Überschussbeteiligungen 2023: Eine Trendwende in der Lebensversicherung?

Foto: Shutterstock
Thorsten Saal, Morgen & Morgen: "Wir sehen, dass der Markt insgesamt stabil ist, und schätzen das Signal der Branche, die Versicherten kurzfristig an dem Aufwärtstrend partizipieren zu lassen, als sehr positiv ein."

Rund 20 Versicherer haben zum Jahreswechsel ihre Überschussbeteiligung angehoben. Aufgrund der gestiegenen Zinsen am Kapitalmarkt erscheint diese Trendwende sehr erfreulich. Aber ist es nicht noch zu früh für großzügige Überschusserhöhungen? Eine Analyse von Morgen & Morgen blickt hinter die Unternehmenskulissen der deutschen Lebensversicherer.

Nach einer jahrelangen Talfahrt hat erstmalig keine Versicherungsgesellschaft ihre Überschussdeklaration gesenkt. Von den analysierten 53 Gesellschaften haben 20 Gesellschaften ihre Überschüsse von 2022 auf 2023 im Durchschnitt um 0,30 Prozentpunkte erhöht. Die höchste
Steigerung liegt bei 0,85, die niedrigste bei 0,15 Prozentpunkten. Das zeigt die Analyse von Morgen & Morgen.

Die Marktlage

Im Mittel liegen die laufenden Verzinsungen der 53 Gesellschaften 2023 bei 2,1 Prozent, im Vorjahr waren es nur 1,9 Prozent. Die höchste Beteiligung an den Überschüssen bietet mit drei Prozent in beiden Jahren ein und derselbe Versicherer. Die geringste Verzinsung beträgt 1,25 Prozent. Im Vorjahr waren es 0,90 Prozent.

Auch wenn in diesem Jahr eine beträchtliche Anzahl an Gesellschaften ihre Überschüsse erhöht haben, bieten laut Morgen & Morgen immer noch 21 Versicherer eine Beteiligung von unter zwei Prozent und das trotz Erhöhungen von bis zu 0,40 Prozentpunkten.

32 Versicherer liegen inzwischen bei über zwei Prozent. Allerdings passten 33 Versicherer ihre Deklaration nicht an. 19 von ihnen waren bereits 2022 sehr gut aufgestellt und beteiligten ihre Kunden mit über zwei Prozent Überschüssen, so die Analyse.

Überschusserhöhungen im Kontext

„Uns hat es überrascht, dass am Ende doch so viele Versicherer ihre Überschussbeteiligung erhöht haben. Diese Entscheidungen wollten wir besser einschätzen können und haben uns die relevanten
Unternehmenskennzahlen der erhöhenden Gesellschaften sowie die Marktentwicklung angeschaut“, sagt Thorsten Saal, Bereichsleiter Mathematik. Der Zinsanstieg habe in vielen Bereichen Auswirkung auf die Situation der Lebensversicherer.

Der große Hebel, der bei den meisten Gesellschaften kurzfristig Mittel für Überschusserhöhungen freigesetzt hat, sind die größtenteils sinkenden Aufwände für die Zinszusatzreserve, die die Versicherer bilden müssen, um die teilweise hohen Garantiezinsen in den Beständen abzusichern.

Wie die Zinszusatzreserve auf den durchschnittlichen Rechnungszins in den Beständen der Versicherer wirkt, verdeutlicht die Grafik „Rechnungszins im Bestand“. Sie zeigt die Werte des Bestandsrechnungszinses vor und nach der Zinszusatzreserve (ZZR) im Zeitablauf – also wie er ohne Zinszusatzreserve aussehen würde und wie er sich durch die Zinszusatzreserve verändert hat.

Anhand der Linie des Bestandsrechnungszinses vor ZZR ist zu erkennen, dass die Bestandsrechnungszinsen im Laufe der Jahre sinken, allein durch den Effekt, dass die Altverträge mit den hohen Rechnungszinsen auslaufen. Je nachdem, wie viele Altverträge ein Versicherer hat, wie lange diese laufen und wie viel niedrig verzinstes Neugeschäft ein Versicherer schreibt, geschieht dies
unterschiedlich schnell.

In den letzten Jahren hätten die Bestandsrechnungszinsen von den meisten Versicherern ohne die Zinszusatzreserve deutlich über dem Referenzzins gelegen, der wiederum die Zinsentwicklung am Kapitalmarkt der letzten zehn Jahre widerspiegelt. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit der Zinszusatzreserve, betont Saal.

