Denn während die Eidgenossenschaft mit einer der tiefsten Schuldenquoten weltweit und einer glaubwürdigen Geldwertstabilitätspolitik der SNB als sicherer Hafen glänzt, droht genau dieser Status zur Herausforderung zu werden. Kapitalzuflüsse aus aller Welt könnten den CHF massiv aufwerten. Für Investoren eröffnet das Chancen, auf die Realwirtschaft macht es Druck.
Zielscheibe Schweiz
Bis zum Nationalfeiertag am 1. August blieb die Schweiz weitgehend von der erratischen Politik der US-Regierung unter Präsident Trump verschont. Dann traf es auch uns. Washington richtete seinen nächsten Angriff gezielt auf die Schweiz, insbesondere auf die Pharmabranche. Der isolierte Fokus auf den Handelsüberschuss der Schweiz mit den USA kam gerade recht, ein Machtexempel zu statuieren. Sozusagen über Nacht wurde das Qualitätssiegel „Made in Switzerland“ zum Problem. Schweizer Firmen gerieten ins Visier von US-Zöllen und regulatorischen Schikanen – nicht wegen schlechter Leistungen, sondern wegen ihres Erfolgs. Für eine kleine, offene Volkswirtschaft, die vom Freihandel und komparativen Vorteilen lebt, ist das ein Schock.
Die neuen Zölle treffen einen Industriestandort, der Druck aushalten kann. Der strukturell starke Franken – Resultat tiefer Inflation und hoher internationaler Wettbewerbsfähigkeit – wirkte jahrelang wie ein Fitnessprogramm für Exporteure. Dementsprechend gelassen blieben – anders als Medien und Politik – auch die Märkte.
Globaler Kontext: Schulden, schwache Währungen, unsichere Märkte
Auch international ist die Lage angespannt:
- USA: Mit dem schuldenfinanzierten „One Big Beautiful Bill Act“ steigt die US-Verschuldung weiter. Ein schwächerer Dollar ist politisch gewollt, wovon Euro und Franken bereits getroffen wurden.
- Europa: Der deutsche Fiskalschub stärkt kurzfristig das Wachstum, könnte aber zu höheren gemeinsamen Verschuldungsformen in Form von Eurobonds führen. Der Euro bewegt sich damit in Richtung Schwachwährung.
Der Finanzmarkt als Schiedsrichter
In der neuen Welt machen die Mächtigen was ihnen gefällt. Verlässliche Regeln werden einseitig außer Kraft gesetzt. Die Grenzen dieser Machtpolitik werden nicht die kleineren und schwächeren Länder setzen, sondern der Finanzmarkt. Denn höhere Staatsschulden sind nur so lange möglich, wie sie am Finanzmarkt absorbiert, also von den Marktteilnehmern gekauft und gehalten werden. Wenn das nicht mehr der Fall ist, fällt die Nachfrage der Anleger und dadurch steigen die langfristigen Zinsen. Dies hat große Folgen für den Anleihemarkt, was zu Finanzmarktinstabilität führen kann: ein sogenannter «Liz Truss»-Moment.
Auch die jüngsten US-Pläne, Banken von Eigenkapitalunterlegungspflichten für Staatsanleihen zu befreien und umstrittene Personalien in Schlüsselpositionen zu setzen, schüren Zweifel. Für Gläubiger von USD-Nominalanlagen ist Vorsicht geboten.
Schweiz: sicherer Hafen und Risikofaktor zugleich
In dieser unsicheren Welt bleibt die Schweiz ein Sonderfall. Anleger schätzen Stabilität, tiefe Schulden und eine glaubwürdige Notenbank. Doch je größer die globale Unsicherheit, desto stärker der Kapitalzufluss und desto größer das Risiko einer massiven CHF-Aufwertung. Für internationale Investoren mag das attraktiv sein, für die heimische Exportindustrie ist es ein Damoklesschwert. Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen aber: Für Investoren aus dem Ausland überwiegen Währungsgewinne zeitweise Kursverluste bei Schweizer Aktien.
Handlungsoptionen und Empfehlungen
Die Schweiz verfügt theoretisch über verschiedene Reaktionsmöglichkeiten, von SNB-Interventionen über staatliche Investitionen bis hin zu einem nationalen Investitionsfonds. Politisch realistisch bleibt aber kurzfristig nur die geldpolitische Flankierung durch die Nationalbank.
Für Anleger gilt in diesem Umfeld:
- Schweizer Dividendenaktien bleiben ein stabiles Kerninvestment – sowohl für Binnenmarkt-orientierte Firmen als auch global tätige Konzerne.
- Staatsanleihen in Schwachwährungen wie USD und EUR sind zu meiden.
- Reale Werte in Schwachwährungen – Aktien statt Nominalwerte – sind sinnvoll.
- Gold bleibt als Absicherung und Stabilitätsanker unverzichtbar.
Die Schweiz bleibt ein sicherer Hafen, doch der starke Franken ist eine tickende Währungsbombe. Gleichzeitig mahnen die Finanzmärkte als Schiedsrichter, dass auch die mächtigsten Staaten nicht unbegrenzt über Regeln hinweggehen können. Für Investoren eröffnet das Chancen, auf die Realwirtschaft macht es Druck. Entscheidend ist, Ruhe zu bewahren, Qualität zu bevorzugen und Opportunitäten zu nutzen, wenn andere in Panik verfallen. Wer schon vorher weiß, was er bei einem Währungsschock macht, kann besonnen agieren.
Autor Christof Reichmuth ist unbeschränkt haftender Gesellschafter von Reichmuth & Co Privatbankiers.