Schäden so hoch wie noch nie: Deutsche Unternehmen im Visier von Cyber-Kriminellen

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Ole Sieverding, CyberDirekt

41 Prozent der deutschen Unternehmen erlebten im letzten Jahr mindestens eine Cyber-Attacke. Zudem verzeichnen deutsche Unternehmen im Schnitt die höchsten Cyberschäden im internationalen Vergleich. Gleichwohl sind immer noch 66 Prozent der Firmen schlecht geschützte Cyber-Anfänger. Besonders KMU sind anfällig für Cyber-Gefahren. Der Hiscox Cyber Readiness Report zeigt rückläufige Angriffszahlen, stark gestiegene Kosten im Schadenfall und eine wachsende Investitionsbereitschaft in Cybersicherheit.

Vielen Unternehmen ist mittlerweile bewusst, wie wichtig Cyber-Sicherheit ist. Im Vergleich zum Vorjahr ergriffen doppelt so viele Firmen nach einer Attacke Gegenmaßnahmen und die Ausgaben für IT-Sicherheit wurden weiter erhöht.

Für eine Entwarnung ist es allerdings noch zu früh: Cyber-Kriminelle professionalisieren sich schneller als die Mehrheit der Unternehmen. Dass sie mit dieser Strategie Erfolg haben, zeigen nicht zuletzt die bis ums Sechsfache gestiegenen Kosten im Schadenfall. Das sind einige der zentralen Ergebnisse des Hiscox Cyber Readiness Reports 2020.

Kosten nach Cyber-Attacken um das Sechsfache gestiegen

Erstmals in der Geschichte des Cyber Readiness Reports geht die Anzahl der Unternehmen, die von Cyber-Kriminellen angegriffen wurden, zurück. Während 2019 noch 61 Prozent der befragten deutschen Firmen berichteten, Opfer eines Cyber-Zwischenfalls geworden zu sein, waren es 2020 nur noch 41 Prozent.

Dass digitale Risiken trotzdem nicht zu unterschätzen sind, zeigen die stark gestiegenen Kosten nach einem Cyber-Angriff in internationalen Vergleich: Aktuell zahlen Unternehmen zur Behebung der Folgen von Attacken im Mittel 51.200 Euro, im Vorjahresreport lag dieser Wert noch bei 9.000 Euro.

Deutsche Firmen mussten mit knapp 72.000 Euro im Schnitt eine deutlich höhere Summe begleichen und wurden darüber hinaus im internationalen Vergleich besonders häufig angegriffen. Deshalb verzeichnen deutsche Firmen auch die größten kombinierten Cyberverluste im Ländervergleich: 363 Millionen Euro bei 389 betroffenen Unternehmen.

Deutschland im internationalen Vergleich abgeschlagen

Deutsche Firmen konnten ihre Spitzenpositionierung im Cyber Readiness Ranking nicht verteidigen: Gemessen an den Kriterien Strategie, Ressourcen, Technologie und Prozesse zählt nach wie vor die Mehrheit (66 Prozent) der befragten deutschen Unternehmen zu den sogenannten Cyber-Anfängern.

18 Prozent gelten als Fortgeschrittene und 17 Prozent als Experten. Damit landet Deutschland auf Platz sechs vor den Schlusslichtern Spanien (14 Prozent Cyber-Experten) und den Niederlanden (zwölf Prozent Cyber-Experten). An der Spitzen liegen Unternehmen aus den USA und aus Irland  mit je 24 Prozent Cyber-Experten.

Das Bewusstsein für Cyber-Gefahren nimmt mit der Unternehmensgröße zu

Firmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern nehmen beim Thema Cyber-Sicherheit eine Vorreiterrolle ein, wohingegen kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU) immer stärker hinterherhinken: Das zeigt sich nicht nur im Vergleich der Anzahl der Cyber-Experten (Unternehmen mit 1.000+ Mitarbeitern: 29 Prozent, Unternehmen mit 1-249 Mitarbeitern: 13,7 Prozent).

Auch ist das Thema Cyber-Sicherheit mittlerweile bei 63 Prozent der Großkonzerne Chefsache, in kleinen Firmen liegt der Wert hingegen nur bei 23 Prozent. Im Umgang mit digitalen Gefahren sind kleine Unternehmen vergleichsweise schlecht geschützt. 

Knapp die Hälfte (49 Prozent) der kleinen Unternehmen hat weiterhin keine Mitarbeiter, die für Cyber-Sicherheit verantwortlich sind. Bei Großkonzernen liegt dieser Wert nur bei zwei Prozent.

Unternehmen investieren in Cyberschutz

Über ein Viertel (26 Prozent) der befragten Unternehmen sichert sich zusätzlich durch eine eigene Cyber-Versicherung ab, immerhin 11% der Firmen ohne Cyber-Schutz planen eine solche Spezialversicherung im kommenden Jahr abzuschließen (2019: 30 Prozent).

Ob Unternehmen eine zusätzliche Police tatsächlich abschließen, bleibt abzuwarten – die Ergebnisse aus den früheren Reports zeigen, dass oft nur ein Bruchteil der vorgesehenen Investitionen getätigt wurden. Gleiches gilt auch für die geplanten Budgetsteigerungen zur Absicherung von digitalen Risiken. 

72 Prozent der Firmen planen eine Erhöhung der Ausgaben für Cyber-Sicherheit im kommenden Jahr (2019: 67 Prozent). Der Großteil des Geldes soll in die Gesamt-Cyber-Sicherheitsstrategie fließen, gefolgt von Investitionen in neue Sicherheitstechnologien und in Präventionsmaßnahmen.

 „Die Corona-Krise hat gezeigt, wie vielfältig die Risiken in der vernetzten Welt sind: Cyber-Kriminelle haben mit den oft weniger gut geschützten PCs der Mitarbeiter oder den Fernzugriffsmöglichkeiten auf das Unternehmensnetzwerk aus dem Home-Office neue Einfallstore gefunden. Die Sensibilisierung für Cyber-Risiken bekommt für Unternehmen bei steigender Abhängigkeit von solchen Lösungen zu Recht eine immer höhere Priorität“, erläutert Ole Sieverding, Underwriting Manager Cyber der Hiscox SA. 

„Cyber-Versicherungen können ein guter Baustein in einer ganzheitlichen IT-Sicherheitsstrategie sein. Vielen Firmen sind die Vorteile entsprechender Policen noch nicht bewusst, daher ist die Abdeckung noch lückenhaft. Im Gegensatz dazu sind fast alle Unternehmen gegen Feuer und Diebstahl versichert. Die Wahrscheinlichkeit, Opfer von Cyber-Kriminellen zu werden, ist laut Report jedoch fast zwanzig Mal höher“, so Sieverding.

Die Daten basieren auf einer internationalen Umfrage unter 5.569 Unternehmen aus Deutschland, den USA, Großbritannien, Frankreich, Spanien, Belgien, den Niederlanden und Irland. Im Auftrag des Spezialversicherers Hiscox befragte das Marktforschungsinstitut Forrester Consulting Unternehmensvertreter zu ihren Erfahrungen sowie ihrem Umgang mit Cyber-Attacken. (dr)

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