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Michael Neuhalfen, ALH Sach: „Die Wohngebäudesparte ist nach wie vor unter Druck“

Michael Neuhalfen
Foto: Anna Mutter
Michael Neuhalfen, Vertriebsleiter der Alte Leipziger Sach: " Wichtig wäre aus unserer Sicht ein klarer Rahmen für die Elementarpflichtversicherung, ohne zu viel neue Bürokratie zu schaffen."

Inflation, Extremwetter und steigende Schadenkosten setzen die Branche unter Zugzwang. Michael Neuhalfen, Vertriebsleiter der Alte Leipziger Versicherung, spricht im Cash. Interview über Preisentwicklungen, Produkttrends, Elementarschutz und die Herausforderungen für Vermittler.

Herr Neuhalfen, wie schätzen Sie die aktuelle Lage am Markt für Wohngebäude- und Hausratversicherungen ein – und welche zentralen Herausforderungen sehen Sie derzeit in beiden Sparten?

Neuhalfen: Insbesondere die Wohngebäudesparte ist ergebnisseitig nach wie vor unter Druck, vor allem durch die hohe Inflation in Verbindung mit stark ansteigenden Handwerker- und Materialkosten, Rückversicherungskosten sowie den zunehmenden Unwetterereignissen und Leitungswasserschäden. Selbst die zum Teil deutlichen Beitragsanpassungen im Markt haben nicht flächendeckend zu ausgeglichenen oder gar positiven Ergebnissen geführt. Das gilt für den privaten Einzelvertrag und auch verstärkt für das gewerbliche Hausverwaltergeschäft, also Real Estate.


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Die zunehmenden Kostensteigerungen hinterlassen ebenfalls ihre Spuren im Hausratbestand. Die zentrale Herausforderung besteht in der Herstellung eines gesunden Gleichgewichts zwischen steigenden Schadenkosten sowie den aktuell teilweise zu niedrigen Marktpreisen. Ohne auskömmliche Ergebnisse wird sich das Angebot schnell verknappen; im Wohngebäudesegment – insbesondere im Bereich Real Estate – ist dies für die Vermittler und Kunden bereits spürbar.

Wie entwickeln sich derzeit Prämien, Schadenzahlen und Regulierungskosten – und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für Ihre Tarifgestaltung in Wohngebäude- und Hausratversicherung?

Neuhalfen: Entgegen der aktuellen Entwicklung der allgemeinen Inflationsrate spüren die Versicherer weiterhin deutliche Steigerungen bei den Schadenaufwendungen und -kosten. Dass die sinkende Inflation mit sinkenden Reparaturkosten einhergeht, ist leider auf unserer Seite nicht festzustellen. Solange sich die Schadenaufwendungen nicht erkennbar reduzieren, führt das zwangsläufig zu angemessenen Preiserhöhungen oder vereinzelten moderaten Leistungseinschränkungen im Markt.

Welche aktuellen Produkttrends und Innovationen beobachten Sie in der Hausrat- und Wohngebäudeversicherung – etwa in Bezug auf modulare Tarife, Assistance-Leistungen oder digitale Services?

Neuhalfen: Die schon länger bestehenden Modul- oder Baukastenprodukte zeichnen sich mittlerweile durch sehr weitreichenden Versicherungsschutz aus. Neue Themen, die früher nicht enthalten waren, wurden in den Produkten ergänzt etwa die Mitversicherung von Wärmepumpen oder Balkonkraftwerken und dennoch sanken die Preise tendenziell. Dieser Trend scheint sich in langsam umzukehren. Schrittweise werden auch Nachhaltigkeits-Aspekte berücksichtigt, wobei die Zahlungsbereitschaft der Kunden hierbei eher zurückhaltend ist. Für uns steht im Fokus, die Kunden auf dem Weg in ein nachhaltig ausgerichtetes Heim mit entsprechendem Versicherungsschutz zu begleiten.

Wie hoch ist aktuell der Anteil an Policen mit eingeschlossenem Elementarschutz in Ihrem Bestand – und wie hat sich dieser Anteil in den vergangenen fünf Jahren verändert?

Neuhalfen: In den letzten Jahren ist die Anbündelungsquote von Elementar im Bestand unserer Wohngebäudekunden auf aktuell rund 58 Prozent gestiegen, im Neugeschäft auf rund 74 Prozent. In unserem Bestand der Hausratversicherung liegt die Anbündelungsquote von Elementar derzeit bei rund 50, im Neugeschäft ist sie auf rund 68 Prozent gestiegen.

