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EXTRA Fondspolicen – Roundtable: „Eine epochale Aufgabe für Versicherer und Assetmanager“

Teilnehmer des Rountable
Foto: Panthermedia
Die Diskussionsteilnehmer von links: Nils Hemmer, Country Head Deutschland und Österreich, Carmignac; Luis Caceres, Leiter Vertrieb, Acatis Investment; Dirk Fischer, Geschäftsführer Patriarch Multi-Manager GmbH und Vertriebsbeauftragter Deutschland für Mediolanum

Fondspolicen haben nicht zuletzt aufgrund der Lage an den Börsen einen Lauf. Und auch das Fehlen echter Alternativen, um die Altersvorsorge effizient und optimal auszugestalten, ist die Fondsgebundene die Nummer eins. Wir diskutieren mit drei Assetmanagern, wie es im Segment weitergeht und welche Trends in den kommenden Monaten bestimmend sein werden.

Die Multikrisenlage, in der wir seit einiger Zeit leben, wird wohl längerfristig bestehen bleiben. Was macht das mit der Bereitschaft der Deutschen, für das Alter vorzusorgen?

Fischer: Es ist die Aufgabe des Beraters, diesen kurzfristigen Blickwinkel in einen langfristigen zu verwandeln, denn Krisen gab es immer. Man hätte immer eine Ausrede gehabt, nichts Langfristiges zu tun. Aber es holt uns immer wieder ein – wir alle kennen den Zinseszinseffekt. Je früher ich anfange, desto mehr arbeitet mein Kapital für mich. Aber ich gebe Ihnen recht, Herr Milewski, das ist sicherlich derzeit ein argumentativer Spagat. Man muss einerseits die Ängste ernst nehmen, andererseits aber auch die Bedeutung der Altersvorsorge aufzeigen. Denn die Rentenlücke ist bei vielen Bürgern einfach vorhanden.

Hemmer: Versicherer und und Asset Manager haben aktuell wirklich eine epochale Aufgabe, denn die kurzfristigen Ängste der Kunden dürfen das langfristig Notwendige – nämlich für eine ausreichende Altersvorsorge zu sorgen – nicht überlagern. Hier haben unsere Vermittler bereits einen hervorragenden Job gemacht, denn letztes Jahr war ein Rekordjahr für Fondspolicen. Verglichen mit dem Vorjahr wurde der Absatz noch einmal um 25 Prozent gesteigert – sicherlich auch aufgrund der sehr starken Börsen, die die Fondsanlage gepusht haben. Dennoch ist das Thema Altersvorsorge auch eine Beratungsfrage. Es setzt sich bei den Kunden zunehmend die Erkenntnis durch, dass sie etwas tun müssen. Aber wie und mit welchem Vehikel – das ist dann die Aufgabe des Beraters.


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Caceres: Ich schließe mich beiden Herren an. Wir dürfen den langfristigen Blick nicht aus den Augen verlieren. Selbst bei jungen Menschen ist das Thema Altersvorsorge präsent, und es ist ihnen bewusst, dass sie aktiv werden müssen. Aber sie brauchen wirklich jemanden an ihrer Seite, der sie unterstützt. Altersvorsorge oder Geldanlage wird immer noch verkauft und nicht gekauft. Gerade bei Themen wie Inflation, Zinsänderungen oder geopolitischen Spannungen, die natürlich zu Marktvolatilitäten führen und die Rentabilität beeinträchtigen können, ist es wichtig, diversifiziert zu investieren. Ein wichtiger Aspekt dabei ist, die individuelle Risikoneigung zu berücksichtigen. In Fondspolicen haben Anleger zudem die Auswahl zwischen unterschiedlichen Anteilklassen. Hier kann es ratsam sein, die einmal getroffene Fondsauswahl regelmäßig zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Der langfristige Aspekt der Altersvorsorge ist immens wichtig und nützlich.

In einer aktuellen Umfrage wünschen sich 70 Prozent der Befragten einen Neustart der Altersvorsorge mit der neuen Regierung. Was meinen Sie, welchen Stellenwert sollte die Fondspolice dabei haben?

Hemmer: Ich glaube, es wäre wichtig, dass den Deutschen überhaupt ausreichend Geld bleibt, um langfristig investieren zu können, und dass gleichzeitig steuerliche Anreize für Altersvorsorgeprodukte geschaffen werden. Es gab bereits Vorstöße im letzten Jahr, die in der Fondsbranche für große Vorfreude gesorgt haben. Jetzt schauen wir, wie es weitergeht. Alle Diskussionen zu diesem Thema lassen erkennen, dass das Drei-Säulen-Modell in seiner aktuellen Form Herausforderungen hat, die angegangen werden müssen.

