Europäische ETFs auf Rekordkurs: Anleger kehren den USA den Rücken

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Chris Iggo, Axa IM

Angesichts politischer Unsicherheiten in den USA verlagern viele Anleger ihren Fokus auf Europa. Das wachsende Vertrauen in die wirtschaftliche Stärke und Stabilität der Region sorgt für steigende ETF-Zuflüsse – und könnte 2025 zu einem neuen Rekordjahr führen.

Die unsichere US-Regierungs- und Geldpolitik, vor allem im Zusammenhang mit dem Welthandel, hat viele Anleihen- und Aktien-ETF-Investoren veranlasst, sich Europa zuzuwenden, um die Chance auf höhere langfristige Erträge zu nutzen.

Mittlerweile sind europäische ETFs so beliebt, dass die Zuflüsse – wenn sie so stark anhalten wie in den letzten Monaten – 2025 so hoch sein könnten wie nie zuvor. Auf Basis der Daten von Lipper Alpha Insight dürften sie sich schätzungsweise auf 300 bis 320 Milliarden Euro belaufen.

Nach einer Phase mit schwachem Wachstum und mageren Investmenterträgen hat sich die Region alles in allem erstaunlich gut erholt. Im letzten Jahr erzielte der STOXX Europe 600 nur 2% Wertzuwachs, während US-Bluechips gemessen am S&P 500 um 25% zulegten. Heute ist der Ertragsabstand erheblich kleiner.

Stärkere Konjunktur


Europa hat die Voraussetzung für ein Comeback geschaffen. Der Euroraum ist nicht nur der weltweit größte Handelsblock. Heute ist dank zahlreicher neuer Initiativen auch der Weg für überdurchschnittliches Wachstum bereitet. Ungeachtet der durch die USA entstandenen weltpolitischen Unsicherheit bietet Europa eine Fülle von ETF-Anlagechancen. In puncto Nachhaltigkeit ist die Region führend. Zugleich könnte aufgrund möglicher Veränderungen der internationalen Handelsbeziehungen und Sicherheitsallianzen eine noch einheitlichere Wirtschafts- und Finanzmarktstruktur entstehen.

Als Beispiel sei Deutschland genannt, das ein umfassendes Paket für Investitionen in Infrastruktur und Verteidigung auf den Weg gebracht hat. In den nächsten zwölf Jahren sollen 500 Milliarden Euro in Sektoren wie Infrastruktur, Bau, Gesundheit, Verteidigung und erneuerbare Energien investiert werden.

Hier steht Europa ganz vorn. Die weltweiten Investitionen in saubere Energie müssen jährlich auf 4 Billionen US-Dollar steigen, und Europa dürfte davon profitieren. Dadurch entstehen neue Chancen für ETF-Investoren, unterstützt vom European Green Deal aus dem Jahr 2019. Er sieht vor, Europa bis 2025 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen und ist auf verschiedene Bereiche ausgerichtet – von der Förderung von Investitionen in saubere Energie bis hin zu innovativen Klimatechnologien.

Markterträge


In Europa haben zahlreiche innovative Weltmarktführer aus unterschiedlichen Sektoren ihren Sitz. Der Erfolg der Region im Jahr 2025 schlägt sich auch in den Performancezahlen nieder: Seit Jahresanfang ist der europäische STOXX 600 gerechnet in US-Dollar um 25% gestiegen. Der S&P 500 und der MSCI World bringen es nur auf 13% und 16%. Außerdem sind europäische Aktien noch immer unterbewertet. Sie werden mit einem erheblichen Abschlag gegenüber deutlich höher bewerteten US-Papieren gehandelt.

Dies und die höheren Dividendenrenditen, die im Durchschnitt bei etwa 3,3% liegen, machen europäische ETFs für Investoren zusätzlich attraktiv. Zudem sind die Aussichten gut. Prognosen zufolge wachsen die Gewinne von Unternehmen aus dem STOXX Europe 600 jährlich um 7,6%. Für 2026 liegen die Konsensschätzungen der Gewinne je Aktie bei 40,20 Euro, gegenüber 36,10 Euro im laufenden Jahr.

Auch im Anleihenbereich hat Europa einiges zu bieten. Europäische Unternehmensanleihen profitieren weiter von stabilen Fundamentaldaten, ordentlichen Renditen und hohen Zuflüssen. Die Nachfrage dürfte weiter steigen, weil Investoren versuchen, sich diese attraktiven Renditen zu sichern.

2025 ist das Emissionsvolumen eurodenominierter Anleihen von Unternehmen außerhalb Europas deutlich gestiegen. Etwa zur Jahresmitte waren es fast 100 Milliarden Euro. In den letzten fünf Jahren lag es in den ersten sechs Monaten bei durchschnittlich 23 Milliarden. Und angesichts der Sorge um die US-Politik könnten noch mehr internationale Investoren ihre Positionen in europäischen Anleihen aufstocken. 

Herausforderungen gibt es aber nach wie vor


Zweifellos gilt es noch einige Hürden zu nehmen. Die Handelszölle werden nicht ohne Folgen bleiben, und nach über drei Jahren ist noch kein wirkliches Ende des Ukrainekrieges in Sicht. Aber wenn der Konflikt schließlich gelöst sein sollte und sich die weltpolitische Lage insgesamt beruhigt, könnte für Europa eine neue Ära beginnen, weil die Vorteile der Investitionen in erneuerbare Energien und andere Infrastrukturprojekte eine stabile langfristige Grundlage für Wirtschaftswachstum bilden. Grundsätzlich gehen wir fest davon aus, dass Europa ETF-Investoren immer mehr Investmentchancen bietet – mit Aktien ebenso wie mit Anleihen. 

Autor Chris Iggo ist CIO Core Investments bei Axa Investment Managers.

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