
Wie steht es um die Digitalisierung in Ihren Häusern? Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz?
Pawils: In der Notarisierung wird sich kurzfristig wenig ändern, aber die Prozesse drum herum sind heute vollständig digitalisiert – von der Kundengewinnung bis zur Vertragsvorbereitung. Wir führen Gespräche komplett online, aber trotzdem: Eine Präsenzveranstaltung bleibt etwas anderes. Früher hatten Kundenevents eine andere Wirkung, da war der persönliche Kontakt spürbarer. Digitalisierung kann vieles erleichtern, aber nicht alles ersetzen. Dem fühlen wir uns verpflichtet.
Auel: Vermittler, die digitale Prozesse bevorzugen, unterstützen wir gerne mit den passenden Lösungen – vom Beratungstool bis zur Unterlagenvorbereitung. Langfristig wird die gesamte Branche digitaler, das ist klar. Aber: Ein langfristiges Anlageprodukt muss verkauft werden. Es lebt vom persönlichen Gespräch und Vertrauen. Wir sehen derzeit zwar viele neue Fondsangebote – vor allem im ELTIF-Bereich –, aber keinen entsprechenden Vertriebsboom. Es bleibt viel Arbeit, Kunden und Berater zu überzeugen, die Hürden zu senken und selbst als „Hürdennehmer“ zu agieren. Und wenn jetzt viele Anbieter vom „Sekundärmarkt“ oder der „Liquidität durch Tokenisierung“ sprechen, dann entsteht schnell der Eindruck, man könne solche Produkte handeln wie Aktien. Damit fördert man aber ein Denken, das eher auf kurzfristiges Verhalten ausgerichtet ist, und nicht zu langfristigen Sachwertanlagen passt. Ich glaube, es wird künftig verschiedene Produkttypen geben – offen, semi-liquide und geschlossen –, je nach Zielgruppe. Um diese Vielfalt professionell abbilden zu können, braucht es Digitalisierung und eine gewisse Unternehmensgröße. Denn: IT, Regulierung, Marketing, etc. – all das erfordert erhebliche Investitionen, die schnell in die Millionen gehen. Allerdings zeigt sich hier auch ein strukturelles Problem der Branche: Es gibt kaum noch Dienstleister, die die komplexen Anforderungen moderner Asset Manager umfassend erfüllen können. Für mittelständische Häuser macht das den Transformationsprozess zusätzlich anspruchsvoll.
Mückenheim: Angesichts dieser Komplexität frage ich mich: Müssen wir nicht unser Denken ändern? Jeder offene Fonds hat einen 200-seitigen Prospekt, jede Versicherung 180 Seiten AVB – das stört niemanden. Aber beim AIF heißt es: „Zu kompliziert!“ Vielleicht sollten wir unser Mindset ändern und wieder mutiger werden.
Harbig: Richtig. Wir haben heute eine enorme Produktqualität und Regulierung. Wir brauchen uns nicht zu verstecken. Aber wir müssen wieder lernen, mit Überzeugung zu verkaufen – nicht als Massenprodukt, sondern als Qualitätsinvestment.
Auel: Ein Grund, warum Versicherungen sich leichter verkaufen lassen, ist das Provisionsmodell. Und viele Vertriebe sind noch gar nicht im Investmentgeschäft angekommen, geschweige denn bei geschlossenen Real-Asset-Produkten. Solange sich das nicht ändert, bleibt unser Markt eine Nische.
Harbig: Massengeschäft? Das wird es nicht mehr geben. Aber genau darin liegt auch unsere Stärke: Qualität statt Masse.
Kommen wir noch einmal zum Thema Künstliche Intelligenz zurück. Setzen Sie KI in Ihren Häusern schon aktiv ein?
Busboom: Ja, allerdings vor allem auf der Asset-Ebene, also in der Betriebsführung und Verwaltung. Da spielt KI ihre Stärken aus – bei Standardverträgen, Fristen, Dokumentenprüfung. Das funktioniert teilweise besser als das klassische Vier-Augen-Prinzip. Im Vertrieb sehe ich den Einsatz allerdings skeptischer. Unser Geschäft ist stark individuell geprägt. Der persönliche Kontakt zwischen Berater und Kunde bleibt entscheidend. Wenn man mit einem Endkunden direkt spricht, liegt die Abschlussquote fast bei 100 Prozent. Das lässt sich digital kaum ersetzen. Verkauf ist nun mal emotional. Bei größeren Geldbeträgen – egal ob 500 oder 500 000 Euro – will der Mensch jemanden sehen, der Vertrauen schafft. KI kann da unterstützen, aber sie wird den persönlichen Vertrieb nicht ersetzen.
Pawils: Wir merken das im Unternehmen sehr deutlich. Wir sind rund 60 Mitarbeiter, und viele haben zunächst Angst, dass KI ihre Jobs ersetzt. Besonders im Marketing. Dabei geht es nicht darum, Menschen zu ersetzen, sondern Prozesse effizienter zu machen. Früher brauchten wir in vielen Fällen die Profile von Mediengestaltern, Lektoren, Grafikern – heute kann KI vieles davon vorbereiten: Standortdaten analysieren, Exposés entwerfen, Texte strukturieren. Aber man muss das Team mitnehmen, sonst entsteht Widerstand. Wir haben inzwischen jemanden, der sich ausschließlich um KI-Anwendungen kümmert. So schaffen wir Freiräume für andere Aufgaben. Marketing heißt heute nicht mehr Flyer und Visitenkarten, sondern Performance-Marketing, Funnels, datengetriebene Kampagnen.
Harbig: Das stimmt. Aber genau das müssen die Menschen auch verstehen: KI verändert Aufgaben – sie schafft neue, anstatt alte einfach zu streichen.
Pawils: Absolut. Und Marketing und Vertrieb wachsen zusammen. Ein großer Teil des Vertriebs wird künftig über Marketing-Funnels laufen. Sichtbarkeit ist entscheidend – Social Media, Bewegtbild, Präsenz. Viele Vermittler glauben, eine Website reicht. Das ist überholt. Sichtbarkeit entsteht über Content, über Videos, über Persönlichkeit. Ich war kürzlich mit Jonas Eisert von Loftfilm unterwegs – ein beeindruckendes Beispiel. Der macht gewaltige Beratungsumsätze im Jahr, allein über digitale Sichtbarkeit. Daraus können wir lernen.
Hagen: In der Diskussion um Künstliche Intelligenz muss man immer im Hinterkopf behalten, dass wir uns in einer hochregulierten Welt bewegen – und das gilt insbesondere für den Finanzsektor. Unser Haus arbeitet aktuell daran, KI sinnvoll und datenschutzkonform in unsere Prozesse zu integrieren. Dabei eröffnen sich spannende Möglichkeiten, die Effizienz zu steigern und unsere internen Abläufe zu verbessern. In Zukunft wird eine enge Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine unvermeidlich sein – doch nur, wenn wir alle regulatorischen Anforderungen sorgfältig prüfen und mit den richtigen Partnern zusammenarbeiten. So können wir KI so einsetzen, dass sie für uns und unsere Kunden echten Mehrwert schafft.
Kommen Kunden zu Ihnen und sagen: „Ich habe mal gegoogelt – oder ChatGPT gefragt – und Sie waren nicht unter den besten Anbietern.“
Auel: Manche Finanzberater nutzen ChatGPT sogar aktiv in der Beratung: Sie fragen das Tool, was es zu Private Equity meint, und bringen die Antwort direkt ins Gespräch ein. Der Kunde nutzt es ohnehin zur Verifizierung. Gute Berater beziehen das gleich mit ein – quasi als modernen Faktencheck.
Pawils: Wir nutzen KI intern auch administrativ: Wir prüfen und analysieren so beispielsweise den Aufbau von Mietverträgen – Rücktrittsrechte, Sonderklauseln, Fristen. Das funktioniert hervorragend.
Harbig: Ich habe neulich einen Werbeflyer prüfen lassen – auf WPIG-Konformität. Die KI hat sofort erkannt, welche Parameter fehlten und wie man den Text korrigiert. Das spart Zeit und Geld. Aber zu 100 Prozent auf die KI verlassen sollten man sich dennoch nicht.
Busboom: Das ist alles spannend – aber in unserer regulierten Welt nicht so einfach. Als KVG dürfen wir ChatGPT gar nicht direkt einsetzen. Kundendaten oder interne Informationen dürfen die Systeme nicht verarbeiten. Deshalb müssen wir eigene, geschlossene KI-Lösungen entwickeln, die den Datenschutz erfüllen.
Auel: Das ist dann auch gleich eine Infrastrukturfrage: eigenes System, eigene Server, eigene Fachleute – das kostet enorm viel Geld.
Busboom: Richtig. Eine Bank darf ChatGPT ebenfalls nicht einfach nutzen, und für uns gelten dieselben Maßstäbe. Wir dürfen keine externen Systeme auf unsere Anlegerdaten zugreifen lassen.
Peters: Das ist ein wichtiger Punkt. Eine interne KI muss auf sensible Dokumente zugreifen dürfen – Aufsichtsratsprotokolle, Anlegerkommunikation –, aber natürlich mit unterschiedlichen Berechtigungen. Die KI darf einem Aufsichtsratsmitglied andere Informationen zeigen als einer Office-Managerin. Das muss man technisch und organisatorisch sauber trennen.













