EXKLUSIV

15. Branchengipfel Sachwertanlagen: „Mit gutem Vertrieb Hürden überwinden“ 

Hagen: Am Ende muss der Wurm dem Fisch schmecken und nicht dem Angler. Das Investitionskonzept der HTB erlaubt durchaus, perspektivisch ELTIF-Konstruktionen zu nutzen, wenn wir im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften klare Leitplanken setzen: Beispielsweise eine Mindesthaltefrist von fünf Jahren, jährliche Rücknahmefenster mit Quoten, Ankündigungsfristen. Dann ist ein semi-liquides Konzept durchaus möglich. Bei 80 Zielfonds in einem Fonds und ohne Fremdkapital lässt sich so etwas bauen. Zur Frage, ob das auch mit einem geschlossenen Sondervermögen möglich sein wird, ist der Gesetzgebungsprozess abzuwarten. 

Herr Busboom, Sie haben sich im vergangenen Jahr klar für den geschlossenen AIF positioniert. Bleibt es dabei?

Busboom: Grundsätzlich ja. Aus Profi-Sicht ist der AIF für den Kunden schwer zu schlagen: Illiquides Asset in passender Darreichungsform. Gleichzeitig müssen wir unser Haus zukunftsfähig aufstellen. Unsere Kundschaft altert – wie erreichen wir Jüngere? Mit dem AIF wird das schwierig. Deshalb denken wir über Token-Produkte nach. ELTIF kann für bestimmte Vertriebe, zum Beispiel Banken, eine Variante sein. Geschlossene ELTIFs sind für den EU-weiten Vertrieb sicherlich praktisch; in Deutschland allein braucht man sie weniger. Semi-offene ELTIFs sind aus Kundensicht heikel: „Offenheit“ mit fünf Prozent Rücknahme-Cap und mehrjährigen Halte-/Ankündigungsfristen ist nur eine Schein-Liquidität. Verkauft wird meist, wenn es schlecht läuft – dann reichen die Quoten nicht, und faktisch ist es doch geschlossen. Für mich bleibt der AIF das beste Produkt. Aber die Branche braucht mehr Flexibilität: Produkte für Jüngere und Vehikel für bestimmte Vertriebswege. Vermögensanlagen oder Anleihen lehnen wir ab: Das Risiko für das Haus – und damit indirekt für all unsere Bestandskunden – ist zu groß. Einzelmandate für Vermögende bilden eine Ausnahme; aber das hat mit den Retailprodukten nichts zu tun.

Welche Rolle spielen Laufzeiten und Fristigkeit beim Teileigentum, also beim Erwerb einer Eigentumswohnung oder eines Pflegeapartments? Fragen die Käufer in diesem Segment überhaupt nach dem Ausstieg?

Sandro Pawils, Carestone: „Wegen des demografischen Wandels besteht bis 2040 ein riesiger Investitionsbedarf für Pflegeimmobilien.“ (Foto: Florian Sonntag)

Pawils: In den letzten Jahren hatten Käufer meist das Motiv, den 20- oder 25-jährigen Mietvertrag voll zu nutzen – Motto „Rente aus Miete“. Zweitmarkt-Fragen entstehen eher, wenn etwas nicht läuft. Wer gute Rendite erzielt und zehn Jahre Haltedauer erreicht hat, also den steuerfreien Verkauf, steht ja vor der Frage: Finde ich etwas, das mindestens gleich renditestark ist? Meist nein. Deshalb ist die Motivation zum Ausstieg gering. Wir machen das Geschäft seit 24 Jahren und haben über 20.000 Einheiten im Teileigentum verkauft. Über unsere Plattform wurden insgesamt vielleicht 200 Wohnungen im Zweitmarkt gehandelt – meist durch einen Betreiberwechsel. Für Anleger bleibt es also ein sehr gutes Langfrist-Investment: Realimmobilie mit Grundbuchrechten und zugleich die „Komfort-Eigenschaften“ eines geschlossenen Immobilienprodukts wie professionelles Asset- und Property-Management. Warum also aussteigen?

Busboom: Das spiegelt sich bei uns: Unsere sechs Altfonds, die zwölf bis 20 Jahre alt und durchweg erfolgreich sind, wurden gerade mit Zustimmungsquoten der Kunden von nahezu 100 Prozent jeweils um sieben Jahre verlängert. Viele Anleger sind inzwischen über 80 – und wollen trotzdem nicht raus. Zufriedenheit mit Asset und Management macht die Laufzeit zweitrangig. Auch bei unserem ersten regulierten Fonds Ökorenta Erneuerbare Energien VIII haben viele Vermittler für ihre Kunden eine Verlängerung angefragt. Aber dort haben wir Ende 2025 ein hartes Enddatum – eine Verlängerung war prospektbedingt nicht möglich. Prospektiert war ein Gesamtrückfluss von 157 Prozent und wir lösen jetzt mit mindestens 176 Prozent auf. Für uns ist das sicher hilfreich für den Track-Record, aber auch dieses Beispiel zeigt: Wenn Kundinnen und Kunden zufrieden sind, verliert die Exit-Frage an Bedeutung.

