Ifo-Ökonom: „Die Inflation wird sich 2024 bei 2,2 Prozent einpendeln“

Muenzenstapel aufsteigend mit einer Hand die einen roten Pfeil zeigt, der nach oben zeigt
Foto: PantherMedia / Andriy Popov
Die Teuerung hat im Verlauf des vergangenen Jahres zunehmend an Breite gewonnen und verharrt seit einigen Monaten auf historischen Höchstständen.

Das Ifo-Institut geht davon aus, dass der Höhepunkt der Inflation bereits erreicht wurde. Allerdings dürften die Verbraucherpreise nur langsam sinken.

Die deutsche Wirtschaft schrumpft seit Ende vergangenen Jahres, nachdem sie sich bis in den Spätsommer hinein noch recht kräftig erholte. Zwar verlieren die Angebotsschocks, die die Produktionskapazitäten als Folge der Corona- und Energiekrise spürbar einschränkten, allmählich an Bedeutung. Allerdings schwächt sich seit dem Herbst zunehmend die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen ab. Zum einen dämpft die verhaltene Entwicklung der globalen Konjunktur das deutsche Exportgeschäft. Zum anderen belasten die hohen Inflationsraten die Konsum- und Baukonjunktur durch eine sinkende Kaufkraft und erheblich gestiegene Finanzierungskosten.

Die Teuerung hat im Verlauf des vergangenen Jahres zunehmend an Breite gewonnen und verharrt seit einigen Monaten auf historischen Höchstständen. Während sich der direkte Beitrag der Energiepreise seit dem Herbst allmählich abschwächt, hat die Inflation bei allen anderen Waren und Dienstleistungen kontinuierlich zugenommen und im Februar 7,6 Prozent erreicht. Neben den gestiegenen Produktionskosten, die von den Unternehmen an die Verbraucher weitergegeben wurden, trugen dazu auch eine spürbare Ausweitung der Gewinnmargen in einigen, insbesondere konsumnahen Wirtschaftsbereichen bei.

Prognose der deutschen Wirtschaft

Der Höhepunkt der Inflationswelle dürfte mittlerweile erreicht sein. Insbesondere ist von den Energiepreisen im Verlauf der kommenden Monate kein weiterer Schub mehr zu erwarten. Die Beschaffungspreise für Strom und Gas sind seit dem Spätsommer des vergangenen Jahres spürbar gesunken und seit Januar wirken die staatlichen Preisbremsen. Dies entlastet zunächst vor allem die Unternehmen, deren Energiekosten von den Marktpreisen bestimmt werden. Im Verarbeitenden Gewerbe sind daher den ifo Konjunkturumfragen zufolge in den kommenden Monaten spürbar weniger Preisanhebungen geplant, so dass sich der Anstieg der Erzeugerpreise weiter verlangsamen dürfte. Ein merklicher Rückgang beim Verbraucherpreisanstieg wird jedoch noch etwas auf sich warten lassen, da die Energieversorger die gesunkenen Beschaffungskosten erst mit Verzögerung an ihre Abnehmer weitergeben. 

Für die privaten Haushalte werden daher die Energiepreise erst frühestens ab Ende 2023 unter ihren Vorjahreswert sinken. Ähnliches gilt für die Betriebe in konsumnahen Wirtschaftsbereichen, die ihre Energie auch überwiegend von den Versorgungsunternehmen beziehen. Der Preisdruck von Seiten der Lohnkosten wird zunehmen, da im Laufe dieses Jahres mit spürbaren Anstiegen der Tarifverdienste zu rechnen ist.

Inflationsrate wird sinken

Insgesamt dürfte daher vor allem die Kerninflationsrate (also der Anstieg der Verbraucherpreise ohne Energie) im weiteren Verlauf nur langsam sinken und im Jahresdurchschnitt 2023 mit 6,3 Prozent sogar deutlich höher liegen als noch im Vorjahr (4,9 Prozent). Da jedoch der Inflationsbeitrag der Energiepreise in den kommenden Monaten stark abnimmt, dürfte die Gesamtinflationsrate von 6,9 Prozent im Jahr 2022 auf 6,2 Prozent im Jahr 2023 zurückgehen. Erst im kommenden Jahr dürfte sich der Preisanstieg allmählich wieder normalisieren. Unter der Annahme, dass sich Rohstoffe und Energie entsprechend der derzeitigen Markterwartung im Prognosezeitraum nicht wesentlich verteuern und dass die Europäische Zentralbank ihre Leitzinsen weiter anhebt, dürfte die Inflationsrate im Jahr 2024 auf 2,2 Prozent und die Kernrate auf 2,8 Prozent zurückgehen.

