EXKLUSIV

EXTRA Fondspolicen – Roundtable: „Eine epochale Aufgabe für Versicherer und Assetmanager“

Hemmer: Die Regulatorik ist an dieser Situation nicht ganz unbeteiligt. Es gibt die Richtlinie „Value for Money“ – und damit sollte es eigentlich getan sein. Weitere Richtlinien stärken weder das Vertrauen der Anleger noch unterstützten sie den Berater in seiner Position gegenüber dem Kunden. Ein guter Berater sollte für seine Tätigkeit auch gutes Geld verdienen können.

Vieles steht und fällt also auch mit der Qualität der Berater. Wie bekommen wir hierzulande eine ähnliche Entwicklung hin, wie es sie offensichtlich in Südeuropa gibt?

Hemmer: Die Nachwuchsrekrutierung in der Finanzberatung ist wirklich herausfordernd. Doch zu meiner großen Überraschung konnten wir in den letzten Jahren feststellen, dass es speziell im Bereich der Finanzvertriebe wahnsinnig gut geklappt hat. Sie verzeichnen Zuwächse, selbst bei der jungen Generation. Über eine standardisierte Beratungssoftware lässt sich der Kunde sehr gut durch den Prozess führen, und so kommt man weg vom Produktverkauf hin zu einer analysegestützten Beratung, an deren Ende der Verkauf von Lösungen steht. Hinsichtlich der Qualität in der Beratung spielen auch wir Fondshäuser mittlerweile eine wichtige Rolle. Wir waren lange Zeit im Altersvorsorgegeschäft nur Produktlieferant. Aktuell sind wir über Akademien, persönliche Beratung, Webinare etc. stark gefordert, dazu beizutragen, dass die Beratung verbessert wird. Das ist eine Aufgabe, die auch viel Geld kostet. Aber nur so kann es funktionieren. Der Kunde schätzt den unabhängigen Finanzberater durchaus – nicht zuletzt auch durch die Reduzierung der Bankvertriebsoberfläche hin zur freien Beratung.

Caceres: Wichtig wäre, dass der Berater wirklich auf die Bedürfnisse des Kunden eingeht und ihm strategisch etwas anbietet – unabhängig von dem Fondsanbieter, den er im Hintergrund hat. Es passiert ja sehr oft, dass Banker selbst Vermögensverwalter werden, weil sie dann andere Produkte verkaufen können, mehr Flexibilität haben wollen und dem Kunden so einen Mehrwert bieten. Dann ist der Kunde auch bereit, diese Expertise anzunehmen und mehr dafür zu bezahlen. Unter den jüngeren Menschen, die den Beruf des Finanzberaters attraktiv finden, sind zudem immer mehr Frauen, die sich mit diesem Thema beschäftigen.

Fischer: Wenn der Kunde begreift, dass ihm kein 08/15-Produkt verkauft wurde, sondern ein Produkt, das ihm viele Mehrwerte bietet – also Kapitalanlage plus Versicherung –, dann ist er auch bereit, dem Berater diese Kosten zu gönnen. Ich denke, der Berater muss sich von der Selbstvermarktung her auf ein höheres Level bringen und stetig an seiner Qualifikation bzw. seinem Renommee arbeiten. Das passiert schon seit einiger Zeit durch die verpflichtende Weiterbildung, aber auch durch die Produkte, die facettenreicher geworden sind und mehr Möglichkeiten bieten.

Schauen wir nach dem Vertrieb einmal auf die Kundenebene. Wie haben sich die Kundenanforderungen und -erwartungen an die Fondspolice im Laufe der Zeit verändert?

Caceres: In Bezug auf das Thema ESG stellen wir fest, dass die Nachfrage nach Artikel-9-Fonds stark nachgelassen hat. Ob das daran liegt, dass Nachhaltigkeit und Rendite nicht vereinbar sind, oder ob die Priorität eine andere ist, lässt sich nur schwer sagen. Allein die SFDR-Klassifizierung – diese 6-, 8- und 9-Thematik – wird von der EU-Kommission immer wieder überprüft, und die bisher vorgetragenen Lösungen waren zeitlich nicht belastbar. Erst im zweiten Halbjahr 2028 soll es eine verbindliche Lösung oder zumindest eine Anwendung geben. Es dauert viel zu lange, um ein kompliziertes Thema auch für den Kunden transparenter zu gestalten. Es gibt einige Herausforderungen, die auch regulatorisch vereinfacht werden sollten.