Der Wert der Bestandsrechnungszinsen nach ZZR zeigt, wie die Bestandsrechnungszinsen sinken, wenn man den Effekt der Zinszusatzreserve zusätzlich betrachtet. Die ZZR drückt die Bestandsrechnungszinsen unter den Referenzzins. Hierfür waren große Aufwendungen seitens der Versicherer notwendig.

Einige Gesellschaften konnten im Bilanzjahr 2021 die Rechnungszinsanforderung inklusive der Aufwände für die Zinszusatzreserve nicht ausschließlich aus den zuzuordnenden Kapitalanlagen stemmen, sondern mussten weitere Erträge – wie zum Beispiel aus dem Risikoergebnis – dafür verwenden.

Wenn zukünftig der Referenzzins aufgrund der steigenden Zinsen am Kapitalmarkt nicht weiter sinkt, sondern zunächst konstant bleibt, werden die Zuführungen zur Zinszusatzreserve deutlich kleiner ausfallen oder stellenweise sogar wegfallen oder umgekehrt Mittel aus der Zinszusatzreserve
frei werden, da der Effekt durch die wegfallenden Altverträge weiterhin besteht.

„Die Auswirkung der Entlastung bei der Zinszusatzreserve ist bei jedem Versicherer unterschiedlich, je nach Anteil der hohen Garantiezinsen im Bestand des Versicherers. In Summe werden die nach und nach auslaufenden Altverträge mit hohen Garantiezinsen für Entlastung sorgen und mehr Spielraum für eine höhere Überschussbeteiligung geben“, sagt Saal.

Die Situation der Versicherer in Bilanzkennzahlen

Ein Indikator, der Aufschluss über die finanziellen Puffer eines Unternehmens gibt, sind die Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen (RfB). Insgesamt ist die RfB-Quote im Marktschnitt in den letzten Jahren stetig gesunken. Auch unter den erhöhenden Gesellschaften gibt es einige mit
unterdurchschnittlicher RfB-Quote. Ein Blick in die Bewertungsreserven zeigt, dass sie 2021 noch genügend vorhanden waren.

Allerdings führt der Zinsanstieg 2022 vor allem in den festverzinslichen Anlagen zu stillen Lasten. Unter dem Strich werden die Bewertungsreserven deutlich zurückgehen. Dieser Rückgang ist zunächst nicht besorgniserregend, da auch die Aufwände für die Zinszusatzreserve zurückgehen werden oder es sogar bei einzelnen Versicherern bereits Rückflüsse aus der Zinszusatzreserve geben wird. Eine Realisation von Bewertungsreserven zur Finanzierung der Zinszusatzreserve wird in geringerem Maße notwendig sein.

Die Nettoverzinsung wird im Bilanzjahr 2022 im Schnitt geringer sein als im Vorjahr, da die Erträge aus der Realisation von Bewertungsreserven zur Finanzierung der Zinszusatzreserve geringer ausfallen. Dies ist im Hinblick auf die Überschussbeteiligung jedoch kein schlechtes Zeichen. Die gestiegenen
Zinsen wirken sich positiv auf die zukünftig laufenden Kapitalerträge aus und ermöglichen langfristig auch wieder höhere Überschussbeteiligungen.

Die Zeichen stehen gut

Wie früh die Versicherer mit der Deklaration wieder nach oben gehen, hängt laut Saal von vielen individuellen Faktoren ab, zum Beispiel von aktuellen Bilanzdaten wie der RfB, den Bewertungsreserven des Bilanzjahres 2022, der Struktur des Bestandes hinsichtlich Garantieverpflichtungen und somit von dem positiven Effekt durch die Entlastung bei der Zinszusatzreserve, der Struktur der Kapitalanlagen und natürlich von der Geschäftspolitik.

Ob der Versicherer also die zuletzt niedrigen Puffer in der RfB durch Rückflüsse aus der Zinszusatzreserve und aus höheren Erträgen zunächst auffüllt oder direkt die Kunden daran beteiligt, um die Attraktivität der Altersvorsorgeprodukte zu steigern, sei auch eine strategische Entscheidung und von außen nur teilweise bewertbar, so der Analyst weiter.

„Die Deklaration ist eine äußerst individuelle Entscheidung. Wir sehen, dass der Markt insgesamt stabil ist, und schätzen das Signal der Branche, die Versicherten kurzfristig an dem Aufwärtstrend partizipieren zu lassen, als sehr positiv ein“, zieht Saal das Fazit. „Ob es sich hierbei schon um eine Trendwende handelt, zeigt sich in den nächsten Jahren. Die Zeichen stehen aber gut.“

Weitere Artikel
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments