Einigen Lesern ist Kellanova vielleicht noch nicht bekannt. Erst seit dem 2. Oktober 2023 ist die Kellanova-Aktie gelistet. Das Unternehmen ist unter diesem Namen somit noch kein Jahr an der Börse vertreten, bevor es wahrscheinlich wieder ganz von eben dieser verschwinden könnte. Kellanova ist ein Spin-off, also eine Abspaltung von der Kellogg Company. Das Unternehmen hat sich im vergangenen Jahr in zwei Unternehmen aufgeteilt, um den einzelnen Unternehmensteilen einen klaren Fokus zu geben. Im Unternehmen Kellanova finden sich die Snacks wie Pringles, Cheez-It oder Pop-Tarts. Diese Entwicklung soll in Zukunft, so die Übernahmepläne, unter dem Dach der Mars-Gruppe weitergeführt werden. Der zweite Unternehmensbereich, der ursprünglich Kellogg Company lautete, trägt heute den Namen W.K. Kellogg und produziert die berühmten Frühstücksflocken bzw. Cerealien wie Cornflakes und Froot Loops.
Die genauen Beweggründe, warum Mars die Übernahme in dieser Form durchführen möchte, kennt wahrscheinlich nur das Unternehmen selbst. Offensichtlich ist, dass Mars durch die Übernahme von Kellanova das eigene Snackgeschäft mit weiteren starken Marken ausbauen und das bestehende Portfolio mit Snickers, M&M’S, Twix und Dove weiter aufwerten kann. Bereits heute gilt Mars als weltweit größter Süßwarenhersteller und würde mit der Übernahme auch im Bereich der salzigen Snacks einen Sprung nach vorne machen.
Ein weiterer möglicher Grund für die Übernahme dürfte die noch stärkere Verhandlungsposition gegenüber dem Einzelhandel und den Rohstofflieferanten sein. Gerade der Einzelhandel ist für seine harten Verhandlungen bekannt. Wenn zum Portfolio von Süßigkeiten, Kaugummi und Tiernahrung nun auch noch eine Produktpalette an salzigen und bei den Konsumenten beliebten Snacks hinzukommen, dürfte es für den Handel schwierig werden, seine Preisvorstellungen stets zu verteidigen. Ohnehin gab es in den letzten Jahren immer wieder Meldungen, dass sich verschiedene Einzelhändler mit einem Großkonzern nicht einigen konnten und die Belieferung kurzfristig eingestellt wurde, bis es zu einer Einigung kam. In einem solchen Szenario könnte es schnell passieren, dass der halbe Supermarkt an gewissen Stellen kurzfristig leer bleibt und Mars seine Preisvorstellungen noch besser durchsetzen kann.
Die Übernahme von Kellanova kann weitreichende Auswirkungen auf die Lebensmittelindustrie insgesamt haben und möglicherweise zu einer weiteren Konsolidierungswelle führen. Die gestärkte Marktposition mit den bereits beschriebenen Vorteilen könnte Konkurrenten von Mars dazu veranlassen, ebenfalls Akquisitionen zu tätigen, wodurch sich die Gesamtzahl der Wettbewerber weiter reduzieren würde. Bereits heute beziehen wir einen Großteil unserer Lebensmittel von wenigen großen Konzernen, deren Marktmacht durch eine weitere Konsolidierung noch zunehmen würde. Für die Verbraucher ist das häufig weniger wünschenswert, da es unter Umständen auch zu höheren Lebensmittelpreisen führen könnte. Für die Eigentümer und Aktionäre dieser Unternehmen ist diese Situation hingegen weniger problematisch, da Umsatz und Gewinn weiter steigen dürften.
Im Falle von Mars besteht hier jedoch die Einschränkung, dass sich das Unternehmen in privater Hand befindet und somit nicht an der Börse gehandelt wird. Aus diesem Grund kann man auch davon ausgehen, dass man seine Kellanova-Aktien nicht weiter behalten können wird. Dann erfolgt voraussichtlich ein automatischer Verkauf (Delisting) zu dem von Mars gebotenen Preis pro Aktie – allerdings muss die Transaktion zunächst von den Behörden genehmigt werden.
Die zunehmende Marktmacht der großen Konzerne macht es zudem für kleinere Unternehmen zunehmend schwieriger, sich am Markt zu behaupten. Auch hieraus könnte sich ein Potenzial für weitere Übernahmen in diesem Segment ergeben. Schließlich könnte es auch für die kleineren Unternehmen unter Umständen vorteilhafter sein, sich von den großen Konkurrenten aufkaufen zu lassen, anstatt eigenständig, aber in einer schlechteren Verhandlungsposition zu bleiben.
In der Lebensmittelindustrie gibt es seit einigen Jahren einen Trend zur Konsolidierung. Die Gründe dafür sind vielfältig: steigende Rohstoffkosten, zunehmender Wettbewerb auf dem Markt und die Notwendigkeit, in neue Technologien und Innovationen zu investieren. Größere Unternehmen verfügen oftmals über bessere finanzielle Ressourcen, um diesen Herausforderungen zu begegnen, während kleinere Unternehmen Schwierigkeiten haben können, mit den Veränderungen Schritt zu halten. Infolgedessen nehmen Fusionen und Übernahmen zu, denn die Unternehmen versuchen, ihre Marktposition durch den Erwerb neuer Marken und Unternehmen zu festigen und zu stärken.
Eine Übernahmewelle könnte auch durch das wachsende Interesse von Investoren und Private-Equity-Gesellschaften am Lebensmittelsektor angeheizt werden. Investoren sehen in der Lebensmittelindustrie, insbesondere im Bereich der Snacks und Fertiggerichte, ein lukratives Investitionsfeld, auch wenn erste Prognosen auf eine Abschwächung des ehemals sehr soliden Wachstumspotenzials hindeuten. Als Ursache wird vor allem der Hype um die GLP-1-Rezeptoragonisten, wie beispielsweise das Medikament Wegovy des dänischen Pharmakonzerns Novo-Nordisk, genannt. Durch die Injektion des Wirkstoffs Semaglutid wird bei den Anwendern der Appetit gezügelt und das Sättigungsgefühl gesteigert. Wenn große Teile der Bevölkerung beginnen würden, Wegovy zu verwenden, wäre das gut für Novo-Nordisk und den Body-Mass-Index (BMI) der Menschen, aber wahrscheinlich negativ für diverse Hersteller von Süßigkeiten und Snacks.
Attraktive Chancen und eine Reihe von Risiken
Es bleibt jedoch abzuwarten, ob sich dieser Ansatz tatsächlich durchsetzen wird oder der bisher anhaltende Trend zu Convenience- und Snackprodukten, insbesondere in stetig wachsenden Märkten wie den USA und Europa, die Nachfrage nach diesen Produkten weiter ankurbeln wird. Auch der stetig wachsende Wohlstand in Indien und anderen Entwicklungsländern spricht für ein weiterhin erfolgreiches Geschäft der Lebensmittelindustrie – vermutlich werden weit mehr neue Kunden hinzukommen, die sich die beliebten Produkte erstmals werden leisten können, als bestehende Kunden durch den Einsatz von Diätmedikamenten verloren gehen.
Für Anleger bietet eine Welle von Übernahmen und die damit einhergehende Konsolidierung sowohl attraktive Chancen als auch eine Reihe von Risiken. Auf der Seite der Chancen kann eine erfolgreiche Übernahme oder Fusion langfristig zu einer deutlichen Wertsteigerung der beteiligten Unternehmen führen. Durch Synergien, Kostensenkungen und eine erweiterte Marktpräsenz könnten die Umsätze und Gewinne der fusionierten Unternehmen steigen, was sich auch positiv auf die Aktienkurse auswirken könnte. Darüber hinaus könnten Investoren von steigenden Dividenden profitieren, da größere und profitablere Unternehmen häufig in der Lage sind, höhere und verlässlichere Ausschüttungen zu leisten.
Den Potenzialen stehen jedoch auch Risiken gegenüber. Übernahmen können teuer und komplex sein, und wenn die Integration der Unternehmen nicht reibungslos verläuft, können die erwarteten Synergien ausbleiben. Die Folge sind im schlimmsten Fall Kostensteigerungen, unerwartete Herausforderungen und letztlich ein Wertverlust der Anteile.
Um sich als Aktionär bestmöglich im Markt zu positionieren, ist auch hier eine Streuung der Investments im Sektor sinnvoll. Aufgrund des grundsätzlich soliden Geschäftsmodells und der Dividendenpolitik passen Unternehmen aus der Nahrungsmittelbranche häufig gut zu meiner persönlichen Strategie. Ich suche Unternehmen, die sich als stabil und gut geführt erwiesen haben, sowie solche, die in der Vergangenheit erfolgreich Akquisitionen getätigt haben. Wie bei allem an der Börse gilt es, einen kühlen Kopf zu bewahren, sich nicht von Übernahmefantasien leiten zu lassen und einen langfristigen Anlagehorizont zu verfolgen. Ganz gleich, welche Schwankungen und Übernahmen die Lebensmittelbranche in den nächsten Jahren erleben wird, langfristig sehe ich die Branche ausgesprochen optimistisch und bin gespannt auf die weitere Entwicklung.
Lisa Osada ist Finanzbuchautorin mit über 100.000 Followern bei Instagram unter dem Namen Aktiengram.