EZB-Leitzinserhöhung: Wo ist Schluss?

Foto: abrdn
Pietro Baffico, abrdn

Pietro Baffico, European Economist bei abrdn, richtet den Blick voraus und kommentiert die Erwartungen an die EZB-Ratssitzung kommende Woche.

„Große Zinserhöhungen sind heutzutage zur Normalität geworden. Der unaufhaltsame Anstieg der Inflation bereitet den Entscheidungsträgern mehr Sorgen als die Risiken einer drohenden Rezession. Die Inflation im Euroraum wurde im September mit 9,9 % auf einem Rekordhoch bestätigt. Die Kerninflation erreichte 4,8 %, was den Druck auf die EZB aufrechterhält, eine straffere Geldpolitik vorzuziehen.

Der andere Faktor, der die Gesamtnachfrage und damit auch die Inflation stützen dürfte, ist die fiskalische Unterstützung, die von den europäischen Regierungen schrittweise umgesetzt wird. In einer Wirtschaft, die bereits überhitzt ist, werden die fiskalpolitischen Interventionen einen geldpolitischen Ausgleich erfordern, um die Auswirkungen auf die Nachfrage auszugleichen. Daher dürfte es kaum überraschen, dass auch Mitglieder des EZB-Rats Bedenken hinsichtlich der möglichen Auswirkungen der Fiskalpolitik geäußert haben. Sie verweisen darauf, dass Maßnahmen zur Linderung der Lebenshaltungskostenkrise am besten gezielt und zeitlich begrenzt sind.

Wir gehen davon aus, dass die EZB auf der Oktober-Sitzung nächste Woche eine weitere Anhebung um 75 Basispunkte verkünden wird. Die Debatte über den künftigen Kurs dreht sich nicht mehr um die Normalisierung der Zinssätze nach über einem Jahrzehnt historisch akkommodierender Geldpolitik, sondern vielmehr um den Zinssatz zum Ende des Zinserhöhungszyklus. Die Risikobilanz deutet darauf hin, dass sich die Anhebung in ähnlicher Größenordnung im Dezember wiederholen könnte, auch wenn sich die Zentralbank im Vorfeld nicht festlegen wird und weiterhin von den Daten abhängig ist.

Auch das Thema Quantitative Tightening (QT) rückt zunehmend in den Fokus, da nur wenige Entscheidungsträger eine Straffung der EZB-Bilanz ab 2023 vorschlagen. Es ist also möglich, dass das Thema im Oktober diskutiert wird. In jedem Fall würden wir erwarten, dass der Prozess schrittweise beginnt, eher das Asset Purchase Programme (APP) als das Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP) betrifft und eher in Form einer passiven Abwicklung (teilweise oder für alle fälligen Wertpapiere) als in Form von aktiven Verkäufen von Vermögenswerten erfolgt. Für Anleger könnte dieser Prozess das Risiko einer Fragmentierung innerhalb der Eurozone erhöhen, insbesondere angesichts der angespannten Marktbedingungen und einer bevorstehenden Rezession. Diese Faktoren könnten auch den Abbau der Bilanz verzögern.“

Weitere Artikel
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments