Drei Gründe für die anhaltend niedrige Inflation

Die Wirtschaft des Euroraums wächst und dennoch steigt die Inflationsrate nicht merklich. Dieser Trend wird sich aus drei Gründen in den nächsten Jahren fortsetzen. Bedeutend ist vor allem die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt.

Andrew Wilson
Andrew Wilson: „Der wirtschaftliche Aufschwung im Euroraum kühlt sich ab, nachdem das Wachstum im vergangenen Jahr noch auf dem höchsten Niveau seit der europäischen Staatsschuldenkrise lag.“

Die Wirtschaft des Euroraums wächst weiter, aber verhalten. Der Inflationsdruck bleibt gering. „Unsere inflations- und geldpolitischen Aussichten sind moderat, im Vergleich zum Konsens oder dem Ausblick der Europäischen Zentralbank„, sagt Andrew Wilson, CEO für EMEA und Co-Head des Global Fixed Income und Liquidity Management Teams bei Goldman Sachs Asset Management.

„Der wirtschaftliche Aufschwung im Euroraum kühlt sich ab, nachdem das Wachstum im vergangenen Jahr noch auf dem höchsten Niveau seit der europäischen Staatsschuldenkrise lag.“

Die Arbeitslosigkeit sei mit 8,6 Prozent 2017 auf den niedrigsten Stand seit 2008 gesunken und der Einkaufsmanagerindex (PMI) habe mit 60,6 ein Allzeithoch erreicht. Doch die Inflation sei niedrig geblieben, die Gesamtinflation habe in den letzten zehn Jahren im Schnitt bei 1,4 Prozent gelegen, die Kerninflation bei 1,2 Prozent.

Goldman Sachs rechnet damit, dass der Trend zur niedrigen Inflation aufgrund von drei zyklischen und strukturellen Faktoren anhalte.

Anhaltende Flaute auf dem Arbeitsmarkt

Die Arbeitslosigkeit liegt laut Wilson über dem Vorkrisenniveau, die Arbeitszeiten darunter. Die Jugendarbeitslosigkeit liege in mehreren Peripherie-Ländern bei über 30 Prozent und der Anteil der Teilzeitbeschäftigten in der Eurozone bei über 22 Prozent. Das spreche nicht für steigende Löhne.

„Eine gemäßigte wirtschaftliche Aktivität könnte zusammen mit der Währungsstärke des vergangenen Jahres die ohnehin schon schwache Lohn- und Preisinflation weiter begünstigen“, so Wilson.

Steigende Arbeitsmigration

Doch selbst wenn die Arbeitslosigkeit sinke, bedeute das nicht zwingend, dass dadurch die Löhne steigen. So sinke die deutsche Arbeitslosenquote seit 2005 kontinuierlich, mit kurzer Unterbrechung während der Finanzkrise. Doch die Löhne seien nicht entsprechend gestiegen.

„Dies ist auf Arbeitsmigration aus Nachbarländern zurückzuführen, in denen die Löhne niedriger sind als in Deutschland. Indem Arbeitgeber Mitarbeiter aus diesen Ländern einstellen, können sie ihre Belegschaft und Produktion ausweiten, ohne die Löhne anzuheben“, sagt Wilson.

„Die angestellten Arbeitnehmer akzeptieren moderate Lohnzuwächse zugunsten eines sicheren Arbeitsplatzes. Die demografische Entwicklung, die prinzipiell für Arbeitsmigration spricht, könnte diese Dynamik noch einige Zeit stützen.“

Technologische Disruption

Neben den Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt bremse auch der technologische Fortschritt die Inflation.

Andrew Wilson sagt dazu: „Der e-Commerce-Anteil am gesamten Einzelhandelsumsatz liegt in Italien nur bei 3,2 Prozent gegenüber neun Prozent in den USA und 19 Prozent im Vereinigten Königreich. Da immer mehr Transaktionen über das Internet abgewickelt werden und der e-Commerce-Sektor zulegt, wird dies die zugrunde liegende Inflationsdynamik branchenübergreifend verändern. Gleichzeitig dürfte die zunehmende Automatisierung die Löhne in bestimmten Sektoren unter Druck setzen.“

Foto: Goldman Sachs

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