„Versicherer verkennen wettbewerbstechnisches Potenzial von Solvency II“

Das EU-Aufsichtsregime Solvency II stellt Versicherer vor große Herausforderungen. Die Leiter des Versicherungsgeschäfts des US-Vermögensverwalters Blackrock für die EMEA-Region, Patrick Liedtke, sowie für Deutschland, Marcus Severin, sprechen über die Handlungsoptionen für eine Branche in unruhigen Zeiten.

Marcus Severin (links) und Patrick Liedtke.

Cash.: In diesem Jahr ist die deutsche Versicherungswirtschaft mit vielen elementaren Herausforderungen konfrontiert – allen voran mit der Umsetzung des neuen EU-Aufsichtsregimes Solvency II. Wie unangenehm sind Herausforderungen wie diese für eine Branche, die es eigentlich immer gewohnt war, in sich zu ruhen und Veränderungen nur schrittweise vornehmen zu müssen?

Liedtke: Ich arbeite schon seit über 20 Jahren in der Versicherungswirtschaft und hatte bisher immer den Eindruck, es war eher aufregend, als dass die Assekuranz „in sich zu ruhen“ schien: Man denke nur an die Attacke auf das World Trade Center, das Platzen der dot.com- Blase, die Hurrikanes „Rita“ und „Katrina“, die Finanzkrise, Erdbeben und Tsunami in Japan, Euro-Staatskrise und so weiter. Allerdings ist es richtig, dass aktuell mehrere fundamentale Herausforderungen auf die Versicherer zukommen beziehungsweise diese bereits erfasst haben – mit spürbaren Folgen. Dazu gehören neben regulatorischen Veränderungen wie Solvency II das aktuelle und weiter anhaltende Niedrigzinsumfeld, erhöhte Volatilität und angespannte Liquidität in den globalen Fixed-Income-Märkten sowie verhaltenes Wachstum mit anhaltendem Kostendruck. Dies verstärkt die Notwendigkeit einer Steigerung der Kosteneffizienz entlang der kompletten Wertschöpfungskette der Versicherer.

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Konkret bedeutet dies: Anpassung der Geschäftsstrategie an ein schwierigeres makroökonomisches und komplexeres regulatorisches Umfeld, Umsetzung eines umfassenden und effizienten Risikomanagements, ergebnisorientiertes, effizientes Investieren sowie eine Optimierung der Produkte und Prozesse aufseiten der Versicherungsbranche.

Die Versicherer haben Zeit bis Mai 2016, um eine erste Bilanz nach den neuen Aufsichtsregeln aufzustellen, veröffentlichen müssen sie diese aber erst nach 2016. Wie gut liegen die Versicherer im Zeitplan?

Severin: Grundsätzlich stellen wir fest, dass die deutsche Versicherungsindustrie sich mittlerweile gut auf die neuen regulatorischen Anforderungen eingestellt hat. Dabei liegen insbesondere die Säulen I und II im Plan. Bezüglich Säule III gibt es gewiss noch weiteren Optimierungsbedarf, was aber auch daher rührt, dass gewisse Fragestellungen und Anforderungen noch offen beziehungsweise nicht final geklärt sind. Allerdings haben die meisten Unternehmen noch nicht das volle Potenzial erkannt, das Solvency II unter wettbewerbstechnischen Aspekten eröffnet.

Seite zwei: „Kapitalstarke Versicherer werden mittelfristig gewisse Vorteile haben“

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