Anlagejahr 2022: Eine Nachricht ist eine Nachricht – ist eine gute Nachricht?

Foto: Euroswitch
Thomas Böckelmann, Euroswitch

Das Jahr 2021 war ein überdurchschnittlich gutes Jahr für die Aktienmärkte, während die Anleihemärkte mit Inflation und Zinserhöhungsängsten zu kämpfen hatten. Auch wenn Indikatoren ein eher moderates Wirtschaftswachstum signalisieren, stehen bei Aktien die Ampeln vorerst auf Grün.

Thomas Böckelmann, leitender Portfoliomanager der Vermögensmanagement Euroswitch, ist jedoch sicher: „Es wäre vermessen, jüngste hohe Gewinne nach vorne fortzuschreiben. Das Jahr 2022 dürfte einige Überraschungen bieten, die die Anleger zum Nachdenken zwingen. Ein ‚weiter so‘, in jeder Nachricht nur die guten Aspekte zu lesen, ist unwahrscheinlich.“

Was treibt die Kapitalmärkte?

Die Weltwirtschaft profitiert aktuell immer noch von der Kombination aus Corona-Hoffnung, fiskalischem und monetären Stimulus. Letzterer scheint durch die Inflationsentwicklung und erwarteten Reaktionen der Notenbanken den Höhepunkt überschritten zu haben. Auch die Fiskalpakete bislang nie gesehenen Ausmaßes können nicht endlos in die Zukunft fortgeschrieben werden. Stabilitätsorientierte Ökonomen und Politiker hadern bereits mit der maßlosen Überschuldung und den daraus resultierenden auf zukünftige Generationen verlagerten Problemen.

Insofern können die Schwierigkeiten, die der amtierende US-Präsident Joe Biden aktuell bei der Durchsetzung seines Infrastrukturprogrammes „Build Back Better“ erlebt, symptomatisch für geplante Konjunkturförderprogramme in anderen Regionen der Welt sein. „Es ist denkbar, dass weit weniger öffentliche Gelder in die Wirtschaft fließen als aktuell projiziert. Ohnehin ist fraglich, welche Effekte politisch gelenkte Gelder auf die Konjunktur haben. Trotzdem haben die Kapitalmärkte, vor allem für die grünen Branchen, sehr viel vorweggenommen. Hier müssen Politik und Unternehmen liefern, damit es nicht zu Enttäuschungen kommt“, weiß der Experte.

Positiv überraschen könnte China. Der chinesische Aktienmarkt erlebte 2021 einen totalen Vertrauensverlust auch als Folge regulatorischer Eingriffe der chinesischen Regierung in zahlreichen Branchen. Die Eingriffe gingen derart weit, dass einige Strategen bereits von einem „nicht investierbaren Markt“ gesprochen haben. Dazu Böckelmann: „Diese Einschätzung und auch die heftigen Marktreaktionen erscheinen uns übertrieben. Insbesondere in den jüngsten Wochen gibt es Signale der Regierung, wieder unterstützend tätig zu werden, monetär wie fiskalisch, und im Gegensatz zu anderen Regionen verfügt China über genügend Munition und direkte Steuerungsmöglichkeiten.“

China bleibe bis auf Weiteres die Konjunkturlokomotive für die Weltwirtschaft, die Werkbank für den Großteil der Produktion und der Absatzmarkt mit den meisten zahlungskräftigen Konsumenten. In der Auseinandersetzung zwischen den Technologieführern USA und China setzen die Experten der Vermögensverwaltung Euroswitch auf den gesunden Menschenverstand – zu sehr sind diese Nationen voneinander abhängig und selbst kleinste Maßnahmen könnten erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen haben.

Größere Sorge bereitet dem Fondsmanager die aktuellen Lieferkettenstörungen. „In dem Maße, wie die Politik zahlreiche Produktionen in die Heimatländer zurückholen will, kommt es zu weiteren strukturellen Verwerfungen und inflationären Effekten, auch wenn diese auf aggregierter Gesamtmarktebene weniger sichtbar sind. Daher muss mit besonderer Sorgfalt auf potenzielle Auswirkungen unter der Oberfläche, also in bestimmten Branchen bis auf Unternehmensebene geachtet werden“, warnt Böckelmann.  

Viel Lärm um Nichts?

Ob Corona, Inflation und Zinsen oder Geopolitik – verschiedene Faktoren werden voraussichtlich in den kommenden Monaten viel „Lärm“ erzeugen. „Vermutlich werden wir erneut Rotationen und Favoritenwechsel sehen. Dabei gilt es ruhig zu bleiben und sich auf die eigene Strategie zu besinnen“, sagt der Fondsmanager. „Unser Ansatz setzt daher unverändert auf strukturelle – also weniger konjunkturabhängige – Wachstumsthemen. Natürlich bleiben damit auch prinzipiell teurere Titel interessant, wenn wir überzeugt sind, dass diese über drei Jahre in ihre Bewertungen hineinwachsen können. Ferner müssen strenge Qualitätsanforderungen erfüllt sein, die erwarten lassen, dass unsere Aktienauswahl im schwierigeren konjunkturellen Umfeld defensive Portfolioeigenschaften besitzt.“

Digitalisierung und Cybersicherheit, Demographie und Infrastruktur sind nur wenige Themen, in denen sich Titel hoher Qualität bei akzeptabler Bewertung und ansprechenden Perspektiven – also einer überzeugenden Equity Story – finden lassen. „Neben diesen Multithemen sehen wir regionale Wachstumsvorteile in Asien und regionale Bewertungsvorteile in Europa, weshalb diese beiden Regionen im Portfoliokontext gegenüber einem klassischen Weltaktienindex übergewichtet sind“, so Böckelmann. Zusammenfassend stellt der Experte fest: „Erfolgreich sollte der Marktteilnehmer sein, der sich an einer qualitätsfokussierten Strategie ausrichtet und seine Anlageentscheidungen je nach Nachrichtenlage flexibel ausrichtet. Wir halten daher an unseren bisherigen Positionierungen fest und fahren zunächst auf Sicht.“

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