Hemmer: Stichwort Transparenzanforderungen: Der Kunde wünscht sich schon, besser zu verstehen, was er über die Jahre hinweg angespart hat. Auch die Versicherer bereiten ihre Standmitteilungen anders auf. Es ist eine große Herausforderung, die Komplexität eines Produkts – kombiniert mit Geldanlage und Nachhaltigkeits-Reportingpflichten – verständlich darzustellen. Aber ich glaube, es bietet auch die Chance, den Kunden enger an sein Produkt zu bringen, wenn er es besser versteht. Weiterhin glaube ich, dass wir bei der Regulierung allgemein den Zenit überschritten haben. Es ist mittlerweile so etwas wie ein „Frenemy“ – Freund und Feind zugleich. Unsere regulatorische Bürde in diesem Land schafft Schutzmaßnahmen. Allerdings ist sie mittlerweile so hoch, dass es anderen Marktteilnehmern, die noch nicht im deutschen Markt aktiv sind, kaum mehr möglich ist, wirklich tätig zu werden. Komplexität in der Beratung, im Vertrieb und in der Dokumentation führt nicht zwangsläufig dazu, dass der Kunde kurzfristig messbar bessere Ergebnisse erzielt oder wirklich zufriedener mit seinem Produkt ist. Hinzu kommt, dass Greenwashing-Skandale der jüngsten Vergangenheit nicht dazu beigetragen haben, das Vertrauen von Kunden und Vermittlern in ESG-Produkte zu stärken. Transparenz ist entscheiden, nicht Komplexität. Wir bei Carmignac haben dem Thema Transparenz & Reporting stets einen hohen Stellenwert eingeräumt, so werden zum Beispiel unsere weekly reports sehr stark von Vermittlern abgefragt. 

Fischer: Ich würde es vielleicht noch ein bisschen erweitern auf die Frage: Was erwartet der Kunde heute von einer Fondspolice? Neben dem reinen grünen Thema, das bereits diskutiert wurde. Ich versuche, es einmal aufzuzählen: erstens niedrige Kosten, zweitens Flexibilität im Sinne eines lebensbegleitenden Produkts und drittens ein attraktives Fondsuniversum, in dem viele aktuelle Trendthemen – Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, Megatrends etc. – abgebildet werden können. Ich glaube, dass Gestaltung immer wichtiger wird, gerade bei den Einmalbeitragspolicen. Denn dort gibt es das Timing-Risiko, das wir dem Kunden bei Mediolanum abnehmen. Wir sind eben nicht im ratierlichen Bereich aktiv, wodurch der übliche automatische Cost-Average-Effekt entfällt. Hier hilft unsere Intelligent-Investment-Strategy, als einzigartiger Cost-Average-Optimierer. Genau deswegen kommen viele Kunden zu uns.

Das Thema Flexibilität wird oft als Pluspunkt bezeichnet oder von Kunden dringend erwartet. In Umfragen rangiert die Flexibilität allerdings eher unter „ferner liefen“. Können Sie das nachvollziehen?

Caceres: Es geht um die gefühlte Flexibilität – also darum, dass ich jederzeit die Möglichkeit habe, etwas zu verändern, auch wenn ich es letztlich doch nicht tue. Darauf sind Fondspolicen mittlerweile vorbereitet. Am Ende spart der Kunde die 100 Euro langfristig an. Ob er dann noch Umschichtungen vornimmt oder nicht, ist natürlich ein Aspekt, den der Berater mit dem Kunden besprechen sollte.

Fischer: „Gefühlte Flexibilität“ – ein tolles Wording, das werde ich mir auf jeden Fall merken, lieber Herr Caceres. Das Phänomen, das Sie geschildert haben, kenne ich ebenfalls. Ich habe seit über 25 Jahren eine Rechtsschutzversicherung, die ich noch nie in Anspruch genommen habe – aber ich freue mich, dass ich sie habe, falls doch einmal etwas passieren sollte. Ich glaube, genauso ist es bei den Fondspolicen. Es gibt eine Million Features, die ich nutzen könnte, doch in der Realität – wie wir gerade gelernt haben – macht es kaum jemand. Aber es ist wichtig, dass man die Möglichkeit dazu hat.

