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Fabian Van Lancker (FB Research): „Eine KI verkauft keine BU“

Fabian Van Lancker neben einer grünen Wand
Foto: Daniel George
Fabian Van Lancker: „In den letzten zwei Jahren waren sicherlich die Kosten der größte Treiber der Digitalisierung.“

Auch in der Versicherungsbranche ist Digitalisierung ein Dauerthema. Cash. sprach mit Fabian Van Lancker, Geschäftsführer der auf digitale Analyse-, Vergleichs- und Abschlussprozesse spezialisierten fb research, über den Stand der Dinge, Herausforderungen und Zukunft.


Wo steht die deutsche Versicherungswirtschaft in Sachen Digitalisierung und was hat sich in den letzten zwei Jahren getan? 

Van Lancker: Wir kommen aus einer Zeit, in der die Versicherungsbranche über viele Jahre hinweg in einem stabilen Umfeld agieren konnte – ein Umfeld, in dem Effizienz zwar eine Rolle spielte, aber nicht vorrangig war, weder in den Produkten noch in den Prozessen. Heute zeigt sich ein verändertes Bild durch den steigenden Kostendruck, zunehmende regulatorische Anforderungen und wachsende Kundenerwartungen. Das fordert ein neues Denken. Digitalisierung wird dabei nicht nur zum Effizienzfaktor, sondern entwickelt sich zunehmend zu einem strategischen Schlüssel für nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit. Auch in der Produktentwicklung, etwa bei der Berufsunfähigkeitsversicherung, lässt sich dieser Wandel beobachten. Lange Zeit erfolgte die Differenzierung über Leistungsumfang, Produktqualität und modulare Bausteine. Inzwischen sind viele Produkte stärker standardisiert, getrieben durch die Anforderungen von Ratingagenturen sowie durch die zunehmende Bedeutung großer Vertriebskanäle. Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass individuelle Produktmerkmale und Variantenvielfalt in Teilen zugunsten besserer Vergleichbarkeit und effizienter Vertriebsprozesse in den Hintergrund rückten. Damit verlagerte sich der Fokus zunehmend von der Produkt- auf die Prozessqualität. Versicherer standen und stehen vor der Herausforderung, Kosteneffizienz und Prozessoptimierung zu vereinen und gleichzeitig den Anforderungen von Vermittlerorganisationen nach digitalen, schlanken Abläufen gerecht zu werden. In den letzten Jahren hat sich dieser Veränderungsdruck noch einmal spürbar erhöht, nicht zuletzt durch die zunehmende Relevanz der Kostenfrage als zentralem Treiber dieser Entwicklung. Das führte dazu, dass der Digitalisierungsdruck und der Fortschritt exponentiell zugenommen haben. In den letzten zwei Jahren waren aber sicherlich die Kosten der größte Treiber. 


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Welcher Teil des Neugeschäfts wird heute digital abgewickelt? 

Van Lancker: Das ist in den Sparten unterschiedlich. Zwar nimmt die Anzahl an Webservices im Bereich Komposit deutlich zu und viele große Versicherer liefern inzwischen entsprechende Schnittstellen – dennoch liegt der Anteil der Dunkelverarbeitung, also die rein digitale Abwicklung ohne manuelle Zwischenschritte, nach wie vor bei unter 50 Prozent. Im Vergleich zur Lebensversicherung hinkt die Qualität der Webservices oft spürbar hinterher, teilweise um mehrere Jahre. In der Krankenversicherung ist der Rückstand sogar noch gravierender: Viele Gesellschaften bieten hier bis heute keine Webservices an. Statt digitaler Prozesse erhalten wir dort nach wie vor Preistabellen per Mail, auf deren Basis manuell Anträge erstellt und versendet werden. Während im Bereich Leben durch standardisierte Produkte und weniger Komplexität der Kostendruck weniger spürbar ist, bleibt in Komposit und Kranken noch viel Potenzial für Effizienzsteigerungen durch Digitalisierung. 

Was bringt Digitalisierung konkret? 

Van Lancker: Für die Versicherer hat Digitalisierung vor allem Kostenvorteile, es werden aber auch die Prozesse einfacher mess- und überprüfbar. In einer voll digitalisierten Welt entfällt der Aufwand für manuelle Zwischenschritte und Nachbearbeitung, aber auch das Risiko von Übertragungsfehlern, Informationsverlust und fehlenden Angaben. Noch gibt es allerdings viele Vertriebspartner, die weiterhin mit den Papier-Faltanträgen unterwegs sind, den Antrag mit dem Kunden manuell ausfüllen und als PDF einreichen. Die Nutzung digitaler Tools ist nach unserer Beobachtung sehr unterschiedlich. 

Was haben Vertrieb und Kunden davon? 

Van Lancker: Für den Vertrieb ist digitales Geschäft mittlerweile eine Voraussetzung dafür, dass die Daten im weiteren Verlauf zuverlässig zur Verfügung stehen. Das umfasst auch die Provisionsdaten. Wenn ich das Geschäft früh digital erfasse, ist der Bestand später digital vollständig verfügbar. Für den Kunden ist es eine Mischung aus beiden Welten. Wer von Anfang an digital unterwegs ist, braucht oft nur einen Termin für viele Geschäfte, ohne dabei Qualität und Übersicht zu verlieren und bergeweise Papier wälzen zu müssen. Das ist nicht nur effizient, sondern auch ein Beitrag zur Nachhaltigkeit. Denn Digitalisierung reduziert Ressourcenverbrauch, vereinfacht Prozesse und schafft langlebige Datenstrukturen. Dabei beginnt nachhaltige Digitalisierung nicht erst beim Antrag, sondern bereits im Beratungsprozess.

Wie ist fb research in all diese Prozesse involviert? 

Van Lancker: Wir verstehen uns als Dienstleister für die Versicherungswirtschaft, also für alle Seiten, über die wir gerade gesprochen haben. Wir begleiten Vermittler und Kunden durch einen marktübergreifenden Vergleich in allen Privatkundensparten und teilweise auch in Gewerbesparten. Nach der Produktwahl erleichtern wir die digitale Antragstellung bis zur Unterschrift und Einreichung beim Versicherer. Die Versicherer selbst entlasten wir zusätzlich bei der Übertragung und den Prozessen in den Bestandssystemen. Unsere Tochterfirma vers.diagnose, ein Joint Venture mit der Munich Re, bietet zudem digitale Lösungen für Risikoprüfungen an. 

Das heißt, Ihr Kerngeschäft sind nicht nur die Tarifvergleiche, sondern fb research ist auch Softwareanbieter und -dienstleister? 

Van Lancker: Richtig. Von unserem Umsatz entfällt etwa ein Drittel auf den Vergleich und Abschlusslösungen. Ein Drittel des Umsatzes machen wir mit unmittelbaren Produktvergleichen, also von Produkt A zu Produkt B. Das letzte Drittel entfällt auf Unterstützung von Versicherern bei der Produktentwicklung. 

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