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Interview mit Boris Herrmann und Zurich-Chef Carsten Schildknecht: Segeln, Risiken und Klimaschutz

Boris Herrmann und Carsten Schildknecht in Kiel
Foto: Florian Sonntag
Boris Herrmann (links) und Carsten Schildknecht in Kiel

Kurz vor dem Start des „Ocean Race Europe“ im August traf Cash. den Segelstar Boris Herrmann und Dr. Carsten Schildknecht, Vorstandschef der Zurich Gruppe Deutschland, in Kiel zum Interview – zum zweiten Mal nach 2021. Ein Gespräch über das Extremsegeln, Klimaschutz und Politik.

Herr Herrmann, als wir 2021 das erste Mal für ein Interview zusammensaßen, hatten Sie gerade Ihre erste Vendée Globe als Vierter hinter sich gebracht. Im Januar haben Sie nun Ihre zweite Weltumseglung auf dem 12. Platz beendet. Inwieweit haben Sie die zweite Vendée Globe anders erlebt als die erste?

Herrmann: Ich hatte diesmal mit der „Malizia-Seaexplorer“ ein neues, ganz tolles Schiff – unsere eigene Konstruktion, in die ich viel mehr Vertrauen hatte und die mir viel mehr Sicherheit gegeben hat. Ein Schiff, das bei rauer See einfach besser segelt.

Und mental?

Herrmann: Mental war der große Unterschied, dass ich bei der ersten Vendée Globe mit der Einsamkeit zu kämpfen hatte – das Problem war dank meiner Psychologin beim zweiten Rennen komplett weg. Wir hatten uns vorher mit dem Thema Einsamkeit auseinandergesetzt und dabei mit EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) gearbeitet, einer psychotherapeutischen Methode, die vor allem zur Behandlung von Traumata und posttraumatischen Belastungsstörungen eingesetzt wird. Das hatte tatsächlich einen positiven Effekt. Die stressigste Phase waren die drei Monate vor dem Start, da hatte ich manchmal ein mulmiges Gefühl. Aber im Rennen selbst habe ich mich gut gefühlt und danach habe ich gedacht: Das will und muss ich nochmal machen – weil das Endresultat nicht ganz so war wie erhofft.

Sie mussten dabei auch Ihre Höhenangst besiegen, um den Mast der „Malizia-Seaexplorer“ in 29 Metern Höhe zu reparieren.

Herrmann: Die Höhenangst ist auch besser geworden, seit ich mit meiner Psychologin daran arbeite. Ich konnte mich nach den Erfahrungen aus dem ersten Rennen zielgerichtet auf diese Schwachpunkte einstellen. Es ist unglaublich, was gute Psychologen bewirken können. Im Spitzensport und Spitzenbusiness arbeiten mittlerweile fast alle Führungskräfte mit psychologischen Kniffen.


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Der Extremsportler Jonas Deichmann hat im Cash.-Interview erzählt, dass er sich vor Langdistanzen in einem Szenario-Plan überlegt, was alles schieflaufen kann – und wie er darauf reagiert. Gemeinsam mit seinem Team legt er genau fest, welche Entscheidungen er trifft, wenn ein bestimmtes Problem auftritt. Machen Sie das ähnlich?

Herrmann: Ja, genau. Wir haben 130 Kilo Ersatzteile und Werkzeuge dabei und gehen das vorher akribisch durch: Dieses Bauteil des Schiffes könnte brechen – womit kann ich es dann reparieren? Wofür könnte ich das Stück Karbon, das ich für die Reparatur zur Verfügung habe, sonst noch verwenden? Könnte ich das Werkzeug durchschneiden und daraus irgendetwas anderes bauen? Man überlegt sich das vorher bis ins letzte Detail, um so viele technische Missgeschicke wie möglich abzudecken – ein bisschen so wie in der TV-Serie „MacGyver“. Für andere Szenarien gibt es in enger Abstimmung mit den Rennveranstaltern und Versicherern sogenannte „Crisis Management Plans“, die teilweise 180 Seiten umfassen. Darin geht es auch um Imagerisiken: Wenn man zum Beispiel das Rennen aufgeben muss, weil der Mast gebrochen ist, wie wird das dann kommuniziert? Das wird alles bereits im Vorfeld festgelegt, damit man die Situation im Griff hat.

Wie sichert man eine Weltumseglung wie die Vendée Globe eigentlich ab? Welche Versicherungen braucht man dafür?

Herrmann: Die 40 Schiffe der Vendée-Globe-Flotte sind alle beim selben Versicherer abgesichert, mit dem eine enge und gute Zusammenarbeit besteht. Er gewährt zum Beispiel einen Bonus, wenn wir weitere Sicherheitsinstrumente in das Schiff einbauen. Auch die Regeln, die die Sicherheit während des Rennens bestimmen, werden mit dem Versicherer abgestimmt. Aber zum Glück passiert ja wenig. Es ist selten, dass wir mal ein Schiff bei der Vendée Globe verlieren oder dass ein Segler zu Schaden kommt – toi, toi, toi (klopft dreimal auf einen Holztisch). Das Segeln ist kein Hasardeur-Sport. Wir managen die Risiken auf sehr professionelle Weise und mit viel Erfahrung.

Stuntmänner und -frauen sagen, das Gefährlichste an ihrem Job sei die Routine. Gilt das auch für Extremsegler?

Herrmann: Ja und nein. Ich kneife mich manchmal, wenn es zum Transatlantik-Rennen oder zu einer großen Etappe losgeht. Das ist immer auch ein Sprung ins Ungewisse. Weiter als sieben Tage können wir das Wetter nicht genau vorhersagen – die Fahrt über den Atlantik dauert aber mindestens zwei Wochen, eher drei oder vier. Man weiß nicht, was auf einen zukommt, und daran muss man sich immer wieder erinnern. Mit einem kleinen Schiff über den Ozean zu fahren, bleibt ein Abenteuer. Dementsprechend muss man immer aufmerksam bleiben und darf nicht in den Routinemodus schalten.

Lesen Sie hier, wie es weitergeht.

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