Berenberg gibt Entwarnung vor Trump

An den europäischen Börsen waren viele Anleger durch den Trump-Sieg verunsichert. Berenberg hält diese Sorgen aber für übertrieben.

Boris Jurczyk sieht durch die Trump-Wahl kaum Gefahren für den europäischen Aktienmarkt.
Boris Jurczyk sieht durch die Trump-Wahl kaum Gefahren für den europäischen Aktienmarkt.

Zu dieser Einschätzung gelangt Boris Jurczyk, Manager des Euroland-Aktienfonds Berenberg European Equity Selection. Nach seiner Auffassung könnten gerade die europäischen Börsen 2017 positiv überraschen. Für eine Aufholjagd dort sprächen der feste US-Dollar, der Konjunkturaufschwung, die attraktive Bewertung und insbesondere die negative Stimmung gegenüber Euroland-Aktien.

Die europäischen Aktienmärkte haben 2016 gleich mehrere Dämpfer erhalten. Nach den Konjunkturängsten zu Jahresbeginn belasteten im Sommer das Brexit-Votum, die Sorge um die Stabilität von Banken und zuletzt der mit harten Bandagen geführte US-Wahlkampf. Anleger waren in Europa bereits unterinvestiert, bevor mit Donald Trump der Angstkandidat der Börsianer die Präsidentschaftswahl gewann. Das für diesen Fall erwartete weltweite Börsenbeben blieb jedoch aus. Überraschenderweise kletterten Aktiennotierungen und US-Dollar sogar, weil der siegreiche Republikaner unmittelbar nach der Wahl moderatere Töne anschlug und seine vorherigen Aussagen abschwächte.

Gestiegene Zinsen verkraftbar

Der designierte US-Präsident bekannte sich allerdings zu Steuersenkungen und will massiv in die Infrastruktur investieren. Angesichts dieser Perspektiven zogen die Anleiherenditen an. Boris Jurczyk bereitet dies wenig Kopfzerbrechen. „Das Zinsniveau sollte auf absehbare Zeit auf einem niedrigen Niveau bleiben.“ Die Attraktivität von Dividendentiteln hält der Manager erst für gefährdet, wenn die Anleiherenditen mit den Ausschüttungen der Unternehmen mithalten könnten. Davon sei der Rentenmarkt aber auch in der jetzigen Situation weit entfernt.
Jurczyk sieht grundsätzlichen Aufholbedarf bei europäischen Aktien. So betrage das Kurs-Gewinn-Verhältnis für 2017 im Euro Stoxx 50 rund 14, während es im Standard and Poor´s 500 bei etwa 18 liege. „Sollte sich das Sentiment wieder zum Positiven kehren, ist mit erheblichen Mittelzuflüssen in die Euroland-Aktienmärkte zu rechnen.“ Der Manager hält allerdings wenig davon, in den Markt als Ganzes zu investieren. Als Bottom-up-Investor verfolgt er vielmehr die Strategie, chancenreiche Einzeltitel auszuwählen. Diese sollten möglichst wenig schwanken, attraktive Bewertungen aufweisen und einen stabilen Aufwärtstrend aufweisen.

Favoritenwechsel nach US-Wahl 

Momentan beobachtet Jurczyk eine Sektorrotation, unter der Aktien mit geringer Schwankungsintensität überdurchschnittlich litten. Unter anderem wegen des erfolgten Zinsanstiegs im Zuge der Trump-Wahl trennten sich Investoren von hoch bewerteten Technologie- und Medienaktien. Einen Freudenhüpfer vollführten dagegen neben Pharma-Aktien die teils hochvolatilen Banken- und Energietitel.
„Ein Trump macht allerdings noch keinen Trend“, gibt der Portfoliomanager zu bedenken. Jurczyk erliegt daher nicht der Versuchung, die eigene Handelsstrategie an politisch induzierten Kursausschlägen auszurichten. „Vorschnelles Handeln ist ein schlechter Ratgeber. Denn es liegt nach wie vor im Dunklen, welche Pläne der künftige US-Präsident tatsächlich verfolgt, und wieviel er davon durchsetzen kann.“ Schwer vorhersehbar sind auch die Auswirkungen künftiger politischer Großereignisse. So könnten 2017 Parlamentswahlen in mehreren europäischen Staaten für Kurs-schwankungen sorgen. Der Portfoliomanager will aber auch hier seinem Prinzip treu bleiben, die eigene Strategie ausschließlich an die vorhandenen überprüfbaren Daten und Fakten anzulehnen.

In seinem Euroland-Fonds wartet Jurczyk grundsätzlich ab, bis sich politische oder wirtschaftliche Rahmenbedingungen manifestieren und tatsächlich in den Gewinnschätzungen der einzelnen Firmen niederschlagen. Auch die technischen Indikatoren sollten eine Aufwärtsbewegung signalisieren. „Ist ein Trend nachhaltig, sehen wir uns ein Unternehmen genauer an.“ Auf diese Weise kann der Portfoliomanager chancenreiche Unternehmen identifizieren, die der Markt momentan ganz besonders schätzt.

Mit diesem aktiven Stil bringt sich der Europa-Experte auch gegen Faktor-Investing-Produkte in Stellung. Diese definieren ebenfalls Kennziffern besonders erfolgreicher Aktien und Märkte. Favorisieren die Investoren später andere Segmente oder andere Kennziffern, geraten diese passiven Strategien jedoch zwangsläufig ins Hintertreffen.

Konsum und Industrie als Favoriten

Jurczyks Berenberg European Equity Selection Fonds investiert in ein stark konzentriertes Portfolio aus circa 25 Einzeltiteln. Aus Bewertungsgründen reduzierte der Manager unlängst den Anteil von Technologieunternehmen; Aktien der Nahrungsmittelbranche waren aus denselben Gründen bereits zuvor untergewichtet. Neu ins Portfolio gelangte im Gegenzug  die französische Bouygues. Der Bau- und Telekomkonzern sollte von wachsenden Infrastruktur-Ausgaben auch in Europa profitieren.

Sektorbezogen sieht Jurczyk Industrie- und Konsumtitel im Aufwind. Sein Euroland-Aktienfonds hält unter anderem Aktien von Kering, der Muttergesellschaft der bekannten Modemarken Gucci und Puma. Vom europäischen Bankensektor, der in den vergangenen Wochen einen Rebound erlebte, will sich der Manager dagegen auch weiterhin fernhalten: „Die hohe Volatilität dieser Aktien passt einfach nicht zu unserer Fondsausrichtung.“ Damit bleibt der Manager seinem Grundsatz treu, schwankungsarmen Qualitätstiteln den eindeutigen Vorzug zu geben, was Rückschläge in Abwärtsphasen dämpft.  (tr)

Foto: Berenberg Bank

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