Im weiteren Verlauf des Jahres wird sich die Konjunktur in nahezu allen Wirtschaftsbereichen erholen. Darauf deutet die spürbare Verbesserung der ifo Geschäftserwartungen seit Oktober 2022 hin. Die Auftragseingänge im Verarbeitenden Gewerbe nehmen seit Jahresbeginn wieder zu, und die globale Konjunktur dürfte an Fahrt gewinnen. Langsam sinkende Inflationsraten und steigende Löhne dürften spätestens ab Jahresmitte wieder zu einem Reallohnplus führen und die Binnenkonjunktur stützen. Bremsen dürfte hingegen die Bauwirtschaft, auch wenn dort zu Jahresbeginn ein überraschend hoher Produktionszuwachs verzeichnet wurde. Die Nachfrage nach Bauleistungen ist kräftig eingebrochen, nicht zuletzt als Folge der rasch steigenden Finanzierungskosten.

Alles in allem wird das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr in etwa auf dem Niveau des Vorjahres stagnieren (-0,1 Prozent) und im kommenden Jahr um 1,7% zulegen. Die konjunkturelle Schwäche wird den Beschäftigungsaufbau in diesem Jahr etwas verlangsamen. Bereits im kommenden Jahr dürfte die Arbeitslosenquote wieder auf 5,1% sinken, nach 5,4% in diesem und 5,3 Prozent im vergangenen Jahr.

Der Staatshaushalt wird in diesem und im kommenden Jahr mit 1,3 bzw. 0,3 Prozent der Wirtschaftsleistung im Minus bleiben. Allerdings fällt das staatliche Finanzierungsdefizit deutlich geringer aus als noch bei der ifo Konjunkturprognose Winter 2022 erwartet. Insbesondere wurden die Ausgaben, die für die staatlichen Energiepreisbremsen veranschlagt wurden, um insgesamt gut 35 Mrd. Euro herabgesetzt, weil sich aus heutiger Sicht die Beschaffungspreise für Strom und Gas im Prognosezeitraum deutlich günstiger darstellen als noch vor drei Monaten. Der Leistungsbilanzsaldo wird bis zum Jahr 2024 wieder auf 5,9 Prozent der Wirtschaftsleistung steigen, nachdem er im vergangenen Jahr als Folge der kräftigen Verteuerung der Importe vorübergehend auf 3,8 Prozent gesunken war.

Risiken für die Prognose

Die Risiken für die vorliegende Prognose sind vielfältig. Kurzfristig könnte sich das Verarbeitende Gewerbe kräftiger erholen, wenn sich die angebotsseitigen Engpässe schneller auflösen als erwartet. Der Auftragsstau bei den Industrieunternehmen ist nach wie vor beträchtlich, und mittlerweile nehmen auch die Neuaufträge wieder zu. Zudem besteht in den energieintensiven Bereichen, deren Produktion Ende 2022 um 17 Prozent niedriger lag als noch ein Jahr zuvor, enormes Aufholpotenzial. Der kräftige Anstieg der Industrieproduktion im Januar 2023 war maßgeblich auf diese Bereiche zurückzuführen, die von sinkenden Gas- und Strompreisen profitieren.

Die hohe Inflation könnte hingegen die Binnenkonjunktur stärker dämpfen als in der vorliegenden Prognose unterstellt. Unklar ist vor allem, wie die privaten Haushalte auf die hohen Preisanstiege und die damit einhergehenden Liquiditätsengpässe reagieren. So ist durchaus vorstellbar, dass sie ihre Sparneigung erhöhen und einen zunehmenden Anteil ihres Einkommens, möglicherweise aus einem Vorsichtsmotiv heraus, beiseitelegen. Dies würde den privaten Konsum stärker beeinträchtigen. Auch könnte sich die heimische Preisdynamik langsamer abschwächen als erwartet, etwa weil Tariflohnanstiege oder Gewinnausweitungen höher ausfallen. Dies würde den Rückgang der Kerninflationsrate verzögern und eine restriktivere geldpolitische Reaktion erfordern. Vor allem die Baukonjunktur dürfte dadurch noch stärker in Mitleidenschaft gezogen werden.

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