Guido Bader, Stuttgarter: „Wenn der Garantiezins hochgeht, wird Riester wieder eingeführt“

Dr. Guido Bader, Vorstandsvorsitzender Stuttgarter Lebensversicherung
Foto: Die Stuttgarter
Dr. Guido Bader, Vorstandsvorsitzender der Stuttgarter Lebensversicherung.

Generationenkapital, Rentenpaket II, die neue private Altersvorsorge und eine Anhebung des Höchstrechnungszinses. Der Vorstandsvorsitzende der Stuttgarter Lebensversicherung nutzte die Bilanzpressekonferenz des Konzerns für eine kritische Ausseinandersetzung mit Altersvorsorgepolitik der Bundesregierung. Auch zur Riester-Rente hat Guido Bader eine klare Meinung.

Die Deutsche Aktuarvereinigung hatte dem Bundesfinanzministerium im Dezember 2023 vorgeschlagen, den Höchstrechnungszins anzuheben. Die Entscheidung hierzu steht laut Bader immer noch aus. Dabei sei sie überfällig. „Das umzusetzen heißt, alle Tarife neu zu kalkulieren. Passiert ist noch nicht. Wir warten als Unternehmen händeringend auf die Entscheidung des Finanzministeriums.“ Grund sei, dass die Unternehmen hier einen Vorlauf benötigen.

Weil das immer noch ausstehe, hätten viele Unternehmen bereits mit der Neukalkulation begonnen. „Aus der schieren Not, weil sonst die Zeit nicht reichen würde“, so Bader. Bliebe die Entscheidung aus, sei das mehr als ärgerlich. „Durch das Zögern werden Kundengelder verblasen, denn die Unternehmen können gar nicht anders, als schon zu daran zu arbeiten. Mein dringender Appell ist, dass wir bis Ende April Klarheit brauchen.“ Ob das Bundesfinanzministerium hier eine Entscheidung treffe, ist laut Bader längst nicht ausgemacht. Auch das nichts passiere, sei ein Option. „Keine Variante ist gesetzt“, sagt Bader.


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Bader, Vorstandsvorsitzender der Stuttgarter Lebensversicherung, Aktuar und ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Deutschen Akturvereinigung hält die Anhebung allerdings für mehr als angemessen. Nach den Erhöhungen seit 2022 hätten die Märkte Anfang des Jahres von der FED und der EZB sechs, sieben Zinskorrekturschritte erwartet. Inzwischen liegen wir bei zwei bis drei, so Bader. Das Anheben des Höchstrechnungszinses hätte nach Aussagen des Versicherungsmathematikers spürbare Konsequenzen für den Lebensversicherungsmarkt.

„Das ist von Vermittlerseite sehr gewünscht“

„Wenn das Bundesfinanzministerium den Höchstrechnungszins anhebt, dann wird Riester wiederbelebt werden“, zeigte sich Bader bei der Vorstellung der Bilanzkennziffern der Stuttgarter Lebensversicherung überzeugt. „Das ist meine These“. Vielleicht sei das auch der Grund, warum das Finanzministerium sich mit einer Entscheidung zur Anhebung des Höchstrechnungszinses derzeit so schwer tue. „Wir bekämen dann in jedem Fall Riester zurück“, sagt Bader. Denn auf der anderen Seite arbeitet das gleiche Finanzministerium an einer Reform der privaten Altersvorsorge. Und eben auch an einem Ersatzprodukt für die so ungeliebte und harsch kritisierte Riester-Rente.

Eine Rückkehr der Riester-Rente sieht Bader jedenfalls sehr positiv. „Und ich glaube, dass ist auch von Vermittlerseite gewünscht“. Wünschenswert wäre eine Reform, die die ganze Verwaltung und Steuerung der Zulagen vereinfacht. „Der Gerechtigkeitswahn unserer Bunderegierung führt zu Komplexität und zu einem Bürokratieaufbau, der nicht mehr handhabbar ist. Man muss es vereinfachen“, fordert Bader. Riester sei nicht böse. „Es ist ein gutes Produkt.“

Und wenn es halbwegs fair kalkuliert, sei es ein schönes Einstiegsprodukt und gerade für Familien hervorragend geeignet. Die einzelnen Kostenexzesse, gegen die BaFin derzeit vorgehe, beträfen nicht den Markt generell, sondern seien individuell zu greifen. „Wenn der Garantiezins hochgeht, wird Riester wieder eingeführt. Das ist meine These“, betont Bader. Auch wenn das Produkt von der Verwaltung her komplexer ist.

Beitragssenkungen zwischen 5 bis 7 Prozent bei der BU

Für die Biometrieprodukte bedeutet das Zinsanstieg, dass die Beiträge etwa für Berufsunfähigkeitsversicherungen sinken müssten. „Wenn man in der Ansparphase mit höheren Zinsen kalkulieren kann, wird das Produkt günstiger.“ Bei einen 25- oder 35-jährigen mit langer Laufzeit erwartet der Aktuar ein Preisrückgang zwischen fünf bis sieben Prozent. „Die Frage ist, ob die Unternehmen diese Zinsvergünstig auch 1:1 an die Kunden weitergeben?“, fragte Bader die zugeschalteten Pressevertreter.