Welche Erfahrungen machen Ihre Vertriebspartner bei der Beratung zur Elementarversicherung – insbesondere hinsichtlich typischer Einwände oder Missverständnisse bei Kundinnen und Kunden?

Neuhalfen: Die Vermittler sind durch die zunehmende Anzahl und Schwere der Elementarschaden-Ereignisse sensibilisiert und berücksichtigen dieses Risiko verstärkt in den Analyse- und Beratungsgesprächen. Die Anbündelungsquote von Elementarrisiken steigt. Auch die Kunden fragen mittlerweile aktiv nach Versicherungsschutz für Elementarrisiken. In der Wohngebäudeversicherung sehen wir diese Entwicklung deutlicher als in der Hausratversicherung, obwohl ein Elementarereignis gerade auch im Hausratbereich zu einem Totalschadenfall führen kann. Hier scheint die Kundschaft noch nicht so stark sensibilisiert zu sein wie in der Wohngebäudeversicherung.

Wie bewerten Sie die geplanten gesetzlichen Regelungen zur Einführung einer Elementarpflichtversicherung – einschließlich eines möglichen „Opt-out“-Modells? Wäre Ihr Unternehmen produktseitig und prozessual auf eine Umsetzung vorbereitet?

Neuhalfen: Die Alte Leipziger hat das Opt-Out-Modell in seiner eigenen Vertriebsorganisation schon länger umgesetzt. Wir bieten unsere Tarife immer mit Elementarschaden-Schutz an. Kunden müssen diesen aktiv abwählen. So ist der Kundenwunsch sauber dokumentiert. Es sind aktuell noch viele Fragen zur konkreten Gestaltung und Durchführung einer Elementarpflichtversicherung ungeklärt beziehungsweise offen. Wichtig wäre, dass der Gesetzgeber einen stärkeren Fokus auf Prävention legt und auf Neubaugebiete in bekanntlich überschwemmungsgefährdeten Gebieten verzichtet. Aus heutiger Sicht würde eine gesetzliche Regelung mit Anpassungsaufwänden für die Versicherungsgesellschaften einhergehen. Wichtig wäre aus unserer Sicht ein klarer Rahmen für die Elementarpflichtversicherung, ohne zu viel neue Bürokratie zu schaffen. Wir als Alte Leipziger sind aber gut gerüstet, da wir uns schon seit vielen Jahren mit der Elementarschadenversicherung beschäftigen.

Wie geht Ihr Unternehmen mit besonders risikobehafteten Regionen um – sowohl im Neugeschäft als auch bei Bestandskunden? Und wie fließen bauliche Vorsorgemaßnahmen in Ihre Risikoprüfung und Tarifgestaltung ein?

Neuhalfen: 99 Prozent der Gebäude in Deutschland sind gegen Überschwemmungen und Starkregen versicherbar. Rund 95 Prozent der Gebäude in Deutschland fallen in die Risikokategorien ZÜRS 1 und 2. Die Diskussion insbesondere über die Zone 4 betrifft also Einzelfälle. Wir bieten bei Zone 3 Versicherungslösungen mit einem risikoangemessenen Preis an. Risiken in Zone 4 sind äußerst schwer versicherbar, weshalb wir dafür keine Tarifpreise ausweisen. Die Vorschadenhistorie wird bei uns bei der Preisfindung berücksichtigt. Auch Prävention kann bei der Gestaltung des Versicherungsschutzes gegen Elementarschäden berücksichtigt werden.

Welche Rolle spielen digitale Lösungen wie Geodaten, Smart-Home, KI-gestützte Risikoanalysen für Ihre Risikoeinschätzung und Schadenvermeidung? Und welche Erwartungen haben Sie an Vermittler und Makler im Kontext der Elementargefahrenabsicherung?

Neuhalfen: Geodaten aus verschiedenen Quellen werden im deutschen Markt schon länger in der Kalkulation und Risikoeinschätzung eingesetzt. Im Bereich der Vermeidung oder Reduzierung von Leitungswasserschäden sind bereits KI-gestützte digitale Lösungen im Einsatz. Diese haben sich bisher in Deutschland aber noch nicht flächendeckend durchgesetzt. Wir befinden uns zurzeit mit der Firma Enzo in einem Pilotprojekt zur frühzeitigen Erkennung von ungewolltem Leitungswasseraustritt. Wir gehen davon aus, dass im Verlauf der nächsten Jahre entsprechende KI-gestützte Frühwarnsysteme gegen Unwetterschäden weiterentwickelt werden. Hier beobachten wir den Markt recht intensiv.

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