Vertriebsrecht: Böses Erwachen beim Vertrieb von Anlageimmobilien

Last but not least ändert sich auch die Vertriebslandschaft im Bereich des Immobilienerwerbs zur Anlagezwecken. Banken, Allfinanz-Anbieter und Vertriebe mit umfassenden Produkt-Portfolio beziehen in Zeiten magerer Renditen bei herkömmlichen Anlagen mit halbwegs hinreichender Sicherheit gerade im Segment der gehobenen Privatkunden immer mehr auch den unmittelbaren Immobilienerwerb als einen Anlagebaustein mit ein.

Alles aus einer Hand

Dabei soll es den Kunden natürlich entgegenkommen, wenn auch insoweit alles aus einer Hand geliefert wird – und aus der Sicht des Finanzdienstleisters natürlich auch die entsprechende Vermittlungsprovision im eigenen Haus oder bei einer Tochtergesellschaft landet. Dies ist auch durchaus in Ordnung und kann für beide Seiten vorteilhaft sein.

Wer aber den Kunden möglicherweise schon bisher umfassend in Anlagefragen betreut hat oder mit diesem Anspruch Neukunden gewinnt, wird sich kaum auf die Funktion des „reinen Immobilienmaklers“ zurückziehen können, wenn das Ergebnis seiner Betreuung die Empfehlung zu einem Immobilienerwerb ist.

Er beansprucht gegenüber dem Kunden die Stellung als umfassender Berater in Anlagefragen und muss dann auch diesen Anspruch im Hinblick auf die Darstellung der vertraglichen Konzeption, der objekt-, anbieter- und marktbezogenen Risiken und die prognostizierte Entwicklung ebenso wie bei anderen Anlageformen einlösen.

Wettbewerbsvorteil für qualifizierte Finanzintermediäre

Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofes vom 23. Juni 2016 (AZ: III ZR 308/15) stellt ausdrücklich klar, dass die Grundanforderungen bei allen Kapitalanlage-Produkten für den Berater ähnlich sind.

Hier liegt zugleich die Chance und letztlich auch der Wettbewerbsvorteil für qualifizierte Finanzintermediäre – hin zu einem geschlossenen Beratungskonzept mit einheitlichen Prozessen, statt dem manchmal ängstlichen Beharren auf Insellösungen für einzelne Produkte, bei denen die gesetzgeberischen Präventivanforderungen (noch) scheinbar „Prospekt light“ zulassen.

Wer diese Entwicklung allerdings verschläft, könnte ein böses Erwachen haben; etwa dann, wenn der Kunde mit der Entscheidung für eine bestimmte Anlageimmobilie in einigen Jahren – aus welchen Gründen auch immer – unzufrieden ist und im Nachhinein einen Schuldigen sucht.

Professor Dr. Thomas Zacher ist Partner der Kanzlei Zacher & Partner Rechtsanwälte in Köln und Professor an der FHDW Bergisch Gladbach.

Foto: Shutterstock

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