Stichwort ELTIF: Welche Rolle sollte das Thema Private Markets bei Fondspolicen spielen?

Hemmer: Es wird spannend zu beobachten sein, wie sich das Private-Markets-Thema entwickelt. Rein vom Anlagehorizont her, in Kombination mit den Gestaltungsmöglichkeiten einer Fondspolice und der Integration steuerlicher Vorteile, klingt das alles sehr vielversprechend. Die Frage ist, inwiefern diese Produkte dafür geeignet sind und wie es gelingt, die Berater dafür zu gewinnen. Denn es bringt eine andere Komplexität in die Beratung. Wir sondieren aktuell den Markt. Wir haben bereits einen Evergreen-Fonds in einem anderen Vehikel aufgelegt, aber zur Zeit prüfen wir, ob es Sinn macht, dies über einen ELTIF zu lancieren. Dabei ist auch die Partnerschaft mit Versicherern essenziell.

Caceres: Wir analysieren dieses Thema ebenfalls und sehen uns die Entwicklung genau an. Die bisherigen Erfahrungen passen dazu. Auch hier zeigt sich wieder ein deutlicher Unterschied zwischen verschiedenen Märkten in Europa: In Spanien oder Italien verkauft sich ein ELTIF besonders gut – warum? Wegen des steuerlichen Vorteils. Es ist für den Berater einfach, ihn zu verkaufen. In Deutschland hingegen ist das Produkt weniger attraktiv, da es keinen vergleichbaren steuerlichen Vorteil gibt und die Beratung dadurch anspruchsvoller ist. Man muss sich diesem Thema erst einmal intensiv widmen und entsprechendes Know-how aufbauen. Der einfachste Weg, einen ELTIF anzubieten, ist über eine Fondspolice – das haben wir ja auch über Swiss Life festgestellt. Wir prüfen derzeit die Möglichkeiten und sind uns bewusst, dass es sich hierbei um ein Investment handelt, bei dem nicht zu erwarten ist, dass es kurzfristig zurückgegeben wird. Das ist für uns als Fondsgesellschaft attraktiv, weil das Kapital langfristig investiert bleibt. Deshalb sehen wir dieses Thema als Investmentboutique ebenfalls als interessant an.

Fischer: Was mich beim ELTIF ein wenig nachdenklich macht – und ich bin grundsätzlich ein Befürworter –, ist das Thema Kosten. Wir sprechen immer darüber, dass Fondspolicen inzwischen sehr günstig geworden sind. Mit einem ELTIF hingegen, vollziehe ich eine Kehrtwende, da er je nach abgebildeter Assetklasse, allein laufende Kosten von 2 bis 4 Prozent hat. Und die Policenkosten kommen noch obendrauf! Damit wird der vorherige Preiskampf ein Stück weit ad absurdum geführt. Deshalb bin ich skeptisch, ob sich der ELTIF in einer Fondspolice wirklich als Erfolgsmodell durchsetzen wird. Grundsätzlich, was die Langfristigkeit betrifft – da stimme ich Herrn Caceres zu –, passt das Konzept jedoch perfekt. ELTIF und Fondspolice könnten in dieser Hinsicht gut harmonieren.

Bevor wir zur letzten Frage kommen: Welche Rolle sollte oder kann KI bei Fondspolicen spielen?

Fischer: Das Thema künstliche Intelligenz sehe ich im Fondspolicensegment in zwei Ausprägungen. Zum einen als Investmentoption über Bausteine des Fondsuniversums der Police, die in die Profiteure von KI investieren. Zum zweiten über Hilfestellungen von KI beim echten Fondsmanagement. Beispielsweise von vielen standardisierten Fondsbaskets im Policenuniversum, wo es um die sinnvollste Kombination von verschiedenen Investmentstrategien geht. Da kann KI mit Sicherheit unterstützen, da es häufig um Risikoparameter, wie Korrelation oder Volatilität geht. Mathematische Prozesse also, wo KI fern aller Emotionen ihre Stärke einbringen kann.

