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Fachkräftemangel: Stille Reserve der Assekuranz

Thomas Dudkiewicz (li.) und Jürgen Dörendahl sind Geschäftsführende Gesellschafter der Le Group Bleu
Fotos: Le Group Bleu
Thomas Dudkiewicz (li.) und Jürgen Dörendahl, le group bleu: "Versicherer verlieren wertvolles, teils über Jahrzehnte aufgebautes Wissenskapital."

Der Wettbewerb um Fachkräfte tobt auch in der Versicherungswirtschaft und im Finanzvertrieb. Wie Versicherer und Makler ungenutzte Fachkräftepotenziale heben können. Von Thomas Dudkiewicz und Jürgen Dörendahl

Der Wettbewerb um Fachkräfte geht in die nächste Runde. Versicherer und Makler unternehmen verstärkte Anstrengungen, um Nachwuchs zu gewinnen. Dabei kommen sie in Zukunft an einem Talent-Pool nicht mehr vorbei: Leistungsträger, die das Unternehmen bereits verlassen haben – oder dies in den nächsten Jahren planen. Bis zum Jahr 2030 sollen neun Millionen Menschen den Arbeitsmarkt verlassen – und nur sechs Millionen rücken nach.

In der Assekuranz ist der Fachkräftemangel bereits deutlich spürbar: Makler suchen händeringend nach Nachwuchs; viele große Versicherer haben offene Stellen in dreistelliger Höhe zu besetzen. Gesucht werden Talente in allen Bereichen. Besonders begehrt sind Vertriebsspezialisten und IT-Experten, aber auch Mathematiker, Aktuare, Risikoanalysten und Sachverständige.

Generation Z wird die Lücke nicht schließen

Wie können die Unternehmen gegensteuern? Viele liefern sich einen harten Wettbewerb um die begehrte junge Generation Z. Zudem werden talentierte Nachwuchsexpertinnen und -experten selber aus- und weitergebildet. Doch das genügt bei Weitem nicht, um die aktuelle Lücke zu schließen. Hinzu kommt ein wachsender Führungskräfteengpass: Viele erfahrene Manager gehören der Generation der Babyboomer an und werden demnächst in Rente gehen. Aktuelle Prognosen gehen davon aus, dass sich gut in Drittel der Mitarbeitenden im Finanzdienstleistungssektor in den nächsten sechs Jahren in den Ruhestand verabschiedet.


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Versicherer und Makler verlieren damit nicht nur wichtige Kapazitäten, um das Geschäft am Laufen zu halten – sondern auch wertvolles, teils über Jahrzehnte aufgebautes Wissenskapital. Gerade in der beratungsintensiven und komplexen Versicherungsbranche ist die Sicherstellung von Wissen elementar – über Prozesse, Produkte, Partner und Kunden. Es ist es zu kurz gesprungen, sich beim Recruiting allein auf die jüngeren Jahrgänge der Gen Z zu fokussieren. Erfahrene Beschäftigte sind eine wichtige Ressource, die neben Kompetenz auch Expertise und gewachsene Netzwerke einbringen kann. Kreative Recruiting-Strategien müssen dem Rechnung tragen.

Boomerang-Hiring: Erfolgreiche Rückholaktion von Ex-Mitarbeitern

Vor diesem Hintergrund gewinnt ein neuer Talent-Pool an Bedeutung: Erfahrene Leistungsträger, die das Unternehmen bereits verlassen haben. Denn diese qualifizierten Kräfte sind bestens mit dem Unternehmen, den Workflows und Abläufen sowie der Kultur des Hauses vertraut. Auch müssen sie nicht erst umfänglich eingearbeitet werden. Oftmals bringen Rückkehrer, die sogenannten Boomerang-Mitarbeiter, neue Blickwinkel und Expertise ein, die sie zwischenzeitlich in anderen Unternehmen gesammelt haben. Zudem ist es auch mit Blick auf die Kosten meist günstiger, frühere Arbeitskräfte wieder an Bord zu holen als eine neue Kraft, die erst noch Expertise aufbauen muss.

Die Bereitschaft auf Seiten der Mitarbeitenden ist groß: Laut einer Umfrage der Personalberatung Robert Walters würden 71 Prozent der Fachkräfte derzeit eine Rückkehr zu ihrem ehemaligen Arbeitgeber in Betracht ziehen. Bereits ein Viertel der Befragten hat Kontakt zu ihren früheren Arbeitgebern aufgenommen. Boomerang-Hiring hat das Potenzial, die Talentgewinnung in den kommenden Jahren entscheidend zu verändern. Gerade die Versicherungsbranche kann aufgrund der Altersstruktur der Belegschaft und des zu erwartenden Fachkräfteexodus in besonderem Maße davon profitieren.

Silver Potentials: Stell Dir vor, es ist Rente und keiner will gehen

Doch es gibt noch weitere Talentpotenziale, die bei heutigen Recruiting-Strategien noch zu wenig Beachtung finden. Die Rede ist von den Silver Potentials, der heutigen Generation 50 plus. Laut Gesundheitsreport 2024 der Techniker Krankenkasse (TK) wollen sich rund 31 Prozent dieser älteren Arbeitnehmer vorzeitig in den Ruhestand verabschieden – darunter gut qualifizierte Fach- und Führungskräfte, die motiviert und arbeitswillig sind. Aber Makler und Versicherer könnten sich diesen wachsenden Talent-Pool für die Zukunft sichern. Allerdings müssen sie dafür ein paar Hausaufgaben machen.

