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Bleiben die Prämien von Kfz-Policen so hoch, Herr Zwack?

Thomas Zwack
Foto: Advyce & Company
Thomas Zwack

Cash.-Interview mit Dr. Thomas Zwack, Partner bei Advyce & Company, über steigende Kfz-Prämien und die Skepsis der Autofahrer gegenüber Telematik-Tarifen

Die Preise von Kfz-Policen steigen weiter. Laut dem aktuellen Kfz-Versicherungsindex des Vergleichsportals Verivox haben sich die Beiträge im Vergleich zum Vorjahr erneut deutlich verteuert. Im Marktdurchschnitt liegt der Anstieg bei 16 Prozent. Woran liegt das?

Zwack: Autofahren wird in Deutschland spürbar teurer – nicht nur an der Zapfsäule oder beim Neuwagenkauf, sondern auch bei Reparaturen und in der Kfz-Versicherung. Wer einen Blick hinter die Kulissen wirft, erkennt: Eine ganze Reihe von Entwicklungen treibt die Kosten für Versicherungen und damit die Prämien in die Höhe. Moderne Autos sind heute wahre Technikwunder. Was früher mechanisch funktionierte, wird inzwischen elektronisch gesteuert – durch Kameras, Sensoren oder Assistenzsysteme. Das macht Unfälle oft teurer. Schon ein kleiner Rempler kann komplizierte und kostspielige Reparaturen nach sich ziehen, etwa wenn ein Sensor in der Stoßstange beschädigt wird. Elektroautos sind da keine Ausnahme – im Gegenteil: Wegen ihrer speziellen Batterie- und Antriebstechnik steigen die Werkstattkosten oft noch stärker. Reparaturen erfordern nicht nur besondere Ersatzteile, sondern auch speziell geschulte Fachkräfte. Auch Ersatzteile sind spürbar teurer geworden. Besonders Originalteile der Hersteller schlagen zu Buche. Hinzu kommen Lieferschwierigkeiten. Doch nicht nur die Technik, auch die Gesundheit kostet mehr: Wenn bei einem Unfall Menschen verletzt werden, sind die Behandlungskosten heute deutlich höher als noch vor wenigen Jahren – sowohl in der Notfallversorgung als auch bei längeren Reha-Maßnahmen. Und dann ist da noch das Wetter: Stürme, Starkregen oder Hagel sorgen zunehmend für Schäden an Fahrzeugen. Die Zahl solcher Extremwetterereignisse nimmt zu. Das alles erklärt, warum viele Kfz-Versicherungen derzeit ihre Beiträge anpassen müssen.

Wird das so weitergehen oder sehen Sie Anhaltspunkte für eine Trendwende?

Zwack: Eine genaue Prognose ist schwierig, doch es gibt erste Hinweise, wie sich der Markt entwickeln könnte. Ein Hoffnungsträger dabei ist die Digitalisierung. Viele Versicherungsunternehmen setzen mittlerweile verstärkt auf moderne Technologien wie KI, Big Data und automatisierte Prozesse. Damit lassen sich Schäden schneller regulieren und Risiken genauer einschätzen – beides kann langfristig Kosten senken. Auch Kooperationen mit Technologiepartnern und Start-ups tragen dazu bei, effizienter zu arbeiten. Allerdings: Solche Umstellungen brauchen Zeit. Kurzfristige Einsparungen sind selten, und schnelle Lösungen gibt es nur wenige. Langfristig könnten Versicherer, die sich gut auf neue Herausforderungen wie den Klimawandel oder die zunehmende Zahl von Elektroautos einstellen, im Vorteil sein. Spezielle Versicherungstarife, die etwa Naturgefahren oder die Reparaturanforderungen von E-Autos gezielt berücksichtigen, könnten helfen, Verluste zu minimieren und Prämien attraktiver zu gestalten. Die Branche rechnet damit, dass sich der Kfz-Versicherungsmarkt in Deutschland in den kommenden zwei bis vier Jahren allmählich stabilisieren könnte.


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Erwarten Sie einen „Boost“ bei den Telematik-Tarifen, um die Versicherungsprämien zu senken?

Zwack: Telematik-Tarife, bei denen das Fahrverhalten über eine App oder ein Gerät im Auto aufgezeichnet wird, könnten genau das ermöglichen. Wer umsichtig fährt, soll mit niedrigeren Versicherungsprämien belohnt werden. Doch trotz dieser Idee, die längst nicht neu ist, hält sich der große Durchbruch in Deutschland bislang in Grenzen. Zwar kündigen immer mehr Versicherer an, solche Tarife künftig verstärkt anzubieten. Von einem echten Boom kann aber noch keine Rede sein. Der Grund: Viele Autofahrer stehen der ständigen Datenerhebung skeptisch gegenüber. Die Vorstellung, dass ein „digitaler Beifahrer“ jede Fahrt aufzeichnet und bewertet, ist für viele unangenehm – auch wenn das mit einem möglichen Preisvorteil einhergeht. Gerade in Deutschland ist das Bewusstsein für Datenschutz besonders ausgeprägt. Viele Verbraucher sorgen sich, dass ihre Fahrdaten irgendwann in die falschen Hände geraten könnten. Dabei könnte Telematik durchaus Vorteile bieten: Wer vorsichtig fährt, zahlt weniger – besonders in Zeiten steigender Versicherungskosten ein attraktiver Gedanke.

Die Allianz Österreich startet eine neue Kampagne für mehr Sicherheit im Straßenverkehr – mit Hilfe einer Spotify-In-App, die User dabei unterstützen soll, das Fahrtempo zu drosseln. Ein sinnvoller Ansatz, um Schadenfälle zu reduzieren?

Zwack: In einer aktuellen Kampagne arbeitet der österreichische Versicherer mit dem Musik-Streamingdienst Spotify zusammen, um vor allem junge Autofahrerinnen und -fahrer für ein verantwortungsbewussteres Verhalten am Steuer zu sensibilisieren. Die Idee dahinter: Eine App, die erkennt, ob man gerade fährt, und dann passende Musik vorschlägt, könnte hier mehr Wirkung zeigen als mahnende Plakatwände. Gerade für die sogenannte Generation Z und die heranwachsende Generation Alpha, also junge Menschen, die mit Smartphones und Musik-Apps aufgewachsen sind, ist das ein cleverer Ansatz. Natürlich bleibt abzuwarten, wie groß die tatsächliche Bereitschaft ist, sich beim Musikhören vom Streamingdienst „reinreden“ zu lassen. Viele dürften weiterhin lieber zur eigenen Playlist mit treibenden Beats greifen.

Die Fragen stellte Kim Brodtmann, Cash.

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