LV-Wiederanlage: Den Milliarden-Markt knacken

Mehr als 90 Millionen Lebensversicherungsverträge gibt es in Deutschland. Viele Kunden werden demnächst in das klassische Auszahlungsalter „55 plus“ kommen. Die Assekuranz verliert dadurch viel Geld – das muss nicht sein.

Wiederanlage: Detlef Schmidt
Detlef Schmidt vermisst eine strategische und operationale Fokussierung auf Seiten der Anbieter – das ist schlecht für die Wiederanlagequote.

Anders als in früheren Jahren, als die Lebensversicherung zum Standard einer jeden Altersvorsorge gehörte, warnen mittlerweile Verbraucherschützer von der einen und sogar der Chef einer bekannten Versicherung von der anderen Seite öffentlich davor, dass sich Lebensversicherungen nicht mehr lohnen. Die verunsicherten Kunden sehen sich zunehmend nach Alternativen um.

Das Neugeschäft liegt am Boden – und gleichzeitig verlieren die Lebensversicherer immer noch jährlich Milliarden Euro aus ablaufenden Lebensversicherungen an den Wettbewerb. Schließlich gehen mit jeder ablaufenden Lebensversicherung den Unternehmen viel Kapital und in der Regel – mit Ausnahme beim Einmalbetrag – auch entsprechende Jahresprämien verloren. Doch immer noch ist das Wiederanlagemanagement von ausbezahlten Lebensversicherungen ein Stiefkind der Versicherer.

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Auszahlungen übersteigen schon lange das Neugeschäft

Die umfassenden Studien der Unternehmensberatung SMC Schmidt Management Consulting zum Wiederanlagemanagement in Deutschland, Österreich und der Schweiz, seit 2003 alle zwei Jahre veröffentlicht, zeigen regelmäßig: Nur in Ausnahmefällen gelingt es den Versicherern, einen Großteil des abfließenden Kapitals im Unternehmen zu halten respektive wiederzugewinnen.

Schon heute übersteigen die Auszahlungen für Ablauf und Erleben die Einnahmen aus dem Neugeschäft bei Weitem – ein enormer Kapitalabfluss. Und wir reden hier nicht von den berühmten „Peanuts“, sondern von einem wachsenden Milliardenmarkt.

Die Summe der ausgezahlten Leistungen stieg von stabil je rund 72 Milliarden Euro in den Jahren 2008, 2009 und 2010 auf 85 Milliarden Euro im Jahr 2011, weist die Jahresstatistik 2012 des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) aus.

Auch wenn sich die Auszahlungssumme 2011 aufgrund des Abschlussbooms der „12-Jährigen“ in 1999 als Ausreißer nach oben präsentieren dürfte, in den kommenden Jahren werden sehr viele Kunden das typische Auszahlungsalter erreichen, das im Gros zwischen 55 und 65 Jahren liegt. The golden age of silver surfer!

Wiederanlagequote steigt nur langsam

Warum aber gelingt es den Versicherungsunternehmen noch immer nur schlecht, dieses Kapital in der Wiederanlage in ihrem Haus zu halten? Natürlich haben einige Kunden das Geld schlicht schon im Voraus verplant, um eine größere Anschaffung zu tätigen, sich einen Lebenstraum zu erfüllen, um Kredite zu tilgen.

Unseren Studien zufolge aber werden durchschnittlich über 40 Prozent der jährlich aus Lebensversicherungen ausbezahlten Gelder wieder angelegt. Nur eben zu großen Teilen bei der Hausbank oder Fondsgesellschaften, die – und das ist ein weiterer Grund –, teils über attraktivere kurzlaufende Produkte verfügen.

Weitere Gründe: mangelnde Professionalisierung der Kundenkommunikation und mangelnde strategische und operationale Fokussierung auf Seiten der Anbieter. So steigt die Wiederanlagequote nur langsam an. Immerhin liegt sie – nach langen Durststrecken – im Jahr 2011 bei einem Drittel der befragten Unternehmen bei zehn bis 15 Prozent und bei knapp 30 Prozent sogar darüber.

Seite zwei: Wiederanlage: Professionalisierung nötig

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