Tatsächlich wären die erfahrenen Kräfte nämlich bereit, weiter oder sogar länger zu arbeiten – wenn Unternehmen die Arbeitssituation auf ihre Bedürfnisse zuschneiden würden: Rund drei Viertel (74 Prozent) würden bei einer Anpassung der Arbeitszeit auf einen vorzeitigen Ruhestand verzichten. 70 Prozent erwarten vom Arbeitgeber eine Unterstützung bei der individuellen Gestaltung des anschließenden Renteneintritts – natürlich wäre hier auch der Gesetzgeber in der Pflicht. Gehaltserhöhungen folgen erst an dritter Stelle mit 67 Prozent.

Auch wer bereits in Rente ist, kann zurückgewonnen werden. Viele ältere Menschen können sich den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt gut vorstellen: Laut einer OECD-Studie würden beinahe zwei Drittel der EU-Bürger eine Kombination aus Teilzeitarbeit und Teilrente zum reinen Rentnerleben vorziehen. Vor allem Hochqualifizierte sind bereit, wieder beruflich aktiv zu werden. Wer flexible die Arbeitsmodelle für die Rückkehrer bietet, erhöht die Wahrscheinlichkeit für ein erfolgreiches Boomerang-Hiring.
Versicherer und Makler können Potenziale heben

Doch bisher haben viele Unternehmen ihre Personalplanung noch nicht auf die demografische Zeitenwende eingestellt. Ein Beispiel ist die nach wie vor gängige Praxis vieler Unternehmen, ältere Fachkräfte per Abfindung in den vorzeitigen Ruhestand zu schicken. Gerade jetzt gilt es, aktiv zu werden und gegenzusteuern. Wer spannenden Tätigkeitsprofile und individuelle Arbeitskonzepte offeriert, wird auch erfahrene Leistungsträger aus der Rente wieder für das Unternehmen zurückgewinnen. Die jüngeren Mitarbeitenden können ebenso profitieren – von der Erfahrung und dem Wissen der Älteren, die eine wertvolle Inspirationsquelle sein können.

Voraussetzung für Boomerang-Hiring: Kündigungsgründe verstehen

Was braucht es, damit eine Rückkehr ins Unternehmen gelingt? Versicherer und Makler müssen einige Voraussetzungen erfüllen. An erster Stelle steht ein persönlicher Austausch, wenn ein Leistungsträger sich entschieden hat, zu gehen. Denn wer qualifizierte Kräfte zurückgewinnen will muss zunächst Klarheit darüber haben, warum diese überhaupt weggegangen sind – und gegebenenfalls Veränderungen initiieren. Laut Studie von Robert Walters sind die Kultur und die gelebten Werte eines Unternehmens für viele Fachkräfte ausschlaggebend – fast die Hälfte der befragten Fachkräfte gab an, dass diese Faktoren entscheidenden Einfluss auf ihre Entscheidung hatten, ihr früheres Unternehmen zu verlassen. 33 Prozent nannten das Gehalt als Motiv für einen Weggang. Anders herum würde rund ein Drittel den Wiedereinstieg beim alten Arbeitgeber erwägen, wenn sich beispielsweise das Gehalt oder die Arbeitszeiten verbessern. Ebenso hoch ist der Anteil derjenigen, die sich dies vorstellen können, wenn ein Führungswechsel vorgenommen wird.

Versicherer und Makler tun gut daran, das individuelle Feedback und die Kritikpunkte ernst zu nehmen. Doch genügen wird das nicht. Der Wettbewerb ist hart, das Angebot für die Leistungsträger groß und attraktiv. Daher ist es von entscheidender Bedeutung für Unternehmen mit den Ex-Mitarbeitenden Kontakt zu halten, zum Beispiel im Rahmen von Alumni-Programmen oder auch „Mitarbeiter-werben-(Ex-)Mitarbeiter-Initiativen”. In jedem Fall sollten bindungserhaltende Maßnahmen direkt mit beziehungsweise nach dem Offboarding umgesetzt werden. Denn je mehr Zeit nach der Trennung verstreicht, desto geringer die Chancen auf eine erfolgreiche Rückholaktion.

Talent-Pool mit Kompetenz und Erfahrung

Die ökonomische Bedeutung der Ex-Leistungsträger ist enorm. Hier schlummert eine stille Reserve an Kompetenzen und Erfahrung, die aktuell so dringend benötigt werden. Voraussetzung für eine erfolgreiche Rückholaktion ist, dass wichtige frühere Konflikte oder Kritikpunkte angesprochen und vollständig ausgeräumt wurden und keine falschen Erwartungshaltungen auf beiden Seiten bestehen.
Als Mittler zwischen Unternehmen und potenziellen Fach- und Führungskräften wissen wir, wie enorm wichtig der offene und persönliche Dialog im Recruiting-Prozess ist. Das gilt im Besonderen für erfolgreiches Boomerang-Hiring. Als Executive-Search-Beratung mit dem größten Team an Personalberatern und Researchern in der Assekuranz stehen wir Versicherern und Maklern seit Jahren als Sparringspartner für erfolgreiche Recruiting-Strategien zur Seite.

Die Autoren Thomas Dudkiewicz und Jürgen Dörendahl sind Geschäftsführende Gesellschafter von le groupe bleu

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