als es eine Versicherung mit einem klassischen Versicherungsprodukt vermag. Für die Versicherungsbranche ist das Chance und Risiko zugleich“, so KPMG-Partner Markus Heyen.

Nur wenige schaffen nachhaltig Wert

In den vergangenen fünf Jahren ist es zudem laut KPMG-Analyse nur wenigen Kompositversicherern gelungen, nachhaltig profitabel Wert zu schaffen. Die 56 untersuchten Kompositversicherer haben von 2012 bis 2017 eine durchschnittliche versicherungstechnische Prämienrendite von fünf Prozent pro Jahr erwirtschaftet. Die Spanne reicht dabei von minus 10 bis zu rund 19 Prozent Plus. Vor allem die Gruppe der sehr großen Versicherer mit über zwei Milliarden Euro Bruttoprämienvolumen und die Gruppe der kleinen, spezialisierten Versicherer mit unter 250 Millionen Euro schneiden dabei besser als der Markt ab. Allein sieben der zehn Unternehmen mit dem höchsten Wertbeitrag stammen aus der kleinsten Größenklasse. Die besten Chancen für ein profitables Wachstum räumt KPMG vor allem sehr großen Konzernen sowie kleinen, spezialisierten Versicherern ein, die bereits heute überdurchschnittliche Wertbeiträge generieren.

„Jedes fünfte Unternehmen hat es im Untersuchungszeitraum nicht geschafft, einen positiven Wertbeitrag zu erzielen. Das zeigt ganz deutlich: Versicherer werden im sich verschärfenden Wettbewerb innerhalb von ‘Ökosystemen‘ umso mehr auf Effizienz, Produktivität, Produktinnovation und Vertriebsausbau achten müssen. Sie müssen sich sehr klar strategisch auf die Felder ausrichten, in denen sie ernsthaft konkurrieren möchten, und diese Ausrichtung dann auch ganz konsequent umsetzen“, sagt Frank Ellenbürger, KPMG-Bereichsvorstand Insurance. (fm)

Foto: Shutterstock

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