Caceres: Wir sprechen vom Altersvorsorgedepot. Es ist essenziell, dass in diesem Bereich etwas passiert. Angesichts der Inflation brauchen wir Rendite – und die bekommen wir nur über Aktien. Eine langfristige Anlage mit einer Fondspolice ist wirklich ideal. Das sehen wir auch in Gesprächen mit Versicherern. Deshalb hoffen wir, dass das Altersvorsorgedepot – gerade mit staatlicher Hilfe – kommt und umgesetzt wird. Deutschland braucht das.

Fischer: Ob das Altersvorsorgedepot kommt oder nicht, bleibt abzuwarten. Die klassische Fondspolice ist dabei eigentlich nicht gefährdet, denn sie ist der klassische Alleskönner. Wenn ich darüber nachdenke – sie bietet einen besseren Renditemotor als eine Deckungsstock-Police. Ich kann biometrische Risiken, wie Todesfallschutz oder Berufsunfähigkeit, einbinden. Ich kann steuerliche Gestaltungen nutzen, staatliche Förderung in Anspruch nehmen oder staatliche Vergünstigungen wie das Halbeinkünfteverfahren bzw. die hälftige Gewinnbesteuerung anwenden. Deshalb ist die Fondspolice in der privaten Vorsorge, in der dritten Schicht, die unangefochtene Nummer eins. Sie ist quasi der „Rising Star“ – das zeigen auch die jüngsten Absatzzahlen deutlich. Das Altersvorsorgedepot sehe ich eher in der zweiten Schicht als Riester-Ersatz – was auch Sinn macht, weil es viel flexibler und aktienorientierter ist als die bisherige Riester-Förderung. Es wäre ein großartiges Duo, wenn es so käme.

Stichwort Kosten noch einmal: ETFs sind bei Fondspolicen nicht zuletzt aufgrund der günstigen Kosten nach wie vor gefragt. Sie vertreten aber alle die Aktiv-Fonds-Seite. Inwiefern ist das ein Problem?

Hemmer: Es ist sicher richtig, dass wir nur überleben können, wenn wir durch einen ordentlichen Track Record unsere Daseinsberechtigung unter Beweis stellen. Das heißt, wir müssen über den Investmenthorizont, den wir anpeilen, eine Mehrrendite für den Kunden erwirtschaften. Auf der anderen Seite ist in meinen Augen der ETF-Anteil beim Thema Altersvorsorge noch immer gering. Und ich glaube, dass Vermittler, aber auch deren Kunden es sehr schätzen, wenn jemand die Produkte aktiv steuert. Über die Auswahl mehrerer aktiver Fonds  kann man das Portfolio entscheidend diversifizieren. So kann man hinterher auch risikokontrolliert Mehrwert generieren. Unsere beiden Fonds „Investissement“ und „Patrimoine“ beispielsweise haben seit 35 Jahren viele Situationen überstanden. Für den Kunden hat es einen hohen Wert, wenn erfahrene Fondsmanager die Produkte langfristig steuern.

Sie sagen zwar, dass es nicht viele ETFs in Fondspolicen gibt, aber es gibt auch andere Stimmen zu dem Thema, die sagen: „Ich mache meine Fondspolicen nur mit ETFs.“ Ist das nicht auch merkwürdig, wenn man nicht über das nötige Know-how verfügt?

Hemmer: Der Anteil von ETFs in Fondspolicen beträgt etwa 25 Prozent, die aktiven Fonds dominieren also noch deutlich und hierfür gibt es viele gute Gründe!

Caceres: Aber Sie sprechen einen guten Punkt an, Herr Milewski: das Thema Know-how. Ich denke, beides ist berechtigt – ETFs und aktive Fonds. Jetzt sind wir alle drei aus der aktiven Welt. Gerade bei ineffizienten Märkten wie zum Beispiel im Bereich Fixed Income, Multi Asset oder Small Caps ist es wichtig, einen aktiven Fonds zu nutzen. Denn während ETFs mit den Märkten im Gleichschritt nach oben gehen, fallen sie bei negativen Marktbewegungen genauso stark nach unten. Seit dem großen Crash 2008 in der Finanzkrise sind die Kurse eigentlich permanent gestiegen – die meisten Anleger kennen es gar nicht anders. Wenn wir aber wieder eine Phase erleben, wie zwischen 2000 und 2003, als die Märkte drei Jahre in Folge nach unten gingen, bin ich gespannt, welche Rolle ETFs dann noch spielen werden. Hinzu kommt: Wie oft wird eine Fondspolice überprüft? Geht der Berater tatsächlich einmal im Jahr zum Kunden, um das Fondsuniversum zu aktualisieren? In der Realität geschieht das nur selten. Die Fondspolicen-Seite kann sowohl aktive Fonds als auch ETFs einsetzen. Beide Welten funktionieren, aber wir müssen wissen, wann und wie sie einzusetzen sind. Das Know-how muss auch auf der Beraterseite aufgebaut werden.