Als die Zinsen sanken, hätten die Unternehmen kundenfreundlich gehandelt und die Beiträgserhöhungen nicht weitergegeben. Jetzt wird es spannend. „Werden die Unternehmen die Reduzierungen weitergeben oder ihre Profitabilität stärken. Und was ist, wenn ein Kunde 2024 abschließt. Kann der 2025 in den neuen Tarif wechseln oder wartet er ab?“. „Wir werden günstiger BU-Produkte sehen, zeigt sich der Versicherungsvorstand überzeugt. Bei der Fondsgebundenen Produkten spiele der steigende Höchstrechnungszins hingegen erst in der Rentenphase eine Rolle. „Die garantierten Rentenfaktoren dürften steigen“, so Bader. Wenn man bei Hybridprodukte mit einer höheren Garantie im Rechenwerk arbeite, gehe mehr in die Fonds und weniger in die Klassik.

Absolut zufrieden mit dem Geschäftsjahr 2023

Mit dem Geschäftsjahr 2023 zeigt Bader angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen absolut zufrieden. „Wir haben ein ganz kleines Wachstum von 1,8 Prozent in den gebuchten Beiträgen.“ Dazu, dass man zu über 83 Prozent ein Lebensversicherer sei, sei das durchaus beachtlich. Denn der Lebensversicherungsmarkt habe 2023 einen Rückgang von rund fünf Prozent hinnehmen müssen. Und auch die Zahlen der Unfallsparte, zweites Standbein der Versicherungsgruppe, sind laut Bader angesichts einer Schaden-Kostenquote von 87,5 Prozent in 2023, überzeugend.

Wachstumstreiber in den vergangenen Jahren war nach Angaben von Bader die laufenden Beiträge. Sie sind nach Bader’s Aussage das Kraftwerk und stiegen von 577,7 Millionen Euro in 2022 auf 591 Millionen Euro in 2023. Von 2011 bis 2023 hat die Versicherungsgruppe die gebuchten Bruttobeiträge insgesamt um 40 Prozent steigern können. „Wir sind kein Einmalbeitragsklopper. Die laufenden Beiträge sind unser Kraftwerk“, betonte Bader. Die Einmalbeiträge von 68 Millionen Euro in 2022 auf nun 55,6 Millionen Euro.

Das Wachstum kommt laut Baader aus dem Neugeschäft. Man messe das Wachstum immer noch nach dem Altbegriff der Beitragssumme, weil APE, wo Einmalbeitrag und laufenden Beiträge vermischt seien, weniger aussagekräftig seien. Die Beitragssumme stieg laut Bader auf zwei Milliarden Euro. Die bAV sei inzwischen ein ganz wichtiges Geschäftsfeld. Immerhin ein Drittel des Wachstums kommt bei der Stuttgarter inzwischen aus dem Segment. Dort seien die Firmen inzwischen sehr nachhaltig unterwegs. 53 Prozent der Firmen würden auf die nachhaltige bAV-Variante setzen, so Bader. Die Beitragssumme hier bezifferte Bader auf rund 350 Millionen Euro. Hierfür investiert die Stuttgarter in Artikel 8-Fonds. Die Arbeitgeber wollen nachhaltig sein und ihren Mitarbeitern anbieten, so Bader. Die nachhaltigen Fonds seien etwas teurer als herkömmliche. Man biete aber auch grüne ETFs an. Die seien nur 20 oder 30 Basispunkte teuer und von der Rendite her vergleichbar. Gleichwohl bestätigte er, dass der Anfangshype vorbei sei.

Zinsanstieg: Die BaFin lässt Solvenzquoten neu berechen

Das Eigenkapital liegt nach Angaben des Vorstandsvorsitzenden inzwischen bei rund 200 Millionen Euro, die Eigenkapitalquote bei 3,5 Prozent. Die Solvency II-Quote ohne Übergangsmaßnahmen bezifferte der Vorstandsvorsitzende auf 492, 3 Prozent. Derzeit lasse die BaFin uf Basis des höheren Zinsniveaus die Solvenzquoten neu berechnen, so Bader. Die neuen Quoten seien dann deutlich geringer. Allerdings habe die BaFin noch nicht abschließend entschieden, ob sie die Neuberechnung auch offiziell anordnen wird. „Falls ja, werden die neuen Quoten einen deutlichen Sprung nach unten machen“, sagt Bader. Das sei kein Zeichen von Schwäche, sondern ein Zeichen, dass die Hilfsmaßnahmen nun auch nicht mehr benötigt würden.

Zu hoch seien die derzeitigen Solvenzquoten allerdings nicht. Als Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit dürfe man nicht zu knapp mit dem Eigenkapital kalkulieren. „Aber man darf nicht vergessen, dass bei zwei oder drei Leitzinssenkungen die Quote auch wieder schnell unter 200 Prozent. Unter 200 Prozent fange ich an, mich sehr unwohl zu fühlen. Deswegen ist eine Quote von knapp 500 Prozent in Ordnung“, sagte Bader.

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