Lassen Sie uns noch einmal beim Vertrieb ansetzen. Herr Busboom sagte zuletzt, rund zwei bis drei Prozent der Bevölkerung seien über Produkte aus dem Sachwertesegment zu erreichen. Wie schafft die Branche es, die Marktdurchdringung zu vergrößern? Wo liegt das Potenzial – oder ist der Vertrieb das eigentliche Problem?
Hagen: Ich glaube, Potenzial gibt es durchaus. Aber ja, der Vertrieb bleibt die zentrale Herausforderung.
Busboom: Da bin ich bei Ihnen. Wenn wir den Einstieg in die Anlagewelt niederschwelliger gestalten würden, könnten wir sicher auch mehr junge Menschen erreichen. Aber am Ende des Tages wird es trotzdem kein Massenprodukt sein. Wir müssen dringend Wege finden, jüngere Menschen anzusprechen, um unsere Geschäftsmodelle langfristig tragfähig zu halten. Das ist allerdings nicht einfach. Zum einen das richtige Produkt zu finden, zum anderen die Menschen dort abzuholen, wo sie stehen. Die junge Generation ist stark vom Boom der Kapitalmärkte geprägt und glaubt oft, dass das ewig so weitergeht. Viele sehen daher gar keinen Bedarf, in andere Anlageklassen zu investieren – ETFs sind günstig und scheinbar unschlagbar. Ob das in zehn Jahren noch so ist, wird sich zeigen. Ein Vertriebspartner erzählte mir kürzlich: Sein Sohn, Anfang 30, kennt nur steigende Märkte. Ihn davon zu überzeugen, dass Diversifikation wichtig ist, ist extrem schwierig. Und so geht es einer ganzen Generation.
Harbig: Ein bisschen so wie beim Fußball: Bis 2023 kannte ein 14-Jähriger nur den FC Bayern als Deutschen Meister. Erst letztes Jahr hat mein Sohn zum ersten Mal erlebt, dass jemand anderes Meister wurde. Genauso ist es an den Kapitalmärkten – viele kennen nur eine Richtung: nach oben. Und dann kommen noch Social-Media-Influencer die suggerieren, man könne ohne Eigenkapital und mit ein paar Klicks zum Immobilieninvestor werden. Wir müssen es schaffen, die Vorteile eines Sachwertinvestments wieder stärker in den Vordergrund zu stellen, wie z.B. Inflationsschutz, laufende Erträge, keine Kursschwankungen. Aber ein reiner Renditevergleich oder Liquiditätsvergleich ist nicht zielführend. Kein Berater dieser Welt vergleicht Rentenfonds mit Aktienfonds über die Rendite. Es kauft auch keiner ein Haus oder eine Wohnung und vergleicht dies einmal als Extrembeispiel mit der Liquidität eines Tagesgeld Kontos. Es kommt auf die Assetallokation an und hier sind echte Sachwerte ein Bestandteil von vielen. Sachwerte in liquiden Strukturen wie z.B. offenen Immobilienfonds sind hier aber ein Mogelpackung. Die Folgen dieser Fehleinschätzung hieraus erleben wir derzeit bereits zum zweiten mal in den letzten 15 Jahren.
Das bringt mich zur nächsten Frage: Wie verändert sich eigentlich die Vertriebslandschaft für Sachwertanlagen? Welche Kanäle gewinnen – der freie Vertrieb, § 34f-Makler, Banken oder gar künstliche Intelligenz? Wer hat Zukunft?
Auel: Der Markt für freie Vermittler ist kein Feld des unbegrenzten Wachstums. Man kann das ein bisschen mit der Brauerei-Branche vergleichen: Es wird zwar allgemein weniger Bier getrunken, aber die Qualitätsbrauereien behaupten sich und erzielen weiterhin solide Gewinne. Ebenso verhält es sich in unserem Bereich: Mit guten Einzelmaklern lassen sich – auch bei geschlossenen Fonds – weiterhin lukrative Geschäfte machen. Wir akquirieren regelmäßig neue Partner, auch wenn man meint, den Markt bereits zu kennen. Ein exponentielles Wachstum sehe ich aber nirgends – und das ist auch nicht nötig. Wir sind ein Nischenanbieter, spezialisiert auf sicherheitsorientierte Sachwertinvestments im Lower-Mid-Market-Segment. Darin liegt unsere Stärke. Diese Spezialisierung kann kein Privatanleger über Trade Republic oder ähnliche Kanäle direkt abbilden. Ich sehe gute Chancen im Bereich der ELTIFs, sofern sie depotfähig sind. Wir haben erste Umsätze mit Volksbanken erzielt und wollen in den nächsten zwölf Monaten weitere Sparkassen und Genossenschaftsbanken für unseren geschlossenen ELTIF gewinnen. Das ist kein explosionsartiges Wachstum, sondern ein schrittweiser Prozess – ein Marathon, kein Sprint. Aber ich bin überzeugt: Mit Spezialisierung und Ausdauer lässt sich da einiges bewegen.
Hagen: Wenn ich das zusammenfassen darf: Am Ende geht es um Aufklärungsarbeit. In einer immer komplexeren Welt müssen wir Produkte einfach und verständlich erklären können. Der typische Anleger bekommt heute einen Prospekt mit 60 Seiten Risikohinweisen – das schreckt viele ab. Hinzu kommt, dass die jüngere Generation eine andere Erwartungshaltung hat: Sie ist ungeduldiger, digitaler, oft auch weniger bereit, sich mit Details auseinanderzusetzen. Wichtig bleibt die Botschaft der Diversifikation. Heute bestehen viele ETFs im Wesentlichen aus den „Big Five“ oder „Big Seven“. Wenn der KI-Boom einmal nachlässt, wird sich zeigen, wie stabil das ist. Sachwerte können hier eine sinnvolle Ergänzung sein – als Teil eines diversifizierten Portfolios. Ich komme eher von der Asset-Seite als von der Vertriebsseite: Das Investment selbst muss überzeugen. Wir müssen erklären können, wie es funktioniert. Als HTB haben wir den Vorteil, nicht auf Einzelinvestments fixiert zu sein. Wir arbeiten an Produkten, die eine gewisse Depotfähigkeit haben und gleichzeitig Liquidität über einen längeren Zeitraum steuern können – also eine Art semi-liquides Sachwertinvestment. Natürlich bleibt das eine Nische. Wir werden keine zehn Millionen Anleger gewinnen. Aber für die Zielgruppe, die wir ansprechen, ist das Produkt sinnvoll – greifbar, handfest, transparent. Und das ist unsere Stärke.
Herr Mückenheim, ist es nicht verlockend, sich trotz aller Vorbehalte mit einem offenen Konstrukt den Paragraf 34f1-Vertrieb zu erschließen?
Mückenheim: Natürlich – das ist der Reiz an der Sache. Aber ehrlich gesagt: Wir alle hier in der Branche denken sehr ähnlich. Wir sind homogen unterwegs, gerade im Bereich der geschlossenen Fonds. Der Einstieg in das 34 f1-Segment oder den Bankenvertrieb ist jedoch schwierig. Dort konkurrieren wir mit großen Playern – JP Morgan und Co. –, also mit offenen Fondsgesellschaften, die sich im ELTIF-Bereich positionieren. Wir sind meist familiengeführte, mittelständische Häuser, spezialisiert auf bestimmte Nischen. Für uns wird das ein langer Weg. Natürlich werden einige 34 f1-Vermittler hinüberwechseln, aber das passiert nicht über Nacht. Wie Herr Hagen schon sagte: Man braucht das passende Produkt. Wenn wir zum Beispiel einen Nahversorgungs-ELTIF oder ein Gewerbeimmobilien-Produkt auflegen, müssen Finanzierung, Fristen und Struktur passen. Und oft stößt das Konzept an Grenzen – was die Finanzierbarkeit oder Liquiditätssteuerung betrifft. Der AIF bleibt deshalb für uns das praktikabelste Vehikel: klar, transparent, nachvollziehbar. Der Anleger weiß genau, in welches Asset er investiert.
Das ist interessant – aber was ist mit den semi-offenen ELTIFs? Da ließe sich doch auch über Fristen und Kündigungsmöglichkeiten mehr Flexibilität schaffen?
Peters: Theoretisch ja. Im Gesellschaftsvertrag kann man festlegen, dass Anleger nach fünf Jahren ordentlich kündigen dürfen – oder auch früher. Das ist rechtlich möglich, aber in der Praxis selten sinnvoll. Wenn zehn Anleger gleichzeitig ihre Anteile kündigen, muss das Kapital irgendwoherkommen. Und bei illiquiden Assets – etwa einer Immobilie oder einem Hotel – lässt sich das nicht einfach liquidieren.