Caceres: Die erste Reise von Dr. Leber zur KI-Ikone Prof. Jürgen Schmidhuber (mit seiner Firma Nnaisense) in Lugano datiert ins Jahr 2014. Mit dem Nnaisense-Team konnten wir dann bereits 2016 die KI als „Portfoliomanager“ in einem neuen Acatis Fonds einsetzen. Mittlerweile verfügen wir auch mit unserem hauseigenen KI-Team und zwei weiteren Acatis-KI-Fonds über viel Erfahrung in diesem Bereich und sehen sowohl die Chancen als auch die Herausforderungen, die es hier gibt. Gerade auch bei Produktempfehlungen, steht z. B. das Maschinelle Lernen als leistungsstarke Technologie innerhalb der KI im Mittelpunkt des modernen technologischen Fortschritts. KI verbessert unser Leben bereits auf viele Arten und Weisen, die wir oft gar nicht bemerken. Beim Auffinden der individuell richtigen Fondspolice kann sie uns ohne Frage sehr nützlich sein. 

Hemmer: Hier sehe ich zwei Aspekte: Künstliche Intelligenz wird wahrscheinlich einen Paradigmenwechsel in der Art und Weise darstellen, wie Asset Manager arbeiten werden, aber das Ausmaß des Wandels ist noch nicht vollends absehbar. KI wird bereits von vielen Vermögensverwaltern erfolgreich in ihrem Betrieb und Marketing eingesetzt, auch von uns  – was zu Effizienzsteigerungen und Kosteneinsparungen führt. KI-gestützte Fonds werden von Tag zu Tag stärker und werden im kurzfristigen Handel eingesetzt werden. Diese Verschiebung bietet jedoch auch Möglichkeiten für traditionelle Vermögensverwalter wie Carmignac, sich wirklich auf die Langfristigkeit zu konzentrieren. Hier können wir uns differenzieren! Langfristige Altersvorsorge erfordert aktives Management mit menschlichem Sachverstand. In der Beratung & Dokumentation kann KI den Vermittler allerdings sehr stark unterstützen, hier gibt es schon erste positive Beispiele.

Welche Erwartungen haben Sie an das Thema Fondspolice in diesem Jahr?

Hemmer: In diesem Jahr wird es darum gehen, den eingeschlagenen Wachstumspfad weiter voranzutreiben – insbesondere im unabhängigen Vermittlermarkt, der uns sehr am Herzen liegt. Die real erlebte Performance in den Standmitteilungen wird die Kunden nachhaltig begeistern. Zudem hoffe ich, dass sich das Geschäftsfeld mit stabilisierten Rahmenbedingungen unter einer neuen Bundesregierung weiterentwickeln kann.

Caceres: Ich schließe mich Herrn Hemmer an. Der Erfolg und das Wachstum der Fondspolice werden ungebremst weitergehen. Entscheidend ist, sowohl den Versicherer als auch den Berater bestmöglich zu unterstützen – mit interessanten Fondslösungen und gemeinsamen Aktivitäten vor Ort. Eine spannende Herausforderung wird zudem der Umgang mit auslaufenden Lebensversicherungen sein. Hier stellt sich für die Versicherer die Frage: Wie binde ich den Kunden langfristig – abgesehen davon, ihn erneut in einer Rentenversicherung unterzubringen? Noch ein zunehmend wichtiger Aspekt: Wir haben mittlerweile Lösungen entwickelt, bei denen Fonds Ausschüttungen von 4 bis 6 Prozent ermöglichen, quartalsweise 1 Prozent oder sogar monatlich 0,5 Prozent. 

Fischer: Ich sehe das genauso. Angesichts der Performanceergebnisse der letzten Jahre und der Rückkaufswerte, die Berater ihren Kunden präsentieren können, bin ich zuversichtlich, dass sich die Fondspolice weiterhin gut verkaufen wird. Die Berater haben dadurch mentalen Rückenwind bekommen. Ich würde mir wünschen, dass wir den Preiskrieg hinter uns lassen und nicht ständig die Fragen hören: „Welche Police ist die allerbilligste? Welcher Fonds ist der allerbilligste?“ Hier sind alle Beteiligten gefragt – auch die Berater. Denn dieser ständige rein monetäre Vergleichskampf bringt letztlich niemandem wirklich etwas.

Dieser Artikel ist Teil des EXTRA Fondspolicen. Alle Artikel des EXTRA finden Sie hier.

1 2Startseite
Weitere Artikel
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments