Vertriebswege: Ist eine Gleichbehandlung zeitgemäß?

Vor einigen Wochen hat der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) das Internetvergleichsportal Check24 abgemahnt. Er fordert die Gleichbehandlung aller Vertriebswege am Markt inklusive der Internetportale. Allerdings stellt sich die Frage, ob diese Forderung überhaupt noch zeitgemäß ist.
Gastbeitrag von Gerd Kemnitz, Versicherungsmakler

Richtig gute Beratungsgespräche kommen erfahrungsgemäß dann zustande, wenn der Interessent bereits vorinformiert ist. Ein guter Berater kann seinen informierten Mandanten problemlos von seiner Fachkompetenz überzeugen und muss deshalb kein informatives Online-Portal fürchten.

Zu einer Gleichbehandlung zählen nach Angaben des BVK die deutliche Übermittlung der Statusinformation beim ersten Geschäftskontakt, die Durchführung einer individuellen Leistungs- und Bedarfsanalyse zur Identifizierung des Kundenwunsches sowie eine umfassende individuelle Beratungsdokumentation.

Versicherungsvertragsgesetz unterscheidet bei Vertriebswegen

Für Versicherungsvertreter und -makler sind die Beratungs- und Dokumentationspflichten im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) klar geregelt. Und obwohl bei diesen Versicherungsvermittlern der persönliche Kundenkontakt und die persönliche Beratung typisch ist, hat der Gesetzgeber Ausnahmen zugelassen, falls der Kunde keine Beratung wünscht.

Direktversicherer sind von der Beratungs- und Dokumentationspflicht grundsätzlich befreit. Dies wurde bei der Gesetzgebung damit begründet, „dass diese die Beratungspflichten praktisch nicht erfüllen können. Zudem wisse ein Versicherungsnehmer, der sich an einen Direktversicherer wendet, dass er von diesem nur eine Beratung erhalte, wenn er entsprechende Anfragen mache.“ (Quelle: Düsseldorfer Vorträge zum Versicherungsrecht 2009: Beratungspflichten für Versicherungsvermittler).

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Aber diese Gründe gelten in gleichem Maße auch für versicherungsvermittelnde Online-Portale. Im Gegensatz zum Direktversicherer findet der Nutzer hier meist noch eine wesentlich größere Tarifauswahl vor. Und da solche Online-Portale im gesamten VVG nicht aufgeführt sind, vermuten einige Juristen, dass diese vom Gesetzgeber lediglich übersehen wurden. So wäre eine ungewollte Gesetzeslücke entstanden, welche durch eine Analogie zu schließen wäre.

Gute Berater müssen den Online-Vergleich nicht fürchten

Natürlich besteht beim Onlineabschluss einer Versicherung immer die Gefahr, dass der Antragsteller wichtige Punkte in den Versicherungsbedingungen übersehen hat und einen Tarif wählt, der sein Risiko nicht optimal absichert. Deswegen wäre es für die meisten Verbraucher durchaus wichtig, sich vor dem Abschluss einer wichtigen Versicherung individuell beraten zu lassen.

Aber kein Verbraucher wird selbstständig im Internet nach Versicherungen recherchieren und diese online abschließen, wenn er seinen Versicherungsvermittler für kompetent hält und mit dessen Beratungen zufrieden war.

Seite zwei: Wettbewerb verzerrt

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