Harbig: Beim Direktinvestment – ob Pflege oder klassische Eigentumswohnung – denkt der Kunde kaum über das Thema „mindestens 10 Jahre“ nach. Die Frist ist schon steuerlich bedingt, außerdem rechnet sich ein Investment vorher oft nicht.

Peters: Neben unseren Fonds vermarkten wir die sanierten Immobilien zunehmend im Teileigentum. Wer eine Eigentumswohnung kauft, würde bei uns gar nicht nach den Stichworten Fonds oder Kündigung fragen – das ist eine vollkommen andere Klientel.

Harbig: Spannend ist: Anleger wollen oft investiert bleiben, während der Vertrieb kurze Laufzeiten fordert. Das Problem ist weniger der Fisch, also der Anleger, sondern der Angler, sprich Vermittler. Ich verstehe die Suche nach „einfachen“ Produkten. Aber wir müssen vermitteln, dass wir ein Baustein im Gesamtportfolio sind, der langfristig Stabilität bringt und die Volatilität reduziert. Dazu kann eine Immobilie, ein Zweitmarkt-Portfolio oder auch etwas Private Equity gehören: Das Gesamtportfolio zählt, nicht die kurzfristige Denke, morgen wieder verkaufen zu wollen.

Mückenheim: Trotzdem muss die Abwicklung einfacher werden. Tokenisierung kann helfen – oder auch „nur“ die Vereinfachung von Zeichnungsscheinen. Dass wir es bis heute nicht zu einheitlichen E-Zeichnungen gebracht haben, liegt auch an unterschiedlichen Rechtsauffassungen zur rechtssicheren Zeichnung – ein schwieriges Thema. Generell sehen wir eine Marktmentalität, die von kurzen, „ereignisfreien“ Fenstern zwischen zwei Krisen geprägt ist: Finanz- und Eurokrise, Corona, Ukraine-Krieg. In den Jahren der Niedrig-/Negativzinsen boomte die Projektentwicklung mit hohen Kupons und kurzen Laufzeiten. Anleger hofften, zwischen zwei Krisen schnell rein und raus zu kommen. Für langfristige Investments wie Private Equity oder Immobilien ist die politische Unsicherheit ein zusätzliches Thema. Dazu kommt: Der Rendite-Spread zwischen illiquiden und liquiden Anlagen ist aktuell zu gering. Oft bekommt der ETF-Sparer vermeintlich „mühelos“ sieben bis acht Prozent – zuletzt teils mehr. Für konservative, illiquide Anlagen fehlen die zwei bis drei Prozent Mehrprämie, die es früher gab. Das erschwert die Ansprache und auch deshalb rücken Steuerthemen, also Abschreibungen et cetera, wieder stärker in den Fokus.

Busboom: Eine ganze Generation kennt fast nur steigende Kapitalmärkte – das hilft uns nicht. Wir müssen aber auch nicht alle überzeugen, sondern stärker für das einstehen, was wir sind: Asset-Spezialisten in bestimmten engen Marktsegmenten. Und unsere Produkte sind keine Massenware, sondern richten sich an wenige Prozent der Bevölkerung. Liquide ETFs sind für die breite Masse okay. Vermögende brauchen aber vernünftige Beimischungen. Erneuerbare Energie ist dafür gut geeignet. Sie ist von den Kapitalmärkten entkoppelt, denn Strom wird immer gebraucht. Ob AIF, Token oder anderes – Vehikel sind zweitrangig, entscheidend ist die Asset-Kompetenz.

Pawils: Es ist nicht nur erforderlich, die Kunden zu überzeugen, wir müssen auch den Vermittler mit unseren guten Argumenten erreichen. Derzeit fragen sich viele Vermittler: Warum soll ich eine Pflegeimmobilie verkaufen, wenn sich gebrauchte Wohnungen leichter finanzieren lassen? Die Finanzierung  für Endkunden ist herausfordernder geworden; 100-Prozent-Finanzierungen sind heute selten und nur mit hohen Aufschlägen möglich. Der Kunde muss zumindest etwas Eigenkapital mitbringen und die Investition rechnet sich vor allem über die Steuern. Zielgruppe hat sich insofern verändert: Vor fünf Jahren kamen Kunden ab etwa 50.000 Euro zu versteuerndes Einkommen im Jahr in Frage, heute brauchen wir eher Kunden mit 80.000 bis 90.000 Euro zu versteuerndes Einkommen. Das ist für den Vertrieb zunächst eine Herausforderung, aber bei diesem Klientel rechnen sich Pflegeimmobilien weiterhin hervorragend.

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