Fischer: Ich stimme Ihnen völlig zu, Herr Caceres. Dennoch sind ETFs nicht mehr wegzudenken, weil viele Berater nur über den Preis verkaufen können. Die schwächeren Berater argumentieren nicht mit Qualität. Jeder Berater oder Makler muss dem Kunden drei Angebote vorlegen. Als einheitliche etablierte Standardkennziffer, mit der ich Produkte einigermaßen vergleichbar machen kann, gibt es nur die Effektivkostenquote. Wenn ich einen günstigen Policenmantel habe und einen ETF einsetze, kann es sein, dass ich mit einer Gesamtkostenquote von 1,0 Prozent durchkomme. Früher hatte eine Fondspolice vielleicht 5 Prozent Kosten – im Vergleich dazu ist das heute natürlich extrem günstig. Dann beginnt die Diskussion: Wird der aktive Fonds die höheren Kosten rechtfertigen? Der schnellere Verkauf erfolgt meist über den Preis, und deshalb wird oft der ETF gewählt. ETFs werden nicht verschwinden. Ich glaube aber, dass sich ihr Anteil in einer anderen schwierigeren Marktphase und mit qualifizierteren Beratern wieder reduzieren wird.

Hemmer: Ein weiterer Trend in diesem Zusammenhang ist, dass immer mehr gemanagte Varianten verkauft werden, die den Vermittlern das Leben etwas leichter machen. Aus Sicht eines aktiven Fondsmanagers bietet das eine große Chance, seine Expertise bei ineffizienten Märkten oder globalen Strategien unter Beweis zu stellen. Der Trend geht eindeutig weg von À-la-carte-Fonds hin zu gemanagten Varianten.

Caceres: Wenn ich mit meinen Kollegen insbesondere in Südeuropa spreche, stelle ich fest, dass das ETF-Thema aufgrund der Kostenstruktur nur im deutschsprachigen Raum eine so große Rolle spielt. In Südeuropa steht eher die Idee im Fokus, dass der aktive Fondsmanager langfristig eine Outperformance erzielt. Und wir sehen: Dr. Leber managt den Acatis Aktien Global Fonds seit 1997. Gerade in der langfristigen Beobachtung zeigt sich, dass er den Markt deutlich übertrifft. Das sollte gerade für eine Fondspolice ausschlaggebend sein.

Fischer: Eine Anekdote dazu: Mediolanum stammt aus Italien, und der zweitgrößte Absatzmarkt ist Spanien. Ich möchte nur unterstreichen, was Herr Caceres gerade gesagt hat. Die gleiche Fondspolice wird in Spanien und Italien mit etwa 50 Prozent höheren Kosten verkauft – und niemand beschwert sich, weder Endkunden noch Berater. Warum? Weil der Berater dort einen ganz anderen Stellenwert hat. Er ist DER Finanzexperte und DARF gutes Geld verdienen, also beispielsweise eine höhere Bestandsprovision erhalten als in Deutschland. Hierzulande stecken wir mitten in einem Preiskrieg.

Warum ist die Lage in Südeuropa so anders als bei uns, was die Anlageberatung betrifft?

Caceres: Die Wertschätzung und die Expertise des Beraters oder Bankers sind dort deutlich höher.

Fischer: Wir wollten einmal Mediolanum-Fonds auf eine No-Load-Plattform für Selbstentscheider stellen. Das führte bei Mediolanum zu einem riesigen Aufschrei. Niemand konnte sich vorstellen, dass jemand einen Fonds kauft, ohne die Expertise eines Beraters in Anspruch zu nehmen. So etwas gibt es in Italien und Spanien nicht. Ich denke, auch unser Finanzministerium und der Verbraucherschutz haben in Deutschland eine falsche Mentalität vorgelebt. Es wurde immer nur mit der „Geiz ist geil“-Mentalität argumentiert. Im Ausland sieht das oft ganz